Die Touristenzahlen bewegen sich in diesem Jahr an vielen Orten wieder auf Höchstwerte zu. Die türkische Hauptstadt Istanbul meldet Rekordzahlen, auch das benachbarte Griechenland boomt. Ebenso liegen beliebte Fernreisegebiete wie Bali oder die USA ungebrochen im Trend. Eine aktuelle Studie des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung lässt aufhorchen. Sie zeigt, dass viele der beliebten Reisedestinationen in Hochrisikogebieten liegen.
Mit Hilfe des neuartigen Messystems GeoSEA wurde jetzt erstmals ein erheblicher tektonischer Spannungsaufbau unterhalb des Marmarameers nachgewiesen. Die Spannung würde ausreichen, um „ein Beben der Stärke 7,1 bis 7,4 auszulösen“, sagt der Geophysiker Dr. Dietrich Lange vom GEOMAR. Wenn sich die angestaute Spannung während eines Erdbebens löst, würde sich die Verwerfungszone auf einen Schlag um mehr als vier Meter bewegen. Ein solches Ereignis hätte für das nahegelegene Istanbul sehr wahrscheinlich weitreichende Folgen mit vielen Opfern (siehe hierzu auch ESKP-Themenspezial-Beitrag: „Erdbebengefährdung Istanbul“). Das Beispiel zeigt: Die Erde ist ein dynamischer Planet. Aber viele Reisende sind sich dessen nicht bewusst und nehmen ihr Wunschreiseziel als eine sichere Umgebung wahr.
Tsunami-Risiken
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wurde im vergangenen Jahr ein Tsunami-Risiko-Index für Reiseziele auf der ganzen Welt vorgestellt. Basierend auf dem Simulationsmodell „TsuPy“ hat das Forscher*innen-Team mehr als 24.000 Strände und ihre wirtschaftliche Relevanz für mehr als 1000 Reiseziele weltweit untersucht, um das Risiko für jedes Ziel zu berechnen.
Die Untersuchung des KIT zeigt, dass auf Hawaii das mit Abstand größte Risiko für Tsunamis besteht. Die Ursache liegt darin, dass Hawaii durch seine Lage mitten im Pazifik umringt ist von vielen möglichen Tsunamiquellen, etwa aus Richtung Japan, Alaska, Südamerika und anderen Regionen. Neben Hawaii sind aber auch viele andere beliebte Reiseziele von Tsunamirisiken betroffen wie Bali, Puket, Kalifornien oder Costa Rica. Die Ergebnisse der Auswertung wurden in einem Ranking zusammengefasst. In den Top Hundert tauchen auch viele weitere bekannte Ziele wie Kreta oder Antalya auf. Bei der Auswertung der Daten stellte sich zudem heraus, dass immer mehr Reisende die gefährdeten Regionen Europas und der Welt als Wunschziel wählen.
Mehr zur Berechnung des potentiellen wirtschaftlichen Schadens für die touristische Infrastruktur durch Tsunamis: Nah am Wasser gebaut? (ESKP-Artikel vom September 2018)
Ein nützliches Tool für die Bewertung von Risiken eines Reiseziels bietet auch das Alfred-Wegener-Institut (AWI) mit seiner interaktiven Tsunami-Karte speziell für Indonesien. Das Werkzeug zeigt Reisenden, welche Küstenabschnitte entlang des Sunda-Grabens im Ernstfall vorrangig betroffen wären. Es zeigt zudem, wieviel Zeit bleibt, um sich nach einer Tsunami-Warnung in Sicherheit zu bringen. Bisher waren diese Tsunami-Simulationen nur für die Experten der Frühwarn-Zentren und Forschungsinstitute zugänglich. Das AWI hat nun diese Informationen mit dem Tsunami-WebGIS (Webbasiertes Tsunami-Geoinformationssystem) allen Interessierten zugänglich gemacht. Das System wird in einem gesonderten ESKP-Beitrag näher vorgestellt: „Wie gefährdet ist Bali? Tsunami-Simulationen für Indonesien“.
Bei vielen Asien-Liebhabern ist das Tsunami-Ereignis von 2004 in besonderer Erinnerung geblieben, bei dem die Zahl der Flutopfer auf mehr als 230.000 geschätzt wird. Damals kamen auch viele hundert Touristen zu Tode, die meisten davon aus Deutschland. Die Tsunami-Gefahr ist in Indonesien bis heute allgegenwärtig. Die Angst vor diesen schweren Naturgefahren ist nicht unbegründet, da diese Ereignisse in der Region nicht selten auftreten.
Um die Menschen zu schützen, werden Erdbeben- und Tsunami-Frühwarnsysteme eingesetzt, die rechtzeitig warnen sollen. Für Reisende in Hochrisikogebiete ist es sinnvoll, sich rechtzeitig über die örtlichen Warnsysteme zu informieren und Reisehinweise zu beachten. Im ESKP-Beitrag „'Tempat Evakuasi Sementara' rettet beim Tsunami Leben“ finden sich entsprechende Sicherheitstipps für Indonesien. Einige dieser Hinweise, wie das richtige Verhalten bei einem Tsunami, lassen sich auch auf andere Regionen in Südostasien übertragen.
Erdbeben-Risiken
Ein nützliches Werkzeug, um erdbebengefährdete Gebiete zu identifizieren, sind Erdbeben-Monitoring-Systeme, wie sie das Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam mit dem GEOFON zur Verfügung stellt. Schaut man sich hier aktuelle Daten an, erkennt man allein für dieses Jahr neun Erdbeben weltweit, die eine Magnitude von 7 und mehr aufwiesen sowie mehr als 80 Beben, die immer noch eine höhere Stärke als 6 hatten.
Am 6. Juli diesen Jahres wurde in Kalifornien das schwerste Beben seit 20 Jahren gemessen. Schwere Beben mit einer Magnitude von 7 und mehr gab es auch in Peru, in China und Indonesien. Dort mussten am 14. Juli mehr als 50.000 Menschen in der Folge eines Bebens in Notquartieren untergebracht werden und es gab mehr als 100 Verletzte. Auch im vergangenen Jahr 2018 kam es zu verschiedenen Erdbebenereignissen, darunter vier besonders schwere Beben: Eines fand auf der japanischen Insel Hokkaido statt; dann das indonesische Lombok-Erdbeben vom 5. August mit mehr 400.000 obdachlosen Menschen als unmittelbare Folge. Drittens das Haiti-Beben im Oktober, bei dem 11.000 Gebäude beschädigt wurden. Am gravierendsten jedoch war 2018 das Sulawesi-Beben in Indonesien mit mehr als 4.000 Toten.
Mit Hilfe des GEOFONS lassen sich die Gefährdungslagen von Erdbeben relativ schnell identifizieren. Die dazugehörige GIF-Kartendarstellung aktueller Erdbebenmeldungen bietet einen schnellen optischen Überblick über aktuelle Erdbebenereignisse auf der ganzen Welt. Die Weltkarte der Erdbebengefährdung zeigt diejenigen Regionen an, in denen das Risiko eines Erdbebens besonders hoch ist. Wer sich einen guten Überblick über Risikozonen verschaffen will, kann auch auf die Weltkarte der Naturgefahren des Münchner Rückversicherers Munich RE zurückgreifen.
Weltkarte der Naturgefahren
Die Weltkarte der Naturgefahren zieht den Bogen über Tsunamis und Erdbeben hinaus (Munich RE, 2011). In der Karte sind Ziele auf der ganzen Welt mit weiteren Naturgefahren-Risiken wie Tropische Wirbelstürme, Vulkane, Zunahme von Starkniederschlägen, Hitzewellen oder einem bedrohlichen Meeresspiegelanstieg verbunden.
Die Karte ist nicht nur für die Versicherungswirtschaft interessant, sondern auch für Tourismuswirtschaft und Globetrotter, die auf der ganzen Welt unterwegs sind. Anhand der eingezeichneten Ländergrenzen erhalten Urlauber eine Erstinformation darüber, welche Gefährdungspotentiale in ihrem Traumreisegebiet lauern können. Diese Erstinformationen können genutzt werden, um sich überhaupt mit dem Thema Reiserisiken auseinanderzusetzen. Es lassen sich mögliche Gefahrenlagen erkennen, die bei der Reiseplanung berücksichtigt werden können.
Beispielsweise kann in einem stark erdbebengefährdeten Gebiet auf die bauliche Beschaffenheit der eigenen Unterkunft geachtet werden. So kann gefragt werden, ob es sich um ein erdbebensicheres Gebäude handelt. Es gibt zudem eine Reihe an nützlichen Verhaltensregeln wie man sich in stark erdbebengefährdeten Gebieten vorbeugend auf Erdbebenerschütterungen und -schäden einrichten soll. Wie soll man sich im Falle eines Bebens verhalten? Was muss nach einem Schadenbeben beachtet werden? Zu diesen lebenswichtigen Fragen hat das GFZ ein umfassendes Merkblatt ausgearbeitet (Bohrmann, 2019). In einer besonders von Tsunamis betroffen Region wiederum ist es wichtig zu wissen, in welcher Entfernung vom Strand und in welcher Höhe die eigene Unterkunft liegt, um nicht von diesem lebensbedrohlichen Naturereignis unvorbereitet überrascht zu werden. So liegen nach wie vor attraktive Hotelunterkünfte gerade in Asien sehr nah an der Küste. Diese sind bei einem Tsunami besonders stark gefährdet.
Der Weltrisikobericht
Ähnlich wie die Weltkarte der Naturgefahren funktioniert der Weltrisikobericht und der dazugehörige WeltRisikoIndex. Er ist ebenfalls als Erstinformation für ein Reiseland nützlich und gibt das Katastrophenrisiko durch extreme Naturereignisse für 172 Länder der Welt an. Berechnet wird der Index pro Land durch die Multiplikation der Exposition und der Vulnerabilität oder Verletzlichkeit eines Landes. Der Index zeigt damit die Bedrohung der Bevölkerung und anderer Schutzgüter durch Erdbeben, Wirbelstürme, Überschwemmungen, Dürren oder den Meeresspiegelanstieg.
Wettergefahren
Einen weiteren Service, der auch für Reisende interessant ist, bietet der Internet-Informationsdienst „Wettergefahren-Frühwarnung“. Erstellt wurde das Portal vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung CEDIM am KIT. Es informiert über bevorstehende oder gerade auftretende extreme Wetterereignisse. Die Webseiten sind tagesaktuell. Sie sind ständig verfügbar und werden bei Bedarf auch mehrmals täglich aktualisiert. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Vorgängen in Mitteleuropa. Das Portal berücksichtigt aber auch Überschwemmungen durch starke Monsunregen in Südostasien oder ungewöhnlich heftige Wintereinbrüche auf Neuseeland. Als extreme Wetterereignisse gelten hierbei:
• Sturm- oder Orkantiefs, wenn sie für das Binnenland oder die Küste eine große Gefahr darstellen,
• sommerliche Gewitterlagen, bei denen verbreitet mit schweren Gewittern gerechnet werden muss,
• Starkniederschlags- und Hochwasserlagen: z.B. intensiver Dauerregen, Schneeschmelze,
• Extreme Hitze- und Kälteperioden, aber auch Wetterereignisse, die zu großen Temperaturabweichungen vom langjährigen Mittelwert führen oder mit Gefahren für die Landwirtschaft einhergehen: Spätfröste, frühe Wintereinbrüche, Trockenheit,
• Tropische Wirbelstürme (Hurrikane, Taifune) und tropische Stürme oder Depressionen, wenn auf ihrer Zugbahn bewohnte Inseln liegen oder der Landgang in einer besiedelten Küstenregion erfolgt,
• andere Ereignisse wie Vulkanausbrüche, Waldbrände.
Eintrag in die ELEFAND-Liste des Auswärtigen Amtes
Wichtige Länderhinweise finden sich traditionell beim Auswärtigen Amt. Hier wird auf den ständig aktualisierten Länderseiten auch speziell über mögliche Naturgefahren wie Erdbeben, Tsunamis oder Wirbelstürme informiert. Das Auswärtige Amt empfiehlt deutschen Staatsangehörigen, sich unabhängig vom Land und von der Dauer des Auslandsaufenthalts über das Internet in die sogenannte Krisenvorsorgeliste (ELEFAND, „Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland“) eintragen zu lassen. Die Liste dient dazu, dass deutsche Auslandsvertretungen die in ihrem Amtsbezirk ansässigen Deutschen und ihre Familienangehörigen im Notfall schnell erreichen können.
Text: Oliver Jorzik (Earth System Knowledge Platform | ESKP)
Referenzen
Auswärtiges Amt. (2019). Reise- und Sicherheitshinweise [www.auswaertiges-amt.de]. Abgerufen am 30. Juli 2019.
Bohrmann, P. (2019). Erdbeben. Was mache ich, wenn in Starkbebengebieten die Erde bebt? [Merkblatt Version 07/19, media.gfz-potsdam.de]. Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ.
Das große Bangen – Erdbebengefährdung Istanbul. [Interview mit M. Bohnhoff, GFZ]. (2018). ESKP-Themenspezial Metropolen unter Druck. So werden Städte zukunftsfähiger [themenspezial.eskp.de]. Aufgerufen am 31.07.2019.
Lange, D., Kopp, H., Royer, J.-Y., Henry, P., Çakir, Z., Petersen, F., Sakic, P., Ballu, V., Bialas, J., Ozeren, S., Ergintav, S. & Géli, L. (2019). Interseismic Strain Build-up on the Submarine North Anatolian Fault Offshore Istanbul. Nature Communications, 10:3006. doi:10.1038/s41467-019-11016-z.
Munich RE. (2011). NATHAN Weltkarte der Naturgefahren [www.munichre.com]. Abgerufen am 30.07.2019.
Rakowsky, N. & Immerz, A. (2018, 9. März). Wie gefährdet ist Bali? Tsunami-Simulationen für Indonesien. Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 5. Aufgerufen am 31.7.2019.
Rudloff, A., Lauterjung, J. & Münch, U. (2009). The GITEWS Project (German-Indonesian Tsunami Early Warning System) [www.nat-hazards-earth-syst-sci.net]. Abgerufen 30. Juli 2019.
Schäfer, A. (2018, 3. September). Nah am Wasser gebaut? Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 5. Aufgerufen am 31.7.2019.
Tsunamis könnten Tourismusbranche jährlich mehrere hundert Millionen Dollar kosten. (2018). [KIT-Presseinformation 041/2018, www.kit.edu]. Abgerufen 30.07.2019.
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Weiterführende Informationen
Ständig aktualisierte Informationen zur Aktivität von Vulkanen in Indonesien. [https://magma.vsi.esdm.go.id/]. Abgerufen am 6.11.2019.
DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.022
Veröffentlicht: 31.07.2019, 6. Jahrgang
Zitierhinweis: Jorzik, O. (2019, 31. Juli). Urlaub in Hochrisikogebieten. Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 6. doi:10.2312/eskp.022