Durch das verheerende Erdbeben der Stärke 7,8 in Gorkha, Nepal am 25. April 2015 und den zahlreichen Nachbeben in den Folgewochen wurden etwa 2,3 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Dabei suchten die Menschen sowohl aus städtischen als auch aus ländlichen Gebieten verschiedene Optionen der Zuflucht. Spontan aufgebaute Zeltlager in der Nähe ihrer eigentlichen Häuser oder verstreut liegende inoffizielle bzw. offizielle Notunterkünfte wurden aufgesucht. Jedoch waren die Menschen egal, ob in städtischen oder ländlichen Regionen in den Notunterkünften immer noch auf unterschiedliche Weise Gefährdungen z. B. durch Kälte, Wasser- und Nahrungsmangel ausgesetzt. Um sich untereinander, mit Regierungsstellen oder Hilfsorganisationen in Verbindung zu setzen und weitere Hilfe anzufordern, wurden sehr unterschiedliche Mittel in Betracht gezogen.

Bei verschiedenen Feldeinsätzen hat ein Forscherteam des Center of Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Nepal die Vor- und Nachteile innerhalb der unterschiedlichen Notunterkünfte sowie den Informationsbedarf der Menschen in Notsituationen untersucht.
Bereits im Juni 2015 wurde eine Umfrage vor Ort durchgeführt, um Information über die Situation in den Notunterkünften zu erhalten und um mehr über Entscheidungskriterien bei der Auswahl der Notunterkünfte bzw. kurzzeitigen Unterkünften zu erfahren. In einer weiteren Umfrage im November 2015 ging es insbesondere darum, zu erfahren wie die Menschen nach Informationen über die Katastrophenlage gesucht haben und welche Kommunikationswege genutzt wurden. Die Befragung von insgesamt 420 Personen unterstrich die Bedeutung der sozialen Medien bei der Katastrophenkommunikation. Insbesondere Männer in urbanen Gebieten, in denen ein Internetzugang vorhanden war, nutzen diese Medien, um an Informationen zu gelangen oder weiterzugeben. Die Ergebnisse machen aber auch deutlich, dass Frauen insbesondere in ländlichen Gebieten deutlich seltener über einen Internetzugang verfügen. Die Studie zeigt darüber hinaus, wie wichtig es für lokale Regierungsbeamte ist, Informationen über Radiosender insbesondere an diejenigen Bevölkerungsschichten zu vermitteln, die keinen Internetzugang haben.

Interviews mit Regierungsbeamten, Polizisten und Nachrichtensendern wurden im April 2016 durchgeführt, um die Bewältigung der Katastrophe einschließlich der Schwierigkeiten in der Katastrophenkommunikation zu beleuchten.

Die Untersuchungen haben ergeben, dass mehr als 2 Mio. Menschen Bedarf an Notunterkünften gehabt haben und immer noch 26.000 Menschen in Nepal in unsicheren, eigentlich für die kurzzeitige Unterbringung gedachten Unterkünften wohnen. Inzwischen gibt es zwar die Möglichkeit, sich um einen finanziellen Zuschuss für den Aufbau einer Wohnung in Höhe von 200.000 Rupien (ca. 1.650 €) zu bewerben, allerdings werden die Zahlungen wahrscheinlich nicht vor Ende des Jahres ausgezahlt werden können. Auch werden die Gelder nicht ausreichen, um die Mehrkosten von ca. 35-40% zu decken, die durch die Einstellung von ausgebildeten Maurern sowie durch den erhöhten Materialbedarf  (z.B. Stahlträger) für eine erdbebensichere Bauweise entstehen. Hinzu kommt, dass Menschen ohne Grundbesitz oder solche die den Grundbesitz nicht nachweisen können, besonders benachteiligt sind. Um auch diese Menschen zu unterstützen, wurde von der Nationalen Aufbaubehörde (National Reconstruction Authority, NRA) aber inzwischen eine Stelle eingerichtet, um Beschwerden einreichen zu können.

Die Interviews halfen den Wissenschaftlern, die verschiedenen Katastropheninformationen und Kommunikationssysteme, die in Nepal nach dem Erdbeben etabliert wurden, mosaikartig zusammenzusetzen. So hat die Auswertung der Daten ergeben, dass die Polizei in Nepal der wichtigste Ansprechpartner ist. Hier laufen die Informationen und der Bedarf der notleidenden Bevölkerung über das Netzwerk der verschiedenen Polizeieinheiten aller Dörfer und Gemeinden (Village Development Community, VDC) zusammen. Der Informationsaustausch erfolgt dabei über ein dichtes Netz an Funksprechgeräten, die im ganzen Land verteilt sind. Auch wurden lokale Behörden und Bürgermeister/Gemeinderäte zur Verteilung von Hilfsgütern in den Dörfern sowie zur Weitergabe von Informationen beauftragt. Damit werden vorherige Umfrageergebnisse zwar zu weiten Teilen bestätigt, in denen die Polizei als wichtigster Ansprechpartner nach dem Erdbeben und zur Einreichung von Beschwerden genannt worden ist, jedoch kam nun heraus, dass die Polizei nicht die wichtigste Informationsquelle beim Katastrophenmanagement ist. Darüber hinaus hat die aktuelle Umfrage ergeben, dass die Herausgabe von Information zu blockierten Straßen die größte Herausforderung gewesen ist.

Außerdem hat das interdisziplinäre Wissenschaftlerteam des KIT untersucht, welche Rolle beim Wiederaufbau die Zugänglichkeit bzw. Zerstörung der Transportwege gespielt hat.
So haben nicht nur die Zerstörungen durch die Erdbeben und Hangrutschungen zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Versorgung der Bevölkerung geführt, sondern auch die indische Blockade der indisch-nepalesischen Grenze brachte die Lieferung von Treibstoff, Lebensmittel und weiterer Güter erheblich ins Stocken.
Bis zu einer Woche hat es gedauert Straßen nach Hangrutschungen wieder zu räumen. Zum einen mangelte es an qualifiziertem Personal, aber auch an geeignetem technischem Gerät, um die Räumarbeiten zügig durchzuführen. So waren einige entlegene Gemeinden über 10 Monate nach den Erdbeben immer noch nicht zugänglich. In städtischen Regionen hingegen, konnten die Straßen innerhalb eines Monats nach den Erdbeben geräumt werden. Verschüttete Straßen und die eingeschränkte Lieferung von Kraftstoff über die indisch-nepalesische Grenze haben zu erheblichen Preissteigerungen sämtlicher Waren geführt. Natürlich wurden auch Hilfs- und Wiederaufbaumaßnehmen durch von Hangrutschungen blockierten Straßen erheblich verzögert. So ist beispielsweise bis heute noch eine der wichtigsten Verbindungsstraßen zwischen Nepal und China nicht zugänglich.

Publikationen

 Anhorn, J. and Khazai, B.: Open space suitability analysis for emergency shelter after an earthquake, Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 15, 789-803, doi:10.5194/nhess-15-789-2015, 2015.
 Girard, T. (2016) “Information Seeking and Communication Behavior of Communities Affected by the 25 April 2015 Gorkha Earthquake in Nepal”, Proc. of International Conference on Earthquake Engineering and Post Disaster Reconstruction Planning in Bhaktapur, Nepal.
 Khazai, B., Anhorn, J., Girard, T., Brink, S., Jimee, G.K., Parajuli, B., Wagle., S., Khanal, O., (2015) "Emergent Issues and Vulnerability Factors in Temporary and Intermediate Shelters Following the 2015 Nepal Earthquake", International Journal for Mass Emergencies and Disasters, submitted January 2016 (Manuscript in review).
 Düzgün H.S., Wenzel, F., Aydin, N.Y. (2016) “Assessment of Critical Infrastructure Vulnerabilities due to Cascading Impacts of Multiple Natural Hazards: A Conceptual Framework for Earthquake Triggered Landslides”, Proc. of International Conference on Earthquake Engineering and Post Disaster Reconstruction Planning in Bhaktapur, Nepal.

Text und Daten in Kooperation mit CEDIM, einer interdisziplinären Forschungseinrichtung des Karlsruher Instituts für Technologie.

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