Die allermeisten Tsunamis werden durch starke Beben im Meer ausgelöst, bei denen sich Erdplatten plötzlich nach oben bewegen (vertikaler Versatz). Frühwarnsysteme greifen hier. Hin und wieder entstehen Tsunamis jedoch auch infolge vulkanischer Eruptionen und submariner Hangrutschungen. Ungefähr fünf Prozent der nachgewiesenen Tsunamis seit 1600 können insgesamt auf Vulkane zurückgeführt werden.

Historische Belege für Tsunamis durch vulkanische Flankeninstabilitäten gibt es durchaus, wenn auch nur wenige. So zum Beispiel für den Ausbruch des Stratovulkans, der die zu Papua-Neuguinea gehörende Ritter-Insel bildet. Man weiß wie die, nach dem deutschen Geografen Carl Ritter benannte Insel einst ausgesehen haben muss. Im 19. Jahrhundert segelten hier einige Forschungsreisende vorbei und fertigten Zeichnungen an. Das Jahr 1888 markierte dann ein gewaltiges Naturereignis in Papua-Neuguinea: Große Mengen Gesteinsmaterial des Ritter-Vulkans rutschten jäh ins Meer und ein Tsunami überrollte die Nachbarinseln. Heutzutage ragen nur noch wenige Reste des nach wie vor aktiven Vulkans aus dem Wasser.

Stichhaltig historisch belegt ist auch ein 20 Meter hoher Tsunami, der durch das Abrutschen der Vulkanflanke des ‚Mount Mayuyama‘ auf Kuyshu Island in Japan im Jahre 1792 entstand. Mehr als 14.000 Tote waren zu beklagen. Doch was Tsunamis durch Vulkane anbetrifft, stellt ein Ereignis alle anderen in den Schatten: Der Krakatau brach 1883 in Indonesien aus und warf bis zu 8,5 Kubikkilometer Gesteinsbrocken (Tephra) aus. Die untenstehende Abbildung zeigt in Gelb, wie sich u.a. die Inseln des Krakatau-Komplexes durch Glutlawinen massiv vergrößerten. Tsunami-Wellen, die sich bis zu 15 Meter auftürmten, verwüsteten die Küsten. Geschätzte 36.000 Todesopfer gab es damals, ca. 95 Prozent starben infolge der Tsunamis. Ein Vergleich macht die Dimension des Ausbruchs von 1883 besonders deutlich: Dessen Energie kann mit der dreizehntausendfachen Stärke der auf Hiroshima abgeworfenen Atombombe verglichen werden. Dieser Ausbruch zählt zu den größten Katastrophen der Neuzeit.

Weiter zurück geschaut finden sich auch in Europa Belege für verheerende Tsunamis durch Vulkanismus. Die antike Insel Thera, heute unter dem Namen Santorin bekannt, war Schauplatz dieses zerstörerischen Naturschauspiels. Vor allem Glutlawinen und Trümmerströme erzeugten Tsunamis. Noch heute identifizierbare Zeugen dieser Zeit – der Ausbruch wird um das Jahr 1650 vor Christus datiert – sind immense Ablagerungen von Tephra in Tiefseesedimenten des Mittelmeers in der gesamten Ägäis und im östlichen Mittelmeerraum. Die Wellenhöhen entlang der Küstengebiete betrugen demnach etwa 7 bis 12 Meter wie sich aus Ablagerungen in Ost-Thera sowie an archäologischen Stätten in Nord- und Ost-Kreta ergibt. Dort fand man vor allem Bimsstein, ein poröses glasiges Vulkangestein.

Wie werden durch Vulkanismus Tsunamis ausgelöst?

Vulkanische Erdbeben, rasend schnelle Glutlawinen (pyroklastische Ströme), Unterwasserexplosionen aber auch der Einsturz einer submarinen Caldera können Tsunamis erzeugen. Auch allmähliche, schwerkraftbedingte Prozesse ziehen plötzliche Hangbewegungen nach sich. Als Reaktion auf verschiedene innere und äußere Kräfte können Vulkanflanken abrutschen. Die Flanken eines Vulkans sind meist bereits aufgrund ihrer Geometrie instabil, in vielen Schichten übereinander gestapeltes unverfestigtes Material trägt zur Instabilität bei. Eine unausgeglichene Gewichtsverteilung, aber auch horizontales „Schieben“ aufgrund magmatischer Intrusionen kann eine Flankenrutschung bewirken.

Verstärkt wird die Instabilität dadurch, dass chemische und mineralogische Gesteinsveränderungen unter Einfluss von hydrothermalen Lösungen Schichten „rutschiger“ machen kann, es bilden sich tonartige Lagen. Auch der Anstieg des Porendrucks in den grundwasserführenden Hohlräumen bewirkt Instabilitäten. Der Porendruck steigt zum Beispiel, wenn der Vulkan verformt oder aber der Ausfluss durch hydrothermale Mineralisation „verstopft“ ist. Instabile Flanken eines Vulkans können indes zu gewaltigen Erdrutschen führen, wie sich beispielsweise an submarinen Flanken von Vulkanen vor Hawaii gezeigt hat.

Hangrutsch des Anak-Krakatau im Dezember 2018

Jüngstes Beispiel für einen großen Flankenkollaps an einem Vulkan ist der Hangrutsch am Anak-Krakatau am am 22. Dezember 2018. In Indonesien trafen infolge meterhohe Tsunami-Wellen auf Küstengebiete der Inseln Java und Sumatra an der Sunda-Straße. Nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen hat ein Hangrutsch an der Westflanke des Anak-Krakatau den Tsunami ausgelöst. Das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ) hatte mit Hilfe von tieffrequenten Aufzeichnungen an 74 seismischen Stationen bis in 3900 Kilometer epizentraler Entfernung eine oberflächennahe seismische Quelle am Anak-Krakatau lokalisiert. Diese könnte als Hangrutsch gedeutet werden. Die vom GFZ bestimmte Herdzeit war um 13:55 UTC (20:55 Uhr Ortszeit). Die Ankunft der ersten Tsunamiwellen wurde an der Gezeitenmess-Station in Jambu, West-Java, circa 32 Minuten später registriert. Die Ankunftszeiten der Tsunamiwellen an anderen Messstationen in der Sunda-Straße lassen ebenfalls auf den Anak-Kakatau als Ursprung des Tsunami schließen. Aus einem Vergleich der Satellitenbilder vor und nach dem Ereignis lässt sich zudem erkennen, dass ein Teil der Westflanke von Anak-Krakatau sich vertikal extrem verkleinert hat (von 338 Meter auf 110 Meter) und das abgebrochene Material im Meer immense Wassermassen verdrängt hat.

Alle zweieinhalb Jahre ein desaströser Tsunami in Indonesien

Die seismische Gefährdung ist auf Sumatra und Java wegen der häufigen Megathrust-Erdbeben insgesamt besonders hoch. Zusätzlich besteht die Gefahr von Vulkanausbrüchen und Tsunamis. Der Anak-Krakatau ist seit seiner Entstehung 1927 mindestens 33 Mal ausgebrochen, teils explosiv, teils effusiv, also langsam fließend. Entlang der Südküste Indonesiens taucht die Indo-Australische Platte unter die Eurasischen Platte mit einer Driftgeschwindigkeit von etwa sechs Zentimeter pro Jahr ab. Eine Folge der Subduktion ist die Entstehung eines engen vulkanischen Gürtels im Hinterland Indonesiens mit 127 aktiven und teils hochexplosiven Vulkanen.

Statistisch betrachtet ereignet sich in Indonesien alle zweieinhalb Jahre ein desaströser Tsunami. Verheerende Tsunamis, ausgelöst durch Vulkanausbrüche oder Hangrutschungen an Vulkanen, sind jedoch selten. Mit Ausnahme des Ritter-Island (1888)- und des Krakatau-Tsunamis (1883) fanden sich zudem bisher alle Opfer in Südostasien jeweils in weniger als 20 km Entfernung vom Vulkan. Indonesien verfügt bisher nicht über ein Tsunami-Frühwarnsystem, das Aktivitäten an Vulkanen oder Hangrutschungen berücksichtigen kann, da hier - anders als bei Tsunamis, die durch Erdbeben ausgelöst werden - ein völlig anderer wissenschaftlicher und Monitoring-Ansatz verfolgt werden muss.

Zurzeit muss man konstatieren, dass kein operatives Frühwarnsystem der Welt Hangrutschungen berücksichtigen kann. Bei Tsunamis, die durch Erdbeben ausgelöst werden, kann mittels einer speziellen Software, die auf Erdbebenmonitoring und Satellitendaten basiert, innerhalb weniger Minuten vor einem Tsunami gewarnt werden. Das indonesische Frühwarnsystem InaTEWS wurde unter deutscher Federführung aufgebaut und liegt inzwischen ganz in der Verantwortlichkeit der Behörden vor Ort. Während Tsunamis, die durch Erdbeben verursacht werden, schon gut erforscht sind, ist die Lage bei Tsunamis vulkanischen Ursprungs wesentlich komplexer und schwieriger. Hierzu sind bisher nur wenige wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht wurden, ein interdisziplinärer Ansatz wäre zudem unerlässlich.

Monitoring von Vulkanflanken in Europa

Es gibt nur wenige, tatsächlich mit modernen Messinstrumenten aufgezeichnete Beispiele von Tsunamis, die ursächlich auf instabile Vulkanflanken zurückzuführen sind. Im Dezember 2002 konnten Forscher messen, wie ein etwa 17 Millionen Kubikmeter großer Flankenbereich des Stromboli-Vulkans in Italien abrutschte und zu einer etwa acht Meter hohen Flutwelle auf der Insel selbst führte. Es war ein glücklicher Umstand, dass die Insel im Winter, als die Flutwelle anrollte, nur spärlich besiedelt ist. Ein ganz anderes Szenario hätte sich für die touristische Saison ergeben.

Der aktivste Vulkan Europas, der Ätna auf Sizilien, wird an Land von der Wissenschaft und den Behörden  intensiv überwacht. Aktuelle Messungen zeigen: Die Südostflanke des Ätna rutscht langsam in Richtung Meer während andere Hänge stabil sind. Der Vulkan befindet sich direkt an der Küste und ein Großteil der instabilen Flanke liegt unter Wasser. Ein schnelles Abrutschen des gesamten Hangs könnte zu einem Tsunami mit schwerwiegenden Folgen für die gesamte Großregion Neapel führen. Bisher dokumentieren geodätische Messungen an Land seit Anfang der achtziger Jahre kontinuierliche seewärts gerichtete Bewegungen mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 3 bis 5 cm pro Jahr. Die etablierten satellitengestützten geodätischen Systeme sind jedoch aufgrund der Undurchlässigkeit von Meerwasser für elektromagnetische Wellen nicht für den Einsatz unter Wasser geeignet.

Ein Team des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ hat deshalb mithilfe eines neuen, schallbasierten Vermessungsnetzes Untersuchungen angestellt und konnte erstmals nachweisen, dass sich der Hang des Ätna auch unter Wasser weiterbewegt. Innerhalb von nur acht Tagen bewegte er sich im Mai 2017 um circa vier Zentimeter. Diese Bewegung kann mit einem langsamen Erdbeben verglichen werden, ein sogenannter „Slow Slip“. Es war das erste Mal, dass die horizontale Bewegung eines solchen „Langsam-Beben-Ereignisses“ unter Wasser erfasst wurde.

Ursache für die Bewegung des Hangs ist aller Wahrscheinlichkeit nach hauptsächlich die Schwerkraft, und nicht, wie bisher angenommen, aufsteigendes Magma. Würde Magma im Zentrum des Vulkans die Bewegung auslösen, müsste sich der Hang an Land stärker fortbewegen als unter Wasser. Dieses allmähliche schwerkraftbedingte Abrutschen von einzelnen Vulkanflanken ist auch in anderen Regionen bekannt, so zum Beispiel am Mombacho-Vulkan in Nicaragua, aber auch am Kilauea und anderen hawaiianischen Vulkanen. Flanken der Vulkane auf Hawaii, den Kanarischen Inseln aber auch auf La Réunion können möglicherweise ebenfalls kollabieren und potentiell Tsunamis auslösen. Um dies näher zu untersuchen, werden mehr Analysen (‚Shoreline-crossing ground deformation‘), die die Erdbewegungen an Land und unter Wasser umfassen benötigt. Nur so entstünde ein vollständiges Bild dieser Dynamik.

 

Text: ESKP - Jana Kandarr, GFZ-Poster (Link), GEOMAR Pressemitteilung (Link)

 

Referenzen

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  DeutschesGeoForschungsZentrum – Sektion 2.1 Erdbeben- und Vulkanphysik, Sektion 2.4 Seismologie, Sektion 2.6 Erdbebengefährdung und Spannungsfeld. (2018, 25. Dezember). Vulkanisches Tsunami Ereignis in der Sunda-Strasse. M 5,1 am 22.12.2018 [Poster ID: gfz2018yzre, media.gfz-potsdam.de].

  GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (2018, 10. Oktober). Ätna: Neues Messsystem belegt Abrutschen des Südosthangs. Vulkanflanke bewegt sich auch unter Wasser – Tsunami als mögliche Folge [Pressemitteilung, www.geomar.de].

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CEDIM - Center für Disaster and Risk Management

Der Kurzbericht (engl.) des Center for Disaster and Risk Management (CEDIM) am Karlsruher Institut für Technologie zeigt die Schadensbilanz in Indonesien für die am 22.12.2018 auf die Küste getroffenen Tsunamis: "Volcano-Tsunami Anak Krakatoa".

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