Nach Angaben der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft verursachten die Hagelzüge im Juli und August 2013 versicherte Schäden in Höhe von 3,2 Milliarden Euro (Munich Re, 2014). Die Gesamtschadensumme beläuft sich auf 4,2 Mrd Euro. Die Hagelstürme sind für die Versicherungsindustrie somit teurer als das Hochwasser im Juni desselben Jahres mit versicherten Schäden in der Höhe von 1,8 Mrd. Euro.

Diese massiven Schäden wurden insbesondere durch zwei Hagelzüge Ende Juli verursacht (Abb. 1). Da die beiden Ereignisse innerhalb von 72 Stunden stattfanden, werden sie in der Versicherungswirtschaft als ein Ereignis gezählt. Die Schäden hier belaufen sich allein auf 2,8 Mrd Euro an versicherten Schaden (Gesamtschaden: 3,6 Mrd Euro; Munich Re, 2014). Schuld an diesem immensen Schadensausmaß war sowohl eine hohe Anzahl an großen Hagelkörnern als auch der Durchzug der Hagelstürme über dicht besiedeltem Gelände.

Hagelzug am 27.07.2013
Am 27.07.2013 bildete sich über Nordrhein-Westfalen eine langlebige Superzelle (stark rotierende Gewitterzelle mit den stärksten Aufwinden, die auch zu Tornados führen können), die anschließend über Niedersachsen und Sachsen-Anhalt fast bis nach Berlin zog (Abb. 1 violett). Dabei fiel auf einer langen Bahn großer Hagel. So meldet die European Severe Weather Database (ESWD), eine Datenbank basierend auf Augenzeugenberichten,  in Stromberg (NW) bis zu 5 cm und im niedersächsischen Arpke, Alt-Wolfsburg oder Sievershausen 7 bis 8 cm große Hagelkörner. Damit produzierte die Superzelle für mitteleuropäische Verhältnisse außergewöhnlich großen Hagel.

Superzelle am 28.7.2013
Das als "Reutlinger Hagelunwetter" bezeichnete Ereignis traf in Baden-Württemberg die Versicherungswirtschaft besonders schwer (Abb. 1 grün). So rechnet die SparkassenVersicherung (SV), dem dortigen größten Gebäudeversicherer gegen Elementarschäden,  mit einer Schadensumme von 600 Mio. Euro an 63.000 beschädigten Gebäude (SV, 2013).

Am 28.07. 2013 lag Deutschland vorderseitig eines Trogs (Tiefdruckgebiet in der Höhe), der sich im Lauf des Tages nach Osten verlagerte. Auf der Ostflanke floss mit dem Trog und dem Tief am Boden feuchtwarme Luft (= Energie für Gewitter) von Süden her ein. Durch den Trog kam es zu einer starken Richtungsänderung des Horizontalwinds mit der Höhe, die eine wichtige Voraussetzung für die Bildung der rotierenden Superzellen ist. Bereits in der Rheinebene südlich von Freiburg entwickelte sich um 15 Uhr eine Gewitterzelle, die sich schnell zu einer Superzelle entwickelte.

Messungen des Stuttgarter Radiosondenaufstieges um 14 Uhr zeigten zwar nur eine geringe Gewitterbereitschaft in der Atmosphäre (konvektive Energie CAPE von rund 500 J/kg), aber dafür eine für Superzellen günstige Rechtsdrehung des Windes mit der Höhe. Mit einem hohen Flüssigwassergehalt in der herankommenden feuchten Luftmasse herrschten günstige atmosphärische Bedingungen für die Ausbildung großen Hagels. So erfuhr das Gewittersystem auf seinem weiteren Weg ostnordostwärts entlang des Nordrandes der Schwäbischen und Fränkischen Alb eine massive Verstärkung. Dabei fiel auf einer bis zu 15 km breiten Bahn sehr großer Hagel mit Durchmessern von bis zu 8 cm. Besonders betroffen war die Gegend um Reutlingen und Tübingen südlich von Stuttgart.

Die Abbildung 2 zeigt die Zugbahn der Superzelle, die mit Hilfe eines am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelten Algorithmus aus Radardaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) rekonstruiert wurde.

Ein direkter Vergleich der Ereignisse in diesem Sommer mit dem bisher schadenträchtigsten Ereignis in Deutschland - dem Münchner Hagelunwetter von 12.07.1984 - gestaltet sich schwierig. Die damaligen 1,5 Mrd. DM Schaden würden heute nach dem Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes etwa einem Schaden von 1,4 Mrd. Euro entsprechen. Allerdings wird dabei weder die Veränderung der Versichertenquote (1984: 50 % der Schäden versichert) noch die Wertekonzentration in den letzten 30 Jahren oder die zunehmende Verletzbarkeit der versicherten Objekte (Vulnerabilität) berücksichtigt.

Entwicklung eines Schadenmodells für Hagel
Vermutlich ist das Schadensausmaß des Hagelzugs 1984 noch deutlich größer als bei jedem einzelnen der diesjährigen Ereignisse. Dennoch waren für die Versicherungsindustrien nach derzeitigen Schätzungen die Hagelzüge im Sommer 2013 die mit teuersten Elementarschadensereignisse der letzten 30 Jahre.

Am KIT wird derzeit ein Schadensmodell für Hagel entwickelt, das basierend auf Radardaten und den daraus rekonstruierten Hagelzugbahnen zeitnah die Schadenssummen nach einem solchen Hagelereignis abschätzen kann. Diese Informationen sind beispielsweise wichtig für die Versicherungswirtschaft, um nach einem Ereignis rechtzeitig das Schadensausmaß kalkulieren zu können. Wichtig ist dabei, dass Faktoren wie die Schadenswirkung der Körner auf die Objekte, die Größenverteilung der Hagelkörner innerhalb eines Gewitters und die Zugrichtung in Kombination zur Lage der Gebäudedächer in dem Modell berücksichtigt werden. Wie genau diese Informationen aussehen, ist zurzeit aktueller Forschungsgegenstand in der Arbeitsgruppe "Atmosphärische Risiken" am Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-TRO) am KIT.

Weiterführende Informationen
  Munich RE (2014): Severe hailstorms -- A risk of change? In: TOPICS Schadenspiegel, The magazine for claims managers, Issue 2/2014, Munich RE, Munich, Germany, 34-41.

Artikel aktualisiert mit Zahlen MunichRE (2014) am 9.2.2015.

Text und Daten in Kooperation mit CEDIM, einer interdisziplinären Forschungseinrichtung des Karlsruher Instituts für Technologie.

Text, Fotos und Grafiken soweit nicht andere Lizenzen betroffen: eskp.de | CC BY 4.0
eskp.de | Earth System Knowledge Platform – die Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft