Das Himalaya-Gebirge durchzieht Nepal von West nach Ost. Es entstand durch die Kollision der Indischen mit der Eurasischen Platte vor ungefähr 50 Millionen Jahren (Eozän). Noch heute drängen die beiden Kontinente aufeinander zu, wobei sich Indien auf Eurasien relativ mit ungefähr 4,5 cm/Jahr zubewegt. Begleitet sind diese Prozesse immer wieder durch oftmals sehr starke Erdbeben. Bei den Schäden, die die Beben hervorrufen, bleibt es jedoch selten. Durch die Erderschütterungen werden häufig zusätzlich Hangrutschungen, Felsstürze oder auch Lawinen ausgelöst, was wiederum zur Aufstauung von Flüssen und damit zu Überflutungen führen kann. Zusätzlich zu den unmittelbar durch Erdbeben ausgelösten Dominoeffekten wie Felsstürze, treten oftmals selbst Monate oder Jahre später noch Folgeerscheinungen auf. Durch Starkbeben lockern sich beispielsweise Gesteinsmassen oder es können Klüfte und Risse im Gestein entstehen, wodurch unmittelbar nach dem Erdbeben Erosionsprozesse beschleunigt werden.
So wurden ähnliche, katastrophale Dominoeffekte durch starke Erdbeben, die sich nördlich der Hauptstadt Kathmandu im April und Mai 2015 ereignet haben, auch in der Vergangenheit teilweise noch gravierender in der Himalayaregion ausgelöst.
Wissenschaftler der Universität Potsdam, des Deutschen GeoForschungsZentrums und weiterer internationaler Forschungseinrichtungen untersuchen deshalb Zusammenhänge zwischen Erdbeben und den sogenannten gravitativen Massenbewegungen, also beispielsweise Hangrutschungen.
Das Wissenschaftler-Team konnte nun erstmalig nachweisen, dass Erdbeben der Stärke Mw 8 in den Jahren 1100, 1255 und 1344 n. Chr. auch jeweils gewaltige Hangrutschungen und Flutereignisse ausgelöst haben. Bis zu 60 km weit wurden die Gesteinsmassen damals transportiert. Noch heute bezeugen bis zu 100 m hohe Geröllablagerungen die Naturkatastrophen der Vorzeit. Die Geröllablagerungen befinden sich in den Tälern in der Nähe der Stadt Pokhara, die am Fuße des über 8.000 m hohen Annapurna-Massivs liegt.
Datiert werden diese Massenbewegungen mit Hilfe der Radiokarbon-Methode. Hierbei kann das Alter von Pflanzenteilen, die mit den Geröllmassen weggerissen oder davon begraben wurden, anhand des Verhältnisses des stabilen Kohlenstoffisotops 12C zum instabilen 14C bestimmt werden. Folglich lässt sich der Zeitpunkt zu dem die Pflanze abgestorben ist bzw. die Gesteinsmassen abgelagert worden sind, bestimmen.
Die Forschungsarbeiten* tragen insgesamt wesentlich dazu bei, die mächtigen Gesteinsablagerungen als unabhängige Archive vergangener Erdbeben besser zu verstehen. Gesteinsanalysen und deren Altersbestimmungen könnten in Zukunft damit nicht nur den Zeitpunkt, sondern auch die Folgen für Natur und Gesellschaft historisch oder geologisch dokumentierter Starkbeben ermöglichen. Die Ergebnisse sollen außerdem dazu beitragen, eine bessere Risikoabschätzung vornehmen zu können, sowie zur Risikominimierung geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Quellen
Schwanghart, W., Bernhardt, A., Stolle, A., Hoelzmann, P., Adhikari, B.R., Andermann, C., Tofelde, S., Merchel, S., Rugel, G., Fort, M., Korup, O. (2015): Repeated catastrophic valley infill following medieval earthquakes in the Nepal Himalaya. Science 351(6269). pp. 147-150. Link
Weiterführende Informationen
Filmdokumentation zeigt Geländearbeiten, um Sedimentprofile in Nepal zu untersuchen
Podcast dokumentiert Erlebnisse des Forscherteams, die während des Erdbebens im Mai 2015 in Nepal gearbeitet haben
Pressemittelungen der Universität Potsdam und des Deutschen GeoForschungsZentrums sowie einer weiteren Expedition des GFZ.
*Forschungsförderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft