Neue Aerosoldaten, die im Zuge des CARIBIC-Projekts an Bord eines Lufthansa-Linienfliegers im Bereich der Tropopause erhoben wurden, zeigen in Verbindung mit Daten des CALIPSO-Satelliten, dass zwischen 2008-2011 die Sonneneinstrahlung wesentlich stärker reflektiert wurde, als bisher angenommen. Zudem ist der durch vulkanische Aerosole verursachte Abkühlungseffekt in bisherigen Klimamodellen zu gering angesetzt. Das Projekt wird vom Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) koordiniert.
Die neuen Daten zeigen erstmals, dass Gase und Partikel aus Vulkaneruptionen in unterschiedliche Bereiche der Atmosphäre induziert werden und somit unterschiedlich starke Effekte auf die Strahlungsbilanz haben. Dabei spielt die Tropopausen-Region, die den Übergang zwischen der unterliegenden Troposphäre und der darüberlegenden Stratosphäre markiert, eine große Rolle.
Komplexes Labor auf Langstreckenflügen in Lufthansa-Airbus
Seit 1997 werden im Rahmen von Caribic Spurengase und Aerosolproben in dieser Übergangsregion gemessen. Einmal im Monat wird ein komplexes Labor bestehend aus insgesamt 16 Messinstrumenten in einen modifizierten Lufthansa Airbus A340-600 eingebaut, um auf vier Langstreckenflügen in einer Höhe von 10–12 Kilometer in situ, also direkt vor Ort, Treibhaus-und Spurengase sowie Aerosolparameter zu messen und Proben zu entnehmen, die dann später am Boden in verschiedenen europäischen Laboren ausgewertet werden können. Dieses flugzeugbasierte Messlabor ist weltweit einzigartig und trägt maßgeblich zum weltweiten Atmosphären-Beobachtungsnetzwerk und somit zur Verbesserung des Verständnisses atmosphärischer Prozesse und des Klimawandels bei.
Vulkane können Staub und Gase bis hoch in die Atmosphäre schleudern (siehe auch Artikel: Schwefeldioxid-Verteilung in der Stratosphäre), wo sich u.a. schwefelsäurehaltige Aerosolpartikel bilden. Diese Teilchen können auf Flughöhe mittels eines speziell entwickelten Teilchensammlers im Caribic-Observatorium gesammelt und später im Labor mittels Ionenstrahl-Beschleunigung gemessen werden. Normalerweise ist das Verhältnis von Schwefel zu Ozon (O3), das gleichzeitig an Bord des Flugzeuges gemessen wird, in der Tropopause relativ konstant. Wenn allerdings der Schwefelgehalt in der Atmosphäre z.B. auf Grund eines Vulkanausbruchs erhöht ist, ist auch das Verhältnis zu Ozon erhöht. Das Verhältnis Schwefel/O3 kann somit als Indikator für die Infiltration von vulkanischen Aerosolen in die Atmosphäre genutzt werden.
Deutliche Signale vulkanischer Aerosole konnten in den Jahren 2005-2012 beobachtet werden. Drei Vulkanausbrüche stechen in dieser Zeit besonders hervor: der Ausbruch des Kasatochi (Aleuten, USA) im August 2008, des Sarytschew (Kurilen, Russland) im Juni 2009 und des Nabro (Eritrea) im Juni 2011. Jeder dieser drei Ausbrüche induzierte mehr als eine Megatonne Schwefeldioxid (SO2) in die Atmosphäre. Dort wird Schwefeldioxid u.a. in feste Schwefelteilchen umgewandelt, die dann recht lange in der Atmosphäre verweilen können. Noch sieben Monate nach Ausbruch des Sarytschews wurde in der Tropopause ein erhöhtes Verhältnis von Schwefelteilchen zu Ozon gemessen. Diese lange Verweilzeit der Teilchen führt dazu, dass auch lange nach einem Vulkanausbruch, die Strahlungsbilanz der Erde beeinflusst werden kann.
Welchen Einfluss haben Vulkanausbrüche auf das globale Klima?
Die Stärke der hier vorgestellten Studie liegt in der Verknüpfung der in situ genommenen Aerosolproben mit Daten, die vom Satelliten gemessen wurden. CALIPSO ist ein erdbeobachtender Satellit, der gemeinsam von der französischen (CNES) und der US-amerikanischen nationalen Raumfahrtagentur NASA mit dem Ziel betrieben wird, die Bildung und Verteilung von Wolken und Aerosolpartikeln zu untersuchen und zu verstehen. Verlässliche CALIPSO-Satellitendaten lagen bisher nur oberhalb von 15 Kilometer Höhe vor. Dank eines verbesserten und hier erstmals angewendeten Algorithmus, ist es nunmehr möglich, Wolken auszublenden und somit die Nachweisgrenze für vulkanische Aerosolpartikel auf 8 Kilometer hinunter zu setzen. Erstmals können Aerosolsignale kleinerer Vulkanausbrüche erkannt und in die Strahlungsbilanz integriert werden.
Die Auswertung des Materials zeigt, dass im Zuge des Kasatochi-Ausbruchs Aerosolpartikel in zwei unterschiedlichen Bereichen der nördlichen Atmosphäre, nämlich der unteren Stratosphäre (lowermost stratosphere (LMS) und der oberen Troposphäre (upper troposphere (UT)), eingebracht wurden (Abbildung rechts). Die größte Partikeldichte (AOD: Aerosol Optical Depth) wurde dabei unterhalb von 15 Kilometer gemessen. Die unterschiedliche Verweildauer und Menge der Partikel in den verschiedenen Schichten ergeben einen unterschiedlichen Beitrag in der Strahlungsbilanz, der nun erstmals differenziert in diese eingerechnet werden kann. Dieser liegt für den Bereich bis 15 Kilometer bei 56, 44 und 23 Prozent für die Ausbrüche des Kasatochi, Sarytschew und Nabro.
Ob ein Vulkanausbuch einen globalen Einfluss auf das Klima hat, hängt allerdings von verschiedenen Faktoren ab. Die Asche- und Schwefeldioxidmenge können sehr unterschiedlich sein, genauso wie die Höhe der Abgassäule und der Breitengrad: Aufgrund des limitierten stratosphärischen Austauschs zwischen Nord- und Südhemisphäre werden lediglich die Emissionen von Vulkanausbrüchen nahe des Äquators in beide Hemisphären verteilt. Beispiele hierfür waren der Ausbruch des Tambora (Sumbawa, Indonesien) im Jahr 1815, auf den eine globale Abkühlung folgte, so dass das Jahr 1816 auch 'das Jahr ohne Sommer' genannt wurde. Auch den Ausbrüchen des Krakatua (Indonesien) 1883 sowie des Pinatubo (Philippinen) 1991 folgte nachweislich eine globale Abkühlung. Die hier vorgestellten Daten belegen, dass auch Vulkanausbrüche außerhalb der Tropen einen Effekt auf die Strahlungsbilanz haben, dieser aber in Berechnungen bisher vernachlässigt wurde. Wird dieser Effekt berücksichtigt, errechnet sich der negative Strahlungseffekt (Abkühlungseffekt) für die Jahre 2008-2011 auf 0.2 Watt/m2 und liegt damit doppelt so hoch wie bisher angegeben.
Quellen
Andersson, S. M., Martinsson, B. G., Vernier, J.-P., Friberg, J., Brenninkmeijer, C. A. M., Hermann, M., van Velthoven, P. F. J. & Zahn, A. (2015). Significant radiative impact of volcanic aerosol in the lowermost stratosphere. Nature Communications, 6:7692. doi:10.1038/ncomms8692