F: Frau Wehrmann, am isländischen Vulkan Bardarbunga rumort es seit Tagen im Untergrund. Am Freitagmorgen gab es einen leichten Ascheausstoß. Ist es denkbar, dass sich dort eine große Eruption entwickelt?
A: Der Bardarbunga gehört zu den vier aktivsten Vulkanen Islands, zusammen mit Grimsvötn, Hekla und Katla. Da ist das Potenzial für eine Eruption natürlich generell gegeben. “Aktiv” beschreibt hier eine hohe Frequenz von Eruptionen ab einer gewissen Stärke: Über die letzten 300 Jahre kam es am Bardarbunga 20 mal zu Ausbrüchen. Darüber hinaus haben sich in der jüngsten Vergangenheit, seit Mitte der 1980er Jahre, möglicherweise 10 weitere Eruptionen ereignet. Das wären im Schnitt alle drei Jahre eine, die letzte 2008. Von diesen gibt es aber keine bestätigten Beobachtungen, da sich der Vulkan unter einem großen Gletscher, dem Vatnajäkull, befindet. Somit ist es schwierig, eine Prognose zu treffen, ob sich entlang der derzeit stark erhöhten Erdbebenaktivität tatsächlich ein nennenswerter Ausbruch entwickeln wird.
F: Der Bardarbunga hat nicht die „typische“ Form eines Vulkans. Was ist das Besondere an diesem Vulkan?
A: Vulkane haben ganz unterschiedliche Oberflächenformen. Der Bardarbunga hat eine Caldera, also eine große Hohlform. Calderen entstehen durch voluminöse Eruptionen, bei denen nach Entleerung des Magmenreservoirs die Erdkruste einbricht oder heruntersackt. Außerdem befindet sich der Bardarbunga in einem Riftsystem. Durch die Drift der tektonischen Platten formen sich langgestreckte Krater, also Spaltenvulkane, oder auch Serien von Kratern, die sich an Schwächezonen aufreihen. Es gibt Hinweise darauf, dass das Magmensystem des Bardarbunga mit den benachbarten Spaltenvulkanen Veidivötn, Trollagigar und Laki in Verbindung steht.
F: Welchen Szenarios über die möglichen Entwicklungen der Aktivitäten zeichnen Wissenschaftler für den Bardarbunga?
A: In einem relativ simplen Fall würde ein Lavastrom ausfließen. Jedoch führt die Lage Bardarbungas unter dem Vatnajökull dazu, dass austretende Lava mit dem Gletscher in Verbindung kommen würde. Die Verbindung von Magma mit Wasser wird häufig brisant. Durch den Kontakt des Wassers mit dem heißen Magma können sich dadurch, dass das Wasser sehr plötzlich verdampft und so sein Volumen vergrößert, sehr heftige Explosionen formen, so genannte phreatomagmatische Eruptionen. Dabei entstünde Tephra. Auch können Teile des Gletschers schmelzen und zu Überflutungen führen. Bei einer Überfliegung am 27.08.14 sind im südlichen Bereich der Caldera kesselförmige, 10-15 m tiefe Absenkungen im Gletscher beobachtet worden, die möglicherweise durch subglaziale Eruptionen verursacht worden sind. Parallel dazu ist der Wasserspiegel des Grimsvötnsees in den letzten Tagen um 5-10 m gestiegen. Die Isländischen Wissenschaftler vermuten, dass dieser Seespiegelanstieg mit dem geschmolzenen Eis über dem Vulkan in Verbindung steht.
Aber auch nach der kleinen Eruption von heute Nacht ist es keineswegs sicher, dass große Mengen von Magma tatsächlich bis zur Erdoberfläche vordringen. Vielleicht kommt der Vulkan auch ohne eine heftige Explosion wieder zur Ruhe.
F: Geologen des GEOMAR untersuchen die Aschelagen auf dem Meeresboden vor der süd- und ost-isländischen Küste. Welche Informationen erhalten Sie hierbei?
A: Bei explosiven Eruptionen werden Aschepartikel hoch in die Atmosphäre geschleudert. Dort breiten sie sich aus und lagern sich wieder auf der Erdoberfläche ab, damit auch auf dem Meeresboden. An Land unterliegen solche Ascheschichten häufig der Erosion, wodurch Lücken in der Dokumentation entstehen. Somit sind in marinen Bohrkernen die Sequenzen der Tephras meist deutlich vollständiger erhalten. Die marinen Untersuchungen geben uns Informationen über die Chronologie der Isländischen Vulkanausbrüche, und darüber, welche Gebiete von der Ascheverbreitung betroffen waren. Aus diesen Daten lässt sich dann abschätzen, wie wahrscheinlich künftige Eruptionen sind und mit welchen Dimensionen zu rechnen ist.
Das Interview führte Karl Dzuba (ESKP).