Reisenden nach Indonesien bietet selbst das Auswärtige Amt keine wirklich konkreten Empfehlungen für den Fall eines Tsunamis. Und dies obwohl Indonesien historisch alle zwei bis drei Jahre einen (kleinen) Tsunami erlebt. Selbst erfahrene Asien-Reisende wissen häufig nicht: Die warnende Tsunami-Sirene hört sich in jedem Land anders an. Wie erfahre ich als Reisender von einem Tsunami? Was ist im Ernstfall zu tun? Ob Japan, Indonesien, Hawaii – entsprechende konkrete Informationen zu beschaffen ist für Ausländer nicht ganz einfach.

Indonesien ist ein echter Tsunami-Hotspot. In den vergangenen zweihundert Jahren sind rund zwei Drittel aller weltweiten Todesfälle auf indonesischem Territorium zu beklagen. Selbst ohne die zwei größten Tsunami-Ereignisse 2004 (160.000, Aceh) und 1883 (36.000 Tote, Krakatau) verzeichnet Indonesien annähernd so viele Tsunami-Tote wie Japan. Und immer noch mehr als der gesamte südamerikanische Kontinent zusammengenommen. Die Auswertung historischer Daten zeigt: Das Risiko bei einem Tsunami ums Leben zu kommen, ist in Küstennähe am größten. Dabei gilt jedoch: Meist werden in Indonesien im Falle eines Tsunamis nicht mehr als 500 m der Küste landeinwärts überschwemmt. Die Überschwemmungen in Aceh im Jahre 2004, die bis zu vier Kilometern landeinwärts reichten, waren das schlimmste anzunehmende Szenario. Es handelte sich um ein Mega-Erdbeben, mit dem nur alle 500–700 Jahre zu rechnen ist. Die nebenstehende Karte zeigt die durch Tsunami gefährdeten Küstenabschnitte Indonesiens.

Der Sundagraben, wo die starken Beben untermeerisch entstehen, erstreckt sich bogenförmig von der Nordwestspitze Sumatras bis zur Insel Flores im Osten Indonesiens über eine Länge von rund 5.000 Kilometern. Entsteht hier ein Tsunami, laufen die Wellen im Extremfall innerhalb von 20 Minuten an der Küste auf, sodass nur sehr wenig Zeit für eine Frühwarnung und Evakuierung bleibt. Noch kürzer ist die Reaktionszeit auf vielen Inseln Indonesiens. Dort bleiben häufig nicht einmal fünf Minuten zwischen Beben und Tsunami.

Im Vorfeld der Reise

Zur Vorbereitung einer Reise im Land ist der Evakuierungsplan die vielleicht wichtigste Handreichung für Indonesien-Touristen. Er legt für einzelne Städte straßengenau dar, welche Gebiete potentiell bei Eintreffen der Tsunami-Wellen überflutet werden. Vielleicht ist der Bungalow direkt am Meer in Indonesien auch nicht unbedingt immer die beste Wahl. Reisende sollten sich vorab zudem mit dem Frühwarnsystem vertraut machen. Dieses ist von Land zu Land unterschiedlich. Auf mindestens einem kleinen gepackten Koffer darf jeder Indonesien-Reisende sitzen bleiben: Wasserfest verpackte Ausweise, Trinkwasser, eine Taschenlampe und ein Radio griffbereit parat zu haben, so lautet der Rat des Betreibers des indonesischen Frühwarnsystems.

Warnsystem in Indonesien

Im Falle eines Tsunamis in Indonesien ist ein dreiminütiges, konstantes Sirenensignal zu hören. Solange die Warnung aktuell ist, kann es in einer Endlosschleife wiederholt werden. Innerhalb von spätestens fünf Minuten sollte eine offizielle Nachricht, auch auf Englisch, zum Erdbeben folgen. Das BMKG*, der Betreiber des Frühwarnsystems in Indonesien, hat innerhalb kürzester Zeit die Ausbreitung der Tsunami-Wellen simuliert und gibt eine Warnung aus. Dabei wird in drei Stufen der Warnung unterschieden: „Major Warning (Awas)“ heißt, es folgt wahrscheinlich eine Tsunami-Welle mit mehr als 3 Metern Höhe. Die zweite Warnstufe „Warning (Siaga)” rechnet mit einer Wellenhöhe zwischen 0,5 und 3 Metern. Die dritte Warnstufe „Advisory (Waspada)“ geht von einer Tsunamiwoge von maximal einem halben Meter aus. Die ersten zwei Warnstufen erfordern eine direkte Evakuation.

Kartographisch werden im Evakuierungsplan dann drei Zonen unterschieden: extrem gefährdet (rot) und potentiell gefährdet (gelb). Auch Zonen, die nicht getroffen werden können, gehen daraus hervor. Sie sind grau gekennzeichnet. Menschen in der gelben Zone müssen diese nicht verlassen, sondern höhere Etagen in Gebäuden aussuchen. Sichere Orte lägen zu weit landeinwärts, um sie noch zu erreichen. Insbesondere dichtbesiedelte Gebiete können in der Kürze der Zeit nicht evakuiert werden.

Wer im Katastrophenfall schnell an aktuelle Informationen kommen muss, darf sich nicht auf das Mobilfunknetz verlassen. Gerade im Falle eines Tsunamis sind die Netze schnell überlastet und brechen in der Regel zusammen. Ein simples Ultra-Kurzwellen-Radio ist im Ernstfall die wichtigste Informationsquelle, um noch zuverlässig Informationen zu erhalten. Wer jedoch reist noch mit Radio im Gepäck? In Indonesien hingegen kann es eine äußerst nützliche Hilfe sein. Fernab der größeren Städte, in Dörfern, werden auch Trommeln, Kentongans (indonesische Schlitz- oder Holztrommeln), Moschee-Lautsprecher und andere traditionelle Kommunikationsmittel zum Alarmieren der Bevölkerung eingesetzt. Auf Bali haben Trommler sogar eigenständige Rhythmen zur Tsunami-Warnung entwickelt. Es lohnt sich daher, genau hinzuhören, denn Sirenen werden in Indonesien regelmäßig im Monatstakt getestet. Und zwar ertönen eine Minute lang am 26. jeden Monats genau um 10 Uhr die Sirenen, die auch im Ernstfall zu hören sind. So wird gleichzeitig der Opfer der Katastrophe von 2004 gedacht. Bei den regelmäßigen Übungsalarmen ist die Sirene leiser zu hören und der Warnton wird dreimal von einer Stimme unterbrochen, die verlauten lässt: „This is a tsunami early warning test. This is just a test“.

Starke Beben in Küstennähe

Verspürt man ein starkes Erdbeben in unmittelbarer Nähe der indonesischen Küste, dann wartet man am besten keine offizielle Warnung ab, sondern sucht sofort einen hochgelegenen oder aber küstenfernen Zufluchtsort auf. Für Touristen heißt das: Sie sollten schauen, was die Einheimischen machen. Wie reagieren sie, wenn die Erde bebt?

Stark sind Beben von mindestens 20 Sekunden Dauer. So rückständig manche, der indonesischen Küste vorgelagerte Inseln erscheinen mögen: In diesen teils traditionellen Gesellschaften werden die Geschichten über Tsunami systematisch weiter erzählt. Trotz größter Nähe zum Epizentrum von 2004, gab es auf einigen kleinen Inseln nur ganz wenige Tote, da sich alle umgehend in Sicherheit brachten. Hingegen ist auch in indonesischen Großstädten das kollektive Gedächtnis kurz. Viele Menschen suchten 2004 Informationen via digitaler Medien. So verstrich wertvolle Zeit, ohne dass die Menschen handelten und geeignete Zufluchtsorte aufsuchten.

Zeichen eines direkt bevorstehenden Tsunami und Wellenabstände

Bei Weitem nicht jedes Beben, das einen Tsunami auslöst, ist direkt spürbar. Auch folgt einem Erdbeben nur in etwa 10 bis 20 Prozent der Fälle ein gefährlicher Tsunami. Um einen Tsunami auszulösen, muss das untermeerische Beben mindestens die Stärke 7 auf der Richterskala haben. Damit hat es eine so hohe Intensität, dass es vertikal Wassermassen emporhebt.

Einem Tsunami geht entweder ein rascher Abfall des Wasserspiegels oder aber – direkt – ein rascher Anstieg des Wasserspiegels voraus. Rasch bedeutet: Innerhalb von 5-10 Minuten steigt oder fällt das Wasser. Bei dem schnellen Rückzug des Wassers können Fische nicht immer folgen und sie liegen zappelnd in der Gezeitenzone. Dies wäre beim Rückzug des Meeres durch die tägliche Ebbe und Flut niemals der Fall. Die erste hohe Tsunamiwelle folgt mit Sicherheit weniger als 20 Minuten nach dem schnellen Rückzug des Wassers.

Tsunami sind zudem kaum zu überhören. Das Brechen einer Tsunami-Welle ist äußerst laut und ähnelt einem Kanonendonner. Ganz entscheidend ist: Die erste Tsunamiwoge ist meist nicht die größte und vor allem nie die Einzige. Spätere Wogen, manchmal sogar erst die fünfte oder sechste, können um ein Vielfaches stärker sein. Da diese späten Wellen oft erst viele Stunden nach der ersten Woge eintreffen, dürfen die aufgesuchten Zufluchtsorte auf keinen Fall nach dem Rückzug der ersten Welle(n) verlassen werden. Denn nur alle 10-60 Minuten ist in Indonesien mit einer Welle zu rechnen, manchmal vergehen sogar an die zwei Stunden bis zur nächsten Welle. Ein hohes Maß an Geduld ist lebensrettend. Bisweilen folgen mehr als 10 Wellen in langen Abständen hintereinander.

Das bedeutet: Man sollte unbedingt an einem sicheren Ort ausharren, denn häufig sind die Rückströmungen der Tsunami-Wellen verheerend und verursachen die meisten Todesfälle. Bei den Rückströmungen werden Unmassen von Material zusammen mit der Strömung zurück ins Meer gerissen.

Wohin im Ernstfall?

Entlang von Flüssen im Küstenflachland ist es besonders unsicher. Hier kann sich die Welle ungehindert ausbreiten und weit ins Inland reichen. Daher sollten Flussbrücken unbedingt gemieden werden. Auch Autos werden oft zur Falle bei Tsunamis. Sie werden vermeintlich für das schnellste Transportmittel gehalten, um sich aus der Gefahrenzone zu bewegen. Doch gerade in größeren Städten sollte man das Autofahren unbedingt vermeiden, da schnell alle Straßen verstopft sind. Hinzu kommt: Eine panikartige Evakuierung läuft selten geordnet ab. Alle Menschen sollten nach Möglichkeit auf schnellstem Wege Erhöhungen aufsuchen, z.B. Berge oder größere Hügel, oder sich ins Landesinnere flüchten.

Alle Gebäude, die geeigneten Schutz bieten, sind in Indonesien mit dem Schriftzug „Tempat Evakuasi Sementara“ gekennzeichnet. Diese würden auch einem Tsunami standhalten und bieten genügend Etagenhöhe. Es gibt gerade in Indonesien viele Parkhäuser, die inzwischen speziell als Zufluchtsort gebaut wurden. Leichtbauten aus Holz, Lehm oder Betonblöcken bieten hingegen keinen Schutz. Erfahrungen aus Japan zeigen, dass selbst 2-3m hohe Tsunami-Wellen diese wenig robusten Bauten zerstören. Indonesien-Reisende sollten sich daher in ihrem Hotel informieren, ob die Unterkunft in einem Überflutungsgebiet liegt und ob es stabil genug ist, um einem Tsunami standzuhalten. Auch sollte man erfragen, ob die höheren Stockwerke als Zufluchtsorte genutzt werden können. Zudem sollte man sich nach naheliegenden Erhebungen erkundigen, auf die man sich im Tsunami-Fall retten kann.

Wer sich gerade auf einem Schiff befindet, sollte unbedingt weiter raus aufs offene Meer, denn im tiefen Meer kann die Welle zwar eine Geschwindigkeit von bis zu 800 km/h erreichen. Die Welle ist aber oftmals nur wenige Zentimeter bis Dezimeter hoch und hat eine Wellenlänge von 100 oder mehr Kilometern. Wird das Wasser jedoch in Küstennähe flacher, nimmt die Wellengeschwindigkeit zugunsten der Wellenhöhe ab. Tsunamiwellen können deshalb, wenn sie an die Küste treffen, mehrere zehn Meter hoch sein. Im Falle von Aceh waren Tsunami-Wellen bis zu 20 m hoch und mehr als 12 m beim letzten Tsunami 2010, der auf die Mentawai-Inseln traf. Je flacher das Wasser, umso kürzer die Abstände zwischen den Wellen und umso größer ihre Amplituden.

Interaktives Wissenschaftsposter zu Tsunami auf Deutschland-Reise

Aktuell ist das interaktive Wissenschaftsposter zum Thema „Submarine Hangrutschungen“ wieder auf Ausstellungsreise. Interessierte können Sedimentdicken, Bevölkerungsdichte, Kontinental- und Plattengrenzen und bathymetrische Daten (Profil/Geländekarten des Meeresbodens) mit den Erkenntnissen über historische Tsunami, Erdbeben, Rutschungen und Vulkanaktivitäten vergleichen. So kommt man zu einer statistischen Verdichtung für bestimmte potentiell gefährdete Regionen. Die Simulation einer potentiellen submarinen Rutschung vor Spitzbergen (Svalbard, Norwegen) mit einem anschließenden Tsunami zeigt, wie sich daraus eine Bedrohung für den gesamten Nordatlantik entwickeln könnte. Seit Mai 2017 ist das interaktive Wissenschaftsposter im Ausstellungsschiff „MS Wissenschaft – Zukunftsprojekt Erde“ zu sehen.

* BMKG: Badan Meteorologi, Klimatologi, dan Geofisika – Indonesisches Institut für Meteorologie, Klimatologie und Geophysik.

Text: Jana Kandarr (ESKP), Dr. Jörn Lauterjung (GFZ)

Weiterführende Informationen

Das Infoblatt „Tsunami“ des Deutschen GeoForschungsZentrums bietet Indonesien-Reisenden ausführliche Informationen zum Verhalten bei einem Tsunami. Außerdem gibt es Informationen für Personen, die sich länger in tsunamigefährdeten Küstenregionen aufhalten. Darüber hinaus erklärt das Infoblatt anschaulich Ursachen und Merkmale von Tsunamis und zeigt die wichtigsten Gefährdungsregionen weltweit. Es ist zudem eine komprimierte Kurzfassung verfügbar.

  Tsunami-Frühwarnsystem für die bevölkerungsreichste Insel der Welt – ein Interview mit Dr. Jörn Lauterjung

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