Mit Hilfe von Fernerkundungsmethoden werden Instabilitäten der Ostflanke des Ätnas beobachtet. Wie das hiermit zusammenhängende Störungssystem und die abrutschende Scholle unter Wasser weiterführen, ist allerdings noch wenig bekannt. Um mehr über die aktiven Störungen des Kontinentalhanges zu erfahren, haben Wissenschaftler des GEOMAR, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, in den letzten Wochen mit dem Forschungsschiff Poseidon ein Vermessungsnetz vor der Küste Siziliens ausgebracht.

Der Ätna ist Europas größter und aktivster Vulkan. Seit der Jahrtausendwende gab es allein sieben Ausbrüche. Die letzten starken Eruptionen am Ätna fanden Anfang Dezember 2015 statt. Strombolianische Aktivitäten am Gipfel sowie zerstörerische Lavaströme gefährden immer wieder Menschen und Infrastruktur. An Land werden die Bewegungen des Vulkans und das Abrutschen der Ostflanke durch satellitengestützte GPS- und Radarmessungen (InSAR - Interferometric Synthetic Aperture Radar) beobachtet. Elektromagnetische Signale wie sie von Satelliten genutzt werden, dringen allerdings nicht ins Wasser ein. Bisher war es daher schwierig, Bewegungen und Verformungen des Bodens unter Wasser zu messen. "Wir nutzen jetzt eine schallbasierte Variante, die ganz neue Wege für die Erforschung von Naturgefahren im Meer eröffnet", sagt Projektleiterin Dr. Morelia Urlaub vom GEOMAR. Dabei kommen neuartige Systeme zum Einsatz, die in ähnlicher Form seit einigen Monaten auch in den erdbebengefährdeten Regionen vor Istanbul und vor Nordchile am Meeresboden installiert sind.

Wie kommt das Abrutschen der Vulkanflanke überhaupt zustande?

Die Hangneigung der Ostflanke des Ätnas beträgt im Meer ca. 10°. Der Hang rutscht stellenweise mit bis zu 50 mm pro Jahr. Allerdings sind diese Raten nicht gleichmäßig. Es gibt eine konstante Rutschungsrate, die dauerhaft auftritt. Bei Eruptionsereignissen kann es jedoch episodisch zu noch höheren Rutschungsraten kommen. Der untermeerische Bereich der Vulkanflanke wird durch verschiedene Blöcke charakterisiert, die von der lokalen und regionalen Tektonik kontrolliert werden. Ein Abbruch eines großen Stücks am Fuß der Flanke könnte zu einer gravitativen Instabilität der Gesamtflanke geführt haben, da nun stützende Masse im unteren Bereich fehlt. Zudem liegt die Magmakammer unter dem Vulkan nicht direkt unter dem Gipfel, sondern weiter östlich. Bei Eruptionen bläht sie sich auf und führt so zu einer stärkeren Hangneigung im Bereich der Flanke. Eine weitere Vermutung ist die Existenz einer Tonschicht, auf der ein Stück der Flanke gleitet und so als Schwächezone dient.

Installation eines Messnetzes am Meeresboden zur Bestimmung der Rutschungsraten der Ostflanke 

An der südlichen Grenze der abrutschenden Vulkanflanke ist an Land ein Versatz zu erkennen, der durch die hauptsächlich lateralen Bewegungen entlang einer Störung verursacht wird. Die Informationen darüber sind jedoch auf den an Land gelegenen Teil des Vulkans begrenzt, obwohl sich die Vulkanflanke weit in das Ionische Meer fortsetzt. Dort kann die Weiterführung der Störung anhand der Bathymetrie ausgemacht werden. Um die Rutschungsraten unter Wasser besser bestimmen zu können, wurden an beiden Seiten dieser Störung jeweils drei Geodäsie-Stationen aufgestellt. Sie verfügen über einen Transponder der akustische Signale aussendet. "Dadurch, dass mehrere solcher Geräte miteinander kommunizieren, kann über die Laufzeit der Schallwellen, der Abstand der Geräte zueinander Zentimeter genau bestimmt werden. Aus Laufzeitänderungen können dann die relativen Bewegungen zueinander errechnet werden." erklärt Morelia Urlaub. Da die Geräte auf der einen Seite auf dem Teil der abrutschenden Flanke und auf der anderen Seite auf dem vermeintlich stabilen Stück des Hanges angebracht worden sind, kann so die relative Rutschungsrate des Hanges bestimmt werden. Durch einen Drucksensor an den Geräten kann auch deren vertikaler Versatz bestimmt werden. Außerdem wurden am Meeresgrund Ozeanbodenseismometer aufgestellt. Damit sollen lokale Erdbebenherde genau lokalisiert werden, um einen möglichen Zusammenhang zwischen Deformation und Seismizität festzustellen. 

An anderer Stelle, an der die Flanke an einer Bruchzone in Segmente unterteilt ist, wurden drei Tiltmeter (Neigungsmesser) am Meeresboden aufgestellt. Durch Neigungsmessungen können interne Deformationen an der Vulkanflanke aufgezeichnet werden. 

Bei der Ausfahrt des Forschungsschiffs Poseidon vom 24.3. bis 4.4. 2016 wurden diese Geräte in Wassertiefen von etwa 700 bis 1.200 m ausgebracht. Sie sollen nun für drei Jahre am Meeresboden Daten sammeln. Von der Wasseroberfläche aus können die Daten abgerufen werden. Dies wird erstmals im September 2016 stattfinden. 

Aufgrund der Instabilität der Vulkanflanke besteht die Möglichkeit, dass durch einen Hangrutsch im Meer ein Tsunami ausgelöst werden könnte. Für die Zukunft könnte das Messnetz auch als Frühwarnsystem genutzt werden.

Text: Christina Bonanati, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

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