Der Marianengraben im westlichen Pazifik ist bis zu 11.000 Meter tief und damit die tiefste bekannte Stelle im Meer. In dieser Tiefseerinne taucht die Pazifische Platte nahezu senkrecht unter die Philippinische Platte ab.

Rund 550 km westlich der heutigen Subduktionszone des Marianengrabens hat Prof. Michael Weber vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) zusammen mit Kollegen aus den USA, Frankreich und Deutschland nun Reste einer alten Subduktion gefunden. Das Wissenschaftlerteam hat in einer Tiefe von 400 km, der Übergangszone zwischen oberem und unteren Erdmantel, Strukturen identifiziert, die auf eine Ozean-Platte schließen lassen, die dort vor etwa 50 Millionen Jahren subduziert wurde. Diese Untersuchungen dienen dem besseren Verständnis der Entstehungsgeschichte der heutigen Plattenrandgrenzen am Marianengraben und den Mechanismen, die zu Erdbeben und Vulkanausbrüchen führen.

Im Interview mit der Wissensplattform „Erde und Umwelt“ erklärt Michael Weber, Direktor des Departments Physik der Erde am GFZ, die Ergebnisse seiner Forschung und deren Bedeutung.

Mit einem Array, also einem dichten seismischen Stationsnetzwerk, haben Sie von Kalifornien aus den Erdmantel westlich des Marianengrabens untersucht. Können Sie die Verfahren genauer beschreiben?
Am besten hilft hier die Analogie zur Medizin, bei der auch mehrere Verfahren kombiniert werden können, um ein Abbild des Körperinnern zu erhalten.

Mit Röntgenstrahlen wird in Durchstrahlung die Struktur abgebildet – dem entspricht in der Seismologie die Tomographie (Anm. d. Red./dies liefert Abb. 2 das bunte Hintergrundbild). Tomographie kann aber nur sehr große und mächtige Anomalien abbilden. Beim Ultraschall in der Medizin, oder entsprechend der Array-Seismologie in den Geowissenschaften, wird das reflektierte Wellenfeld benutzt um eine sehr viel höhere Auflösung, also auch von kleinen Objekten, zu erreichen. (Anm. d. Red./in Abbildung 2 ist dies die dünne, fossile Subduktionszone (Slab) in grau).

Der Vorteil der Array-Methoden ist die bessere räumliche Auflösung, welche es z.B. erlaubt, neben thermischen Anomalien auch klein-skalige chemische Anomalien, die bisher nicht abbildbar waren, zu kartieren.

Wie lässt sich das Alter einer solchen Struktur im Mantel bestimmen?
Hierzu brauchen wir geochemische Methoden. Glücklicherweise haben japanische Kollegen Proben vom Meeresgrund direkt über „unserer“ Anomalie geborgen. Diese zeigen ein seltsames Signal in ihrer Zusammensetzung, welches nur aus dem tieferen Erdmantel kommen kann. An dieser Stelle ist also etwas Ungewöhnliches passiert – eine solche fossile Subduktionszone könnte das Puzzle der verschiedenen Disziplinen erklären.

Warum sind Prozesse, die vor Millionen von Jahren stattgefunden haben, wichtig zum Verständnis der heutigen Dynamik von Kontinentalplatten?
Neuere Ergebnisse der Gruppe um Stephan Sobolev (Sektion 2.5) vom GFZ zeigen, dass unsere heutigen Subduktionsprozesse von der früheren Geschichte der Platten-Tektonik und -Subduktion kontrolliert werden. Die Kenntnis der Geschichte der Platten ist also für unser Verständnis der heutigen Prozesse zentral. Hinzu kommt, dass an Subduktionszonen Kruste „zerstört“ wird, aber andererseits dort auch wirtschaftlich wichtige mineralische Lagerstätten gebildet werden. Für die Wasserbilanz der Erde ist wichtig, dass mindestens noch einmal genauso viel Wasser wie im Eis und den Ozeanen an der Erdoberfläche zu finden ist, ebenso auch tief im Erdmantel verteilt ist. Subduktionszonen sind die Förderbänder unseres Planeten, auf denen laufend Wasser im Erdmantel versenkt wird. An Vulkanen und Spreizungsrücken kommt das Wasser dann verzögert wieder nach oben.

Sie haben Hinweise auf eine steil abtauchende Mikroplatte gefunden. Auch am Marinanengraben ist der Abtauchwinkel steil. Welche Bedeutung oder Auswirkungen hat dieser Winkel?
Das ist eine geodynamisch hoch interessante Frage. Wenn eine Subduktionszone in den Mantel eindringt, verändert sich sehr komplex das Strömungsmuster im Mantel. Das Wechselspiel zwischen den verschiedenen Objekten, z.B. mehreren Subduktionszonen, ist erst seit kurzem in 3D und mit realistischen Parametern modellierbar.

Gibt es weitere Regionen wo alte Mikroplatten im Erdmantel vermutet werden?
Im Bereich alter Subduktionszonen, welche nicht weiter von nachrückendem Material in den unteren Mantel gedrückt werden (wie z.B. die graue fossile Subduktionszone/Slab in Abb. 2), treten keine Erdbeben mehr auf, sie sind also nicht mehr über ihre Seismizität auffindbar. Array-Seismologie kann nun helfen diese Objekte aufzuspüren. Mehrere Gruppen in Deutschland, Japan und England arbeiten daran diese Objekte zu lokalisieren. Die Jagd hat begonnen.

Das Interview führte Dr. Ute Münch, Wissensplattform Erde und Umwelt.

Quelle
Michael Weber, Charles Wicks Jr., Yves Le Stunff, Barbara Romanowicz, Frank Kruger, 2015. Seismic evidence for a steeply dipping reflector--stagnant slab in the mantle transition zone - Geophysical Journal International, 200 (2): 1237-1253 doi:10.1093/gji/ggu438

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