In Anlehnung an Pressemitteilung (GFZ)27. August 2013: Entlang von Plattengrenzen kommt es immer wieder zu Erdbeben. Forscher des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) interessieren sich dabei auch für schwache Beben. Nun ist es ihnen mit Hilfe eines neu entwickelten seismischen Tomographieverfahrens gelungen, komplexe Untergrundstrukturen im Gelände nahezu in Echtzeit abzubilden. 

Das Verfahren basiert einzig auf der Aufzeichnung und Auswertung des immer vorhandenen seismischen Umgebungsrauschens, dessen Signale ein komplexes Bild des Untergrundes ermöglichen. Diese genaue Kenntnis der Geländeform und der oberflächennahen Untergrundstruktur ist eine wichtige Voraussetzung für eine lokale Gefährdungseinschätzung und zur Beurteilung von Bodeneffekten, die in einer bestimmten Region/Standort das Beben verstärken können. Das Verfahren findet deshalb Anwendung, um das Erdbebenrisiko für eine Region oder Stadt besser untersuchen zu können. So entstehen Erdbebenschäden an Gebäuden vorwiegend durch Scherwellen auch kurz als S-Welle bezeichnet. Sie schwingen quer zur Ausbreitungsrichtung und sind nur im festen Medium nachweisbar und werden durch den Untergrund und die Topographie des Geländes enorm beeinflusst.

Den Wissenschaftlern ist es nun beispielsweise gelungen, eine genaue Struktur für einen kleinen Bereich der Issyk-Ata-Verwerfung an der südlichen Stadtgrenze von Bischkek, der kirgisischen Hauptstadt mit rund 900.000 Einwohnern, zu kartieren und zu zeigen, dass nahe der Oberfläche eine Aufspaltung in zwei Verwerfungsäste beobachtet werden kann. Diese besondere Tektonik kann Auswirkungen auf die Bruchgeschwindigkeit oder auch ein eventuelles Stoppen des Bruchs der Verwerfung haben. Also wertvolle Informationen, die helfen das Erdbebenrisiko einer Region besser zu verstehen und ggf. Baunormen den regionalen Gegebenheiten anzupassen.

Außerdem konnte mit dem speziellen seismologischen Verfahren (der sog. Receiver Function-Methode) nun erstmals beobachtet werden, dass die kontinentale Kruste bei der Kollision zweier Kontinente in den Erdmantel abtaucht. Hierfür wurden mit dem Verfahren all diejenigen Seismogramme (Erdbebenaufzeichnungen) ausgewertet, die in einem zwei Jahre andauernden Feldexperiment in Tien Shan und im Pamir-Hindu Kush-Gebiet (zwei Hochgebirge in Zentralasien) gemessen wurden.

Erste Hinweise für das Abtauchen der Platte hatten sich bereits durch Funde metamorpher Gesteine (durch hohen Druck und/oder Temperatur überprägtes Gestein) an der Erdoberfläche ergeben, die unter ultrahohem Druck im Erdmantel entstanden sein mussten und die damit als Indizien für Subduktionsprozesse gelten. Zudem stellte sich die Frage, wie das Auftreten zahlreicher Erdbeben in ungewöhnlicher Tiefe von bis zu 300 Kilometern im oberen Erdmantel zu erklären ist. Durch die Beobachtung des subduzierenden Teils der Eurasischen Unterkruste konnte dieses Rätsel nun gelöst werden.

Quellen

  Pilz, M., Parolai, S., Bindi, D. (2013): Three-dimensional passive imaging of complex seismic fault systems: evidence of surface traces of the Issyk-Ata fault (Kyrgyzstan). Geophysical Journal International 194(3). pp 1955-1965. Link

  Schneider, F. M., Yuan, X., Schurr, B., Mechie, J., Sippl, C., Haberland, C., Minaev, V., Oimahmadov, I., Gadoev, M., Radjabov, N., Abdybachaev, U., Orunbaev, S., Negmatullaev, S., GIPP (2013): Seismic imaging of subducting continental lower crust beneath the Pamir. Earth and Planetary Science Letters 375(1). pp 101?112. PDF