El Hierro, die jüngste Insel der Kanaren ist gleichzeitig auch die geologisch aktivste: Im Oktober 2011 brach nur eine nautische Meile entfernt von La Restinga, einem Dorf an der Südspitze El Hierros, ein untermeerischer Vulkan aus. Weil er als erhebliche Bedrohung für die Insel und ihre Bewohner galt, wurde er intensiv beforscht. Spanische und deutsche Wissenschaftler untersuchen die Prozesse hinter der noch immer vorhandenen seismischen und vulkanischen Aktivität. Während der Expedition POS494 mit dem Forschungsschiff POSEIDON und Deutschlands einzigem bemannten Forschungstauchboot JAGO, bekommen sie erstmals Einblicke aus erster Hand. Die Expedition steht unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Mit steilen Basaltfelsen, schwarzen Sandstränden, von riesigen Erdrutschen geformten Tälern und dem allgegenwärtigen Pico del Teide zeigen die Kanarischen Inseln deutlich ihren vulkanischen Ursprung. Ihre Entstehung geht auf das frühe Miozän (vor 23 bis 16 Millionen Jahren) zurück. Damals bewegte sich die Afrikanische Kontinentalplatte über einen Mantel-Hotspot, der heute als „Kanaren-Hotspot“ bekannt ist. Zunächst schob sich die Platte nach Westen, und die östlichen Kanaren, Lanzarote, Fuerteventura, Gran Canaria und Teneriffa entstanden auf einer fortlaufenden Linie. Nach der Entstehung von La Gomera schien sich jedoch die Richtung zu ändern, und La Palma und El Hierro bildeten sich in abwechselnden Phasen vulkanischer Aktivität. Geologen sind weiter damit beschäftigt, die Prozesse hinter der Schaffung dieser beiden „jungen“ Kanarischen Inseln zu entschlüsseln.
Die jüngste Insel des Archipels, El Hierro, dessen älteste Gesteine auf 1,12 Millionen Jahre datiert wurden, ist derzeit die aktivste. Sie umfasst eine Fläche von 270 Quadratkilometern. Ihr höchster Gipfel erreicht 1.501 Meter und erhebt sich vom 4.000 Meter tiefen Meeresboden. Die Y-Form der Insel ist auf Magma zurückzuführen, das durch tiefreichende Wegsamkeiten in der Erdkruste aufstieg. Große Hangrutschungen formten die für El Hierro charakteristischen Täler und Buchten.
Drei Monate bebte die Erde
500 Jahre lang war keine vulkanische Aktivität mehr zu beobachten – bis am 10. Oktober 2011 ein untermeerischer Vulkan etwa zwei Kilometer vom Küstenort La Restinga entfernt ausbrach. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Erde bereits drei Monate lang gebebt. Obwohl der Ausbruch im Jahr 2012 endete, messen Forscher auf der Insel noch immer Mikro-Seismizität in einer Stärke von bis zu drei.
Der Ausbruch setzte große Mengen Gas frei, Bimsstein wurde an die Meeresoberfläche geschwemmt und eine große Wolke aus suspendierter Asche war in der Wassersäule zu sehen. Angetrieben von Bedenken, der neue Vulkan gefährde die Insel, wurden umfangreiche Forschungsarbeiten initiiert. Verschiedene spanische Gruppen installierten seismische, geodätische und andere Mess-Stationen, die eine Kombination verschiedener Parameter erfassten. Um die lokale Seismizität besser zu charakterisieren, ergänzten GEOMAR-Wissenschaftler im Februar 2015 das permanente Netzwerk des Instituto Nacional Geográfico durch neun Seismometer an Land und acht Ozeanbodenseismometer (OBS) im Küstenbereich.
Während des ersten Abschnitts der Expedition POSEIDON POS494 (4. bis 7. Februar 2016), werden diese OBS geborgen und die Daten aus dem einjährigen seismischen Experiment ausgelesen. Die Wissenschaftler hoffen, anhand der Mikro-Seismizität und kleinerer Erdbeben, die ihre Instrumente aufgezeichnet haben, von Magmenbewegungen ausgelöste Deformation zu erkennen und so mehr über dessen vertikale und horizontale Verteilung zu lernen. Ihr Ziel ist es, die Erdbeben zu lokalisieren und herauszufinden, ob die seismische Aktivität räumlichen oder zeitlichen Mustern folgt.
"Es ist noch unklar, wie sich die seismische Aktivität auf El Hierro weiter entwickelt und wann sie endet, da die Prozesse, die den Anfang und das Ende eines Vulkanausbruchs steuern, noch nicht vollständig verstanden sind", betont Dr. Dietrich Lange, Seismologe am GEOMAR. "Die räumliche Verteilung der Seismizität ist sehr variabel. Um sie besser zu charakterisieren, haben wir das permanente Netzwerk um ein paar Stationen ergänzt. Zum einen erreichen wir eine bessere Einschätzung darüber, wie tief die Seismizität liegt. Zum anderen decken wir die Insel und ihre Umgebung jetzt besser ab und können so den Ursprung der seismischen Signale besser erkennen, der hauptsächlich jenseits der Küste liegt", ergänzt Vicente Soler Javaloyes vom Consejo Superior de Investigationes Scientifícas (CSIC).
Im zweiten Teil der Expedition (7. bis 15. Februar 2016) – einer Kooperation der Plataforma Oceánica de Canarias (PLOCAN), der Universität Las Palmas de Gran Canaria (ULPGC) und des GEOMAR zusammen mit dem VULCANO-Projekt des Instituto Español de Oceanografía (IEO) – setzen die Wissenschaftler das deutsche Forschungstauchboot JAGO ein, um den jungen Vulkan zu kartieren und zu beproben. Eine Geologin vergleicht die neue Unterwasser-Formation zusätzlich mit Lavaströmen und anderen vulkanischen Strukturen auf dem nahe gelegenen Land.
Erstmals sehen Wissenschaftler den Unterwasservulkan
„Dank JAGO sehen wir den Unterwasservulkan zum ersten Mal mit eigenen Augen“, betont der GEOMAR-Geologe Prof. Mark Hannington. „Wir erhalten aber nicht nur Eindrücke aus erster Hand, sondern sind auch in der Lage, die wichtigsten Orte für Messungen und Probenahmen gezielt auszuwählen.“ JAGO wurde mit speziellen Instrumenten ausgestattet, um die räumliche Verbreitung des Fluidflusses aus dem Vulkan aufzeichnen. Außerdem werden vulkanische und hydrothermale Ablagerungen aus den Austrittsstellen und Wasserproben für detaillierte Analysen in den Heimatlaboren der beteiligten Forscher gesammelt.
„Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, physikalisch-chemische Störungen zu studieren, die während der Gasaustritte aus dem Vulkan auftraten. Temperaturveränderungen, Versauerung, Sauerstoffentzug und Metall-Anreicherung haben die Aktivität und Zusammensetzung der lokalen Planktongemeinschaften erheblich gewandelt. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass diese Entgasungsphase wie ein Experiment zu Auswirkungen des globalen Wandels im natürlichen marinen Ökosystem betrachtet werden kann“, sagt Prof. Juana Magdalena Santana Casiano.
Die Messungen ergänzen Daten aus einer Zeitserie, die im Rahmen der Projekte VULCANO und VULCANO II des Instituto Español de Oceanografía, der Universität Las Palmas de Gran Canaria, der Universität La Laguna, dem Instituto Hidrográfico de la Marina und dem Museo de La Naturaleza y el Hombre de Tenerife zusammen mit weiteren Daten der Estación Volcanológica de Canarias erfasst wurden.
Weltweit gibt es etwa 1.500 aktive Vulkane an Land. Sie entlassen enorme Mengen von Gasen in die Atmosphäre, darunter Wasser, Kohlendioxid und Schwefeldioxid. Aber weitaus mehr Vulkane brechen jedes Jahr unter Wasser aus. „Uns interessiert daher, wie Elemente, die aus untermeerischen Vulkanen wie auf El Hierro freigesetzt werden, zu chemischen Veränderungen in den Ozeanen beitragen, wenn man diese auf den globalen Maßstab hochrechnet“, sagt Prof. Mark Hannington.
Text: Maike Nicolai (GEOMAR, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung)