Keiner unserer Zeitgenossen hat je einen wirklich großen Vulkanausbruch erlebt. Nur dürftige Zeitzeugenberichte existieren von den gigantischen Ausbrüchen des indonesischen Vulkans Krakatau im Jahre 1883. Dieses Ereignis erreichte auf der Skala für die Explosivität von Vulkanausbrüchen den hohen Wert 6 (VEI-6). Der Krakatau liegt in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt Jakarta. 1815 brach der Tambora mit VEI-7 aus. Der Tamora liegt nur etwas weiter südöstlich vom Krakatau auf der Insel Sumbawa. Seit dem Ausbruch verharrt er in einer Ruhephase. Kurzum, die moderne und weitaus dichter besiedelte Welt musste noch nicht mit einem Ausbruch zurechtkommen, der auf dem Vulkanexplosivitätsindex (VEI) auf Werten von 7 oder 8 rangiert.
Allein für die letzten 2.000 Jahre kennt man mehr als dreißig solcher weltumspannender Ereignisse. Diese Zahl ergibt sich aus den Untersuchungen von Tephra, dem von Vulkanen ausgeworfenen und über weite Strecken transportierten Material. Viele andere große Ausbrüche könnten bisher dennoch unentdeckt geblieben sein.
Erst kürzlich wiesen Wissenschaftler eine bis dato unbekannte, massive Eruption (VEI-7) des indonesischen Schichtvulkans Rinjani im Jahre 1257 nach. Riesige Schwefelmengen gelangten damals in die Atmosphäre. Diese kühlten die Erde so weit ab, dass eine jahrhundertelange Kaltzeit („Kleine Eiszeit“) unseren Planeten überzog. Extrem kalte Winter und heftige Niederschläge in den Sommern waren für einen Teil der Ernteeinbußen und großen Hungersnöte damals verantwortlich. Historisch gut belegt wurde dies vor allem für England und Japan.
Europas Sorgenkind: die phlegräischen Felder
Die Campi Flegrei, zu Deutsch „phlegräische Felder“, westlich von Neapel gehören zu den bestüberwachten vulkanischen Gebieten der Welt und sind das einzige europäische Vulkangebiet mit einer bekannten Supereruption (VEI-7 /8). Sowohl die Erdbebenaktivität, die Deformation des Bodens und der Caldera sowie die austretenden Gase (CO2 und insbesondere die Ratios CO2/CH4 und He/CH4) werden deshalb lückenlos beobachtet (Chiodini et al., 2017).
In dem vulkanischen Gebiet waren innerhalb der letzten 39.000 Jahre viele verschiedene Eruptionszentren aktiv. Zum vulkanisch aktiven Bereich zählen neben den phlegräischen Feldern, ein Teil der Stadt Neapel, die vulkanischen Inseln Procida und Ischia sowie der nordwestliche Teil des Golfs von Neapel.
Die geologische Geschichte der Campi Flegrei wurde von zwei großen Eruptionen dominiert: dem Ausbruch des Ignimbrite Campana (vor 39.000 Jahren) und dem Ausbruch des Neapolitanischen Yellow Tuff (vor 15.000 Jahren). Diese Eruptionen haben eine komplexe Caldera hervorgebracht, von der sich viele Spuren und Strukturen noch heute erkennen lassen.
Der jüngste Vulkanismus konzentrierte sich in drei Perioden intensiver Aktivität, die sich mit Perioden der Ruhe abwechselten. In der rezentesten Epoche (Zeitraum zwischen 4.800 und 3.800 Jahren) kam es im Schnitt alle 50 Jahre zu Eruptionen. Im Jahre 1538 stieg dann plötzlich wieder überdurchschnittlich viel Magma auf. Innerhalb nur einer Woche entstand ein neuer Berg, der Monte Nuovo. Obwohl dieser Vulkankegelberg schnell 133 Meter hoch wurde, zählen Wissenschaftler dieses Ereignis zur Phase geringerer Intensität.
Jahrhunderte lang senkte sich der Boden in der Region, bevor er sich dann kurz vor dem Ausbruch 1538 hob. In der Region um den Monte Barbaro (Averno) beispielsweise war die Hebung damals so massiv, dass die Küste um mehrere hundert Meter versetzt wurde. Der Monte Nuovo ist inzwischen zum Teil bebaut. Die gesamte Caldera ist stark besiedelt. Dies zeigt sich recht anschaulich, wie wenig heute ernsthaft mit den potentiellen Konsequenzen einer erneuten Aktivität geplant wird.
Seismische Wellen triggern vermutlich Hebungsereignisse in den phlegräischen Feldern
Vergangene Ausbrüche verraten Wissenschaftlern viel über die Eigenheiten jedes vulkanischen Gebietes. Allerdings erfolgt in der Regel eine isolierte Betrachtung: ein Vulkangebiet wird intensiv überwacht, aber nicht mit weit entfernten Ereignissen in Verbindung gebracht. Zu komplex sind die Vorgänge im Untergrund.
Dennoch galt bisher die Annahme, Vulkanausbrüche seien größtenteils vorhersagbar, sofern ein umfangreicher historischer Katalog für das Gebiet vorliegt und ein engmaschiges Monitoring initiiert wurde. Nun allerdings gibt es Belege dafür, dass es in den phlegräischen Feldern bei Neapel genau diese Gewissheit nicht geben kann.
Wissenschaftler des Deutschen GeoForschungsZentrums konnten zeigen, dass weit entfernte Beben in den Apenninen eine erhöhte vulkanische Aktivität in den phlegräischen Feldern nach sich ziehen können, was die Vorhersagen letzterer wiederum wesentlich unwägbarer macht. Erdbeben sind nach momentanem Kenntnisstand nicht vorhersagbar. Und die vulkanische Aktivität erfolgt zeitversetzt (Lupi et al., 2017).
Das neue Konzept impliziert, dass geologische Prozesse, die durch vorbeikommende seismische Wellen ausgelöst werden, erst mehrere Monate nach dem Passieren der seismischen Wellen sichtbar werden. In einem Zeitfenster von 70 Jahren hat das Team von Dr. Philipp Weis 14 Hebungsereignisse in den phlegräischen Feldern identifiziert, 12 von ihnen gingen Erdbeben voraus. Für acht dieser Hebungsereignisse reicht die Zeitspanne von den registrierten, jedoch weiter entfernten Beben bis zur Hebung in den phlegräischen Feldern bis zu 1,2 Jahre. Dabei zeigen auch nahegelegene Verwerfungen, Reservoire und sogar der Vesuv zeitgleiche Hebungsereignisse, wie Ergebnisse des GFZ-Teams um Dr. Thomas Walter darlegen; auch diese sind möglicherweise durch entfernte Erdbeben ausgelöst (Walter et al., 2014).
Vermutlich fördert das Passieren von seismischen Wellen die kurzzeitige Versprödung des Panzers des Magmareservoirs, der ansonsten gut verformbar ist. Eine solche Versprödung ermöglicht, dass Magma und gelöste flüchtige Stoffe aus dem magmatischen Reservoir freigesetzt werden. Die Fluide steigen dann oberhalb des magmatischen Reservoirs auf. Auch dem größten Ausbruch der letzten hundert Jahre, dem des Pinatubo auf der Insel Luzon (Philippinen), gingen große Erdbeben voraus. Diese Mechanismen und die damit verbundenen inhärenten Unsicherheiten erfordern weitere Untersuchungen.
Appell der Vulkanologen
Die Dauer der Ruhephasen von Vulkanen kann bisher nicht vorhergesagt werden. Meist, jedoch nicht immer, sind die kolossalen Vulkanausbrüche (VEI-7 und -8) dort zu erwarten, wo sich eine ozeanische Platte über oder unter eine Kontinentalplatte schiebt (Subduktionszonen).
Eine wohl durchdachte Vorbereitung der Gesellschaft auf diese sehr großen, wenn auch sehr seltenen Vulkanausbrüche ist mindestens genauso wichtig für die vielen kleineren Eruptionen, so der eindringliche Appell von Experten (Newhall et al., 2018). Unsere Abhängigkeit von Satelliten-Daten ist so immens, dass Vulkanologen dringend raten, detaillierte Untersuchungen darüber anzustellen, wie vulkanische Asche in der Atmosphäre sowie die veränderte atmosphärische Feuchte die Signale unserer zahlreichen GPS-Systeme beeinflusst.
Ganz wichtig ist zum anderen, ein noch viel besseres Verständnis darüber zu erlangen, wie sich ungeheure Magmamengen im Untergrund ansammeln, wie sich Magmakammern füllen, bevor es zu einem gigantischen Ausbruch (größer gleich VEI-7) kommt. Eine Vorbereitung auf diese sehr seltenen Ereignisse (1-2 pro Jahrtausend für VEI-7-Eruptionen weltweit) mit potentiell desaströsen Folgen in einer global vernetzten Welt ist politisch jedoch ein Drahtseilakt. Allein der vergleichsweise unbedeutende Vulkanausbruch (VEI-4) des isländischen Vulkans Eyafjallajöküll im April 2010 verursachte laut Oxford Economics wirtschaftliche Schäden in Höhe von fünf Milliarden Euro. Und besonders Menschen sind heute zahlreich in Gefahr.
Im 19. Jahrhundert waren die meisten Gebiete nicht annähernd so dicht besiedelt wie heutzutage. Allein 200 Millionen Indonesier leben weniger als 100 Kilometer entfernt von gefährlichen Vulkanen. Der schon lange ruhende Vulkankegelberg „Mount Damavand“ im Iran liegt nur 70 Kilometer außerhalb Teherans. 90 % des vulkanischen Risikos ist in nur fünf Ländern konzentriert (Indonesien, Philippinen, Japan, Mexiko, Äthiopien). Doch weitaus mehr Länder der Erde würden mit den Folgen eines großen Ausbruchs zu kämpfen haben.
Ein Mindestmaß an konzertierter Überwachung und intensiver Forschung ist eine globale Aufgabe, auf die Experten erneut entschieden hinweisen. Besonders vielversprechend sind dabei modernste Satelliten, um auch entlegene Vulkane zu erfassen und Vorboten zu erkennen.
Text: PD Dr. Thomas Walter (Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungszentrum)
Referenzen
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Brown, S. K., Crosweller, H. S., Sparks, R. S. J., Cottrell, E., Deligne, N. I., Guerrero, N. O., Hobbs, L., Kiyosugi, K., Loughlin, S. C., Siebert, L. & Takarada, S. (2014). Characterisation of the Quaternary eruption record: analysis of the Large Magnitude Explosive Volcanic Eruptions (LaMEVE) database. Journal of Applied Volcanology, 3:5. doi:10.1186/2191-5040-3-5
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Weiterführende Informationen
Interaktive Karte: Historische Eruptionen in der Caldera der Phlegräischen Felder (BP = Before Present).
Lingenhöhl, D. (2019, 26. April). Europas Supervulkan ist aktiver als gedacht. Die Phlegräischen Felder gehören zu Europas tektonisch gefährlichsten Regionen. Und sie brechen wohl in kürzeren Abständen aus, als man bislang annahm. Spektrum News.
Ausbruch des Tambora – ein Vulkan stiehlt den Sommer. (2017, 25. Februar). [W wie Wissen]. ARD-Mediathek.
DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.026
Veröffentlicht: 27.06.2018, 5. Jahrgang
Zitierhinweis: Walter, T. (2018, 27. Juni). Zivilisation meets VEI-7 Eruption: Die Menschheit ist schlecht aufgestellt. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de], 5. doi:10.2312/10.2312/eskp.026