Im Sommer 2012 trieb zwischen der Insel Tonga und dem neuseeländischen Auckland ein riesiger schwimmender Teppich aus Bimssteinen im Meer. Innerhalb von drei Monaten verteilten sich die Bimssteine auf einer Wasserfläche, die doppelt so groß wie Neuseeland war. Erst nach einiger Zeit erkannten die Wissenschaftler, dass sie von einem, bis dato unbeobachteten submarinen Vulkan stammten, dem Havre-Vulkan. Der Vulkan ist Teil des Tonga-Kermadec-Inselbogens. Unter der Meeresoberfläche zieht sich diese eindrucksvolle Vulkankette mit komplexen Störungszonen von Neuseeland aus 2.500 Kilometer in nördliche Richtung. Nur ganz punktuell lassen vulkanische Inseln wie Tonga oder Fidschi auf diesen derart aktiven Untergrund schließen. Mehr als 80 sehr aktive Vulkane wurden dort bisher gezählt. Die Eruption am Havre-Vulkan beispielsweise war groß genug, um eine Eruptionssäule zu bilden, die aus 1400 Metern Tiefe die Wasseroberfläche durchbricht. So war diese Eruption zehn Mal so groß wie die des Eyjafjallajökull in 2010.

Viele untermeerische Vulkane sind nach wie vor unentdeckt, die dortigen Prozesse unerforscht. So auch in der Region nördlich von Neuseeland. Fokus einer gerade beendeten 6-wöchigen Expedition des Forschungsschiffes SONNE (Reise SO255 VITIAZ) war es deshalb, die Millionen Jahre alten Colville- und Kermadec-Rücken mit ihren vielen aktiven kegelförmigen Vulkanen und den Havre-Trog zu untersuchen. Auch der bis 10 km tiefe Kermadec-Graben ist dabei ein Schlüssel zum Verständnis, wann dort die Kollision der Pazifischen mit der Australischen tektonischen Platten startete und welche Kräfte ganze Berge zermalmen und verschlingen.

Wieso in dieser Region geforscht wird

Durch die Entstehung eines Grabenbruchs und die Spreizung des Ozeanbodens spaltete sich vor Millionen von Jahren der Vitiaz-Kermadec-Inselbogen in zwei Hälften auf: dem Kermadec Rücken und Colville Rücken. Dazwischen entstand der Havre-Trog, das „Back-Arc“ Becken, das durch Dehnungsprozesse in den tektonischen Platten entstand. Diese Region führt an Land in Neuseeland weiter in die Bay of Plenty und die Taupo Volcanic Zone. Studien am sich weiter öffnenden Havre-Trog, liefern Hinweise darauf, wie sich alte vulkanische Inselketten aufteilen.

Welche Prozesse führen zur Bildung von Subduktionssystemen und wie wird die Aufspaltung von Inselbögen und Bildung eines "Back-Arc"-Beckens kontrolliert? Welche geochemischen und ökologischen Auswirkungen haben hydrothermale Prozesse in Vulkanbögen, die im Ozean liegen? Dies sind u.a. Fragestellungen des Teams um Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und des neuseeländischen Institute of Geological and Nuclear Science (GNS) wie auch anderer internationaler Kollegen auf dem Forschungsschiff Sonne.

Die große aktive untermeerische Störungszone nördlich von Neuseeland lässt sich bereits in der Satellitenansicht von Google erahnen. Besonders die Nordinsel Neuseelands ist durchzogen von aktiven Vulkanen. Das Vitiaz-Kermadec Subduktionssystem erstreckt sich von der Nordinsel von Neuseeland über ca. 1.300 km in nördlicher Richtung untermeerisch bis hin zum Tonga-Subduktionssystem. Entlang der Plattengrenze schiebt sich von Westen her die Pazifische unter die Australische Erdplatte. Dieser Prozess des Unterschiebens (Subduktion) führt zu starken Erdbeben und heftigem Vulkanismus in der Region. Meerwasser, welches mit der Pazifischen Platte unter den Erdmantel geschoben wird, ist Teil der Erklärung, warum Erdbeben und Vulkanismus in dieser Region so heftig ausfallen. 

Allein während dieser Expedition haben die Wissenschaftler fünf neue Vulkane entdeckt, einige davon bis zu 2500 m hoch, einer davon mit einer riesigen Caldera (Vulkankrater) von zwei Kilometern Durchmesser. Nordöstlich von Neuseeland liegt auch das unterseeische Giggenbach-Vulkanfeld, welches nach dem deutschen Geochemiker Werner Giggenbach, einem führenden Experten für Vulkangase, benannt ist. An diesem Vulkanfeld förderten die Wissenschaftler der Expedition große Mengen an Laven und Bimssteinen zutage. Bims oder Bimssteine sind poröses glasiges Vulkangestein. Bei explosiven Eruptionen, bei denen ein hoher Gasanteil in den Gesteinen vorhanden ist, entsteht durch die schnelle Abkühlung der Gesteine während der Eruption eine glasige Struktur. Wenn das Gas entweicht, hinterlässt es Hohlräume. Daher haben Bimse eine geringere Dichte als Wasser. Die schwimmenden Teppiche im Pazifik zeugen davon. Einige der Bimssteine zeigen deutliche Hinweise auf eine Vermischung von basaltischen und dazitischen Magmen. Dies bedeutet, dass beide Magmen flüssig waren als sie in Kontakt kamen. Die Injektion von basaltischem Magma in ein dazitisches Reservoir war höchstwahrscheinlich der Auslöser für eine explosive Eruption, bei der Bimsstein entstand. Solch junge Bimssteine fanden auch die Wissenschaftler mit dem Forschungsschiff.

Arbeit an Bord des Forschungsschiffs

Da der Meeresboden in dieser Region weitgehend unbekannt ist, mussten vor der Entnahme von Proben unter Wasser zunächst Kartierungen durchgeführt werden, um geeignete Stellen zu erkunden. Entlang von Profilen wurde die Struktur des untermeerischen Rückens erfasst. Die Karten aus den Meerestiefen offenbaren zum Teil die geologischen Prozesse, die zur Entstehung dieser untermeerischen Vulkanregion geführt haben. Während der Ausfahrt wurde mit einem Fächer- und Sedimentecholot der Meeresboden kartiert (Bathymetrie).

Die Gesteinsproben wurden mithilfe einer Dredge gewonnen: Ein Schleppnetz wird am Meeresboden entlang gezogen. An Bord wurden die Gesteine dann makro- und mikroskopisch untersucht. Anhand von Farbe und Textur wurde festgestellt, ob es sich um Lava, also um langsam ausgeflossenes Magma handelt oder pyroklastisches Material, wie Bimse, dass durch explosive Eruptionen entstanden ist. Es wurden die Kristalle bestimmt, sowie ihre Größe und ihr Volumenanteil im Vergleich zur gläsernen Matrix festgestellt um grob den Gesteinstyp zu charakterisieren.

Gesteinsproben wurden mit dem Forschungsschiff systematisch an den steilen Flanken von  Seamounts, den kegelförmigen oder langgestreckten untermeerischen Vulkane, gewonnen. Im Kermadec-Tiefseegraben wurde bis in 8.800 m Wassertiefe Proben entnommen. Dies waren die bisher tiefsten Dredgen, die mit der SONNE jemals durchgeführt wurde. Nur mit Deutschlands modernstem und größten Tiefsee-Forschungsschiff sind Wissenschaftler in der Lage, den Meeresboden in Tiefen unter 6000 m unter der Meeresoberfläche zu untersuchen. Selbst kleine, nur wenige Zentimeter große Gesteinsfragmente vulkanischen Ursprungs lassen dann Forscherherzen höher schlagen, sind es doch diese, die wichtige geochemische Analysen und möglicherweise auch Altersdatierungen zulassen. Zurück in Deutschland und Neuseeland werden die Wissenschaftler diese Analysen durchführen.

Mit den bei dieser Ausfahrt gewonnenen Informationen können die Wissenschaftler die Geschichte des Vulkanismus und die tektonische Entwicklung der Region rekonstruieren. Ferner lässt sich das Ausmaß des Vulkanismus in diesem Gebiet charakterisieren und die Rolle von magmatischen Schmelzen aus der subduzierenden Platte bei der Bildung kontinentaler Kruste besser verstehen. Anhand von Isotopenverhältnissen (gleiche Elemente, aber verschiedene Massenzahl) in den vulkanischen Gesteinen können die Wissenschaftler noch über große Distanzen Spuren von ehemals subduzierten Teilen von ozeanischen Platten wie der Pazifischen Platte nachweisen. So lässt sich über das Magma der Vulkane die Vergangenheit der Erdplatten abbilden. Die Zusammensetzung des Magmas ist sozusagen der Fingerabdruck der Geschichte der Erde.

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