Auf dem Gipfel des Vulkans Nevados de Chillán in Chile ist ein neuer Krater entstanden. Nachdem über die vergangenen drei Monate die seismische Aktivität stetig stärker geworden war, hatte sich der Chilenische Geologische Dienst Sernageomin entschlossen, die Warnstufe für Chillán auf gelb hochzusetzen. Zwar wurde keine Deformation im Vulkangebäude beobachtet, doch die Temperatur an der Gasaustrittsstelle (Fumarolen) stieg an. Am Abend des 8. Januar 2016 formte sich über dem neuen Krater eine Aschewolke. Angetrieben von thermischer Energie des tiefer liegenden Magmensystems wurde das oberflächliche Hydrothermalsystem destabilisiert. Bei der Explosion wurde durch plötzlich verdampfendes Wasser lockeres Gesteinsmaterial von früheren Eruptionen mitgerissen (phreatische Explosion). Sind dies Vorboten einer größeren Eruption? Hinweise auf Magma, das bis direkt unter die Erdoberfläche aufgestiegen ist, gibt es bisher allerdings nicht.
Nevados de Chillán ist ein komplexer Stratovulkan, aufgebaut über die vergangenen 640.000 Jahre. Nach einer Serie häufiger Eruptionen seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in den letzten 70 Jahren nur einen nennenswerten Ausbruch, der bereits 40 Jahre zurückliegt. Die Kieler Forscherinnen Dr. Yvonne Dzierma und Dr. Heidi Wehrmann vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel haben in einer wissenschaftlichen Studie die zeitliche Abfolge der historischen Eruptionen betrachtet. Demzufolge bricht gerade eine Zeit an, in der Chillán fällig wird für erneute Aktivität. Der neue Krater befindet sich inmitten der Schlote der jüngsten Eruptionen, nahe bei Nuevo, durch den Chillán 1906 ausbrach, Arrau von 1973, und Chudcún und Sebastián, die bei den beiden kleinen Ausbrüchen von 2003 und 2008 gebildet wurden. Wie bei Chudcún und Sebastián ist es auch bei der jetzigen Aktivität möglich, dass der Vulkan still zu seinem Basislevel zurückkehrt.
Chillán gilt als gefährlich und wird ständig überwacht
Sernageomin stuft Chillán als einen der zehn gefährlichsten Vulkane von ganz Chile ein. Sechs seismische Stationen, drei GPS-Geräte, zwei Kilometer und eine Kamera sind dort installiert und übertragen ständig Informationen zu den Bewegungen im und am Vulkangebäude in die Zentrale. Viele Menschen sind der Gefahr ausgesetzt. Im Umkreis von 30 km leben 3.500 Menschen, im Umkreis von 100 km sind es bereits 500.000. Darüber hinaus ist Nevados de Chillán touristisch erschlossen. Auf seinen Flanken befindet sich ein Skigebiet und ein Mountainbike-Parcour, seine unterirdische Wärme wird für Thermalbäder an großen mondänen Hotelanlagen am Fuße des Vulkankomplexes genutzt.
Die Behörden erklärten den Umkreis von einem Kilometer um den neuen Krater zur Gefahrenzone und empfahlen, diesen Bereich zu sperren. Insgesamt ist Chile ein Land mit einer beeindruckenden Resilienz im Umgang mit Naturereignissen. Wie jüngst beim Ausbruch des Calbuco im Frühjahr 2015 demonstriert, sind die chilenischen Entscheidungsträger, die durchführenden Akteure und die Bevölkerung gut vorbereitet und meist in der Lage, schnell und effektiv zu reagieren. Im Kontrast zu diesem generell hohen Gefahrenbewusstsein reagiert die Tourismusindustrie auf die derzeitige Vulkanaktivität zögerlich. Die Betreiber der Resorts Termas de Chillán und Nevados de Chillán scheinen die Warnung zwar ernst zu nehmen, vorerst aber abzuwarten. Etwas unentschlossen wirkend weisen sie auf ihren Twitter- und Facebookseiten kurz auf die hochgesetzte Gefahrenstufe hin, laden ihre Gäste jedoch gleichzeitig aktiv zum Mountainbiken ein. Wenn der Vulkan wieder zur Ruhe kommt, haben sie wirtschaftlich gehandelt. Im Falle eines auch nur etwas größeren Ausbruchs wäre voraussichtlich auch die einzige Straße betroffen, die aus den Anden hinaus führt und somit als einziger Fluchtweg zur Verfügung stünde.