Starke Erdbeben haben am 25. und 26. April sowie am 12. Mai 2015 Nepal erschüttert. Die Beben ereigneten sich ca. 80 km nordwestlich bzw. östlich von Kathmandu. Viele Menschen kamen ums Leben, etliche Gebäude wurden zerstört. Bereits vier Jahre zuvor ereignete sich am 18. September 2011 ein schadenträchtiges Beben. Es hatte die Stärke 6,9 und erschütterte den Osten Nepals, das Epizentrum lag allerdings in Indien (Sikkim). Am 15. Januar 1934 erschütterte ein besonders heftiges Erdbeben in Bihar (Indien) mit einer Magnitude von 8,4 ebenfalls den Ostteil Nepals. Das Epizentrum lag 240 km östlich von Kathmandu und kostete mindestens 4.300 Menschenleben. In Kathmandu wurde damals durch die Erschütterungen jedes vierte Gebäude zerstört und weitere 40 Prozent beschädigt.

Nepal ist von West nach Ost durchzogen vom Himalaya-Gebirge, dem höchsten Gebirge der Erde. Ein Großteil des Landes liegt höher als 3.000 m über Meeresniveau (NN), der höchste Punkt auf 8.848 m NN. Entstanden ist der Himalaya durch die Kollision der Indischen mit der Eurasischen Platte, wobei sich Indien auf Eurasien relativ mit ca. 4,5 cm/Jahr zubewegt.

Hier stoßen einzigartig auf der Welt zwei Kontinentalplatten, und nicht wie in anderen Kollisionszonen (z.B. den Anden in Südamerika), eine ozeanische und eine kontinentale Platte aufeinander. Die beiden Kontinentalplatten haben in etwa die gleiche Dichte, so dass keine vollkommene Subduktion stattfindet, sondern beide Landmassen stark nach oben gedrückt werden.

Die Verschiebung Indiens nach Norden begann vor 84 Millionen Jahren (Obere Kreidezeit) über eine Distanz von 6.000 km. Dabei erreichte Indien eine Spitzengeschwindigkeit von 20 cm/Jahr. Vor ungefähr 50 Millionen Jahren (Eozän) kollidierte Indien dann mit Eurasien. Noch heute drängen die beiden Kontinente aufeinander zu, so dass der Himalaya derzeit mit ca. 1,5 cm/Jahr weiter in die Höhe wächst. Das Kollisionsgebiet erstreckt sich von Süd nach Nord über einen Bereich von gut 200 km. Die horizontale Konvergenz in Nepal beträgt derzeit etwa 2 cm/Jahr. Diese Deformationsbewegungen erfolgen allerdings nicht kontinuierlich gleitend, sondern es kommt zu Verhakungen und damit zum Aufbau von Spannungen entlang der Plattengrenzen, die sich in Form von Erdbeben abbauen.  Im Erdbebenkatalog des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) wurden allein in den drei Tagen vom 25. bis 28. April 2015 fast 50 Erdbeben mit einer Magnitude über 4 registriert worden. Die historischen Aufzeichnungen, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen, lassen erkennen, dass die Menschen in Nepal statistisch gesehen in Zeitabständen von ca. 75 Jahren mit desaströsen Erdbeben rechnen müssen.

Auch wenn sich die stärksten Erdbeben im sogenannten pazifischen Feuerring ereignen und nur 15–20% der jährlichen Erdbebenenergie in der Mediterran-Transasiatischen Zone zwischen den Azoren und dem Himalaya freigesetzt werden, so treten in diesem Gürtel doch circa 85 Prozent der weltweit fatalsten Erdbeben auf. Lediglich ca. 12 Prozent dieser Starkbeben werden im Pazifik registriert (einschl. Westküste Amerikas, Japan und Neuseeland).

Ein Erdbeben bedeutet immer, dass ein Gestein flächenhaft gebrochen ist, wenn das Gestein die sich langsam aufbauende mechanische Spannung nicht mehr halten kann. Hierbei findet auf einer Fläche eine Verschiebung zweier Gesteinseinheiten gegeneinander statt. Die Fläche kann dabei sehr groß werden. Die Verschiebung und die Bruchfläche bestimmen die Magnitude eines Bebens mit, die wiederum ein logarithmisches Maß für die freigesetzte Energie beim Bruchprozess (s. a FAQ Erdbeben) ist. Ein Beben der Magnitude 7 beinhaltet z.B. eine Bruchfläche von ca. 60 km Länge und 15 km Breite bei einer mittleren Verschiebung von ca. 1,5 m. Beim Beben der Magnitude 9 vor Japan, im März 2011, war der Bruch ca. 500 km lang und über 100 km breit, bei einer inhomogenen Verschiebung in der Spitze von fast 50 Metern. Da jedoch Erdbeben in Tiefen zwischen 5 km und 700 km auftreten, sind die an der Erdoberfläche auftretenden Bodenbeschleunigungen je nach Tiefenlage unterschiedlich stark ausgeprägt. Besonders schadenträchtig sind Beben, die in der oberen Erdkruste zwischen 5 km und 20 km Tiefe auftreten. Das Hypozentrum des Sikkim-Erdbebens wurde in 7,4 km Tiefe lokalisiert, das Hypozentrum des Bebens der Stärke 7,8 am 25. April 2015 wurde in etwa 18 km Tiefe lokalisiert.

Um die Auswirkungen von Naturgefahren wie Erdbeben minimieren zu können, ist eine realistische Gefährdungs- und Vulnerabilitätseinschätzung Voraussetzung. Risikomindernde Maßnahmen sind z.B. die Umsetzung einer erdbebensicheren Bauweise und eine effektive Vorbereitung von Individuen und Gesellschaft auf ein mögliches Erschütterungsereignis. Heutzutage existieren probabilistische Erdbeben-Gefährdungskarten, z.B. des "Global Seismic Hazard Assessment Program" (GSHAP), die für Nepal eine "sehr hohe" Erdbebengefährdung aufzeigen, mit maximal zu erwartenden Bodenbeschleunigungswerten zwischen 4 und 5 m/s2 (ca. 50% der Erdbeschleunigung), mit einer Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10% innerhalb der nächsten 50 Jahre. Solche Bodenbeschleunigungsangaben können von Bauingenieuren genutzt werden (s. a. Erdbebensicher bauen), um Gebäude und Infrastruktur so zu konstruieren und zu errichten, dass sie den zu erwartenden Kräften standhalten und nicht kollabieren.

Weiterführende Informationen

 Erdbeben in Nepal: Wahrscheinlichkeit, Risiko, und Prävention in der Bevölkerung von Birger-G. Lühr, Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ). PDF

 In einem Fernsehinterview bei Nano erklärt Birger-G. Lühr, Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) mehr zum Beben vom 12. Mai 2015.

 Karte zu Gebäudeschäden in Kathmandu; Quelle: NRSC (2015 - Building damage assessment in Kathmandu due to the Nepal Earthquake on 25 April 2015).

Text: Dr. Ute Münch "Wissensplattform "Erde und Umwelt", fachliche Durchsicht Birger Lühr Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ)

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