Zu den größten explosiven Eruptionen unserer Zeit gehören die Tambora-Eruption im Jahre 1815, die Krakatau-Eruption 1883 und der Ausbruch des Pinatubos 1991. Sie forderten zusammen über 86.000 Todesopfer und beeinflussten das Klima weltweit. Historische Aufzeichnungen decken jedoch nur einen kleinsten Bruchteil der Erdgeschichte ab, und in der gab es noch deutlich größere Ausbrüche. Sogenannte „Supervulkane” produzieren „Supereruptionen”: explosive Eruptionen, die mehr als 1015 kg an Magma fördern. Die unglaubliche Menge von einer Billiarde Kilogramm entspricht in etwa der 12-fachen Masse der Erdkruste unter ganz Berlin, die dort 33 km dick ist. Damit stellen Supereruptionen die Vulkanausbrüche von Tambora, Krakatau und Pinatubo weit in den Schatten, die weniger als ein Zehntel dieser Masse eruptierten.
Auf der Skala des Vulkan-Explosivitätindex (VEI), der die Stärke eines Vulkanausbruchs angibt, entsprechen Supereruptionen einer Stärke von 8. Zum Vergleich: Die weltberühmte Eyjafjallajökull-Eruption 2010 auf Island hatte einen VEI von 4. Wegen der hohen Ausbruchsintensität sind die Auswirkungen von Supereruptionen katastrophal, und stellen neben großen Meteoriteneinschlägen die ultimative Naturkatastrophe dar. Unsere menschlichen Vorfahren waren ihr bereits einige Male ausgesetzt. Zwar können sie uns nicht mehr von ihren Erfahrungen berichten, aber anhand der Ablagerungen von Supereruptionen schaffen es Geologen heute, die Abläufe Puzzlestück für Puzzlestück zusammenzusetzen. In der geologischen Vergangenheit bis 36 Millionen Jahre vor heute konnten 42 Supereruptionen identifiziert werden. Die jüngsten stammen von der Long Valley Caldera (vor 700.000 Jahren) und der Yellowstone Caldera (vor 600.000 Jahren) in den USA, Toba in Indonesien (vor 74.000 Jahren) und Taupo in Neuseeland (vor 26.500 Jahren). Die Toba-Eruption hat vermutlich zu einer dramatischen Reduzierung in der damaligen menschlichen Bevölkerung beigetragen.
Was sind die Auswirkungen so einer Eruption?
Für ihre direkte Umwelt, aber auch das globale Klima und unsere komplexen sozialen Infrastrukturen, haben Supereruptionen katastrophale Auswirkungen. Sie beginnen mit der Eruption und halten für Jahre und Jahrzehnte an. Durch die Entleerung der riesigen Magmakammern stürzen die darüber liegenden Erdschichten ein und es bildet sich ein riesiger Krater, eine sogenannte Caldera. Sie ist das Markenzeichen der Supervulkane und kann einen Durchmesser von bis zu 100 km haben. Durch den Einsturz würden Gebäude und Infrastrukturen auf einer Fläche von Tausenden Quadratkilometern zerstört werden. Handelt es sich um einen Inselvulkan, würde zudem ein Tsunami entstehen. Wegen der riesigen Menge an ausgestoßenem Material sind die Eruptionssäulen von Supereruptionen fast immer „überladen“ und werden instabil. Wenn sie kollabieren, jagen verheerende pyroklastische Ströme mit Volumen von Tausenden Kubikkilometern bestehend aus Asche, Gasen und Gesteinsbrocken durch die umgebende Landschaft und hinterlassen Zerstörung im Umkreis von bis zu 200 km um den Vulkan. Sie können Flüsse aufstauen und – wenn sie auf den Ozean treffen – katastrophale Tsunamis auslösen. Riesige Mengen an Asche würden von einer Supereruption in die Atmosphäre eingebracht. So hat der letzte Yellowstone Ausbruch ganz Nordamerika mit einer 10 cm dicken Aschelage bedeckt. Asche der Toba-Eruption konnte noch in über 3000 km Entfernung vom Vulkan gefunden werden.
Vulkanische Asche ist gesundheitsschädlich, bedroht den Luftverkehr und kann Dächer zum Einsturz bringen. Aber auch Landwirtschaft, das Straßennetz, Satellitenkommunikation, Stromerzeugung und -leitungen können in Mitleidenschaft gezogen werden. In Kombination mit den eruptierten vulkanischen Gasen – vor allem Schwefel und Halogene – hat die Aschewolke außerdem dramatische Auswirkungen auf das globale Klima. Für mehr als ein Jahrzehnt wird sich die globale Durchschnittstemperatur um bis zu 10 °C absenken und es gelangt deutlich weniger Sonnenlicht durch die Atmosphäre – ein sogenannter „vulkanischer Winter“ entsteht mit dramatischen Folgen vor allem für die Landwirtschaft. Weniger starke Klimaeffekte, zum Beispiel Veränderungen in der Intensität oder Häufigkeit des El Niño Phänomens, können sogar für Jahrzehnte anhalten. Die Opferzahlen einer Supereruption und die finanziellen und strukturellen Schäden wären erheblich.
Können wir eine Supereruption vorhersagen?
An fast allen bekannten aktiven Vulkanen sind Instrumente installiert, die uns Anzeichen für eine bevorstehende Eruption liefern können. Dazu zählen z.B. Seismometer, die Erdbeben aufzeichnen, Geräte die Bodenbewegungen dokumentieren, oder auch Gasmessungen. Bei der Vorhersage von Supereruptionen allerdings stehen wir großen Problemen gegenüber: Zum einen haben wir keinerlei „Live“-Erfahrung. Niemand hat je eine Supereruption beobachtet und für die Nachwelt dokumentiert, geschweige denn, ihre geophysikalischen und geochemischen Vorankündigungen messen können. Uns bleibt also nur zu hoffen, dass unser Wissen über kleinere Eruptionen uns auch bei einer bevorstehenden Supereruption einen Vorteil gegenüber der Natur beschert. Während es aber wahrscheinlich ist, dass eine Eruption z.B. am Yellowstone nicht ohne Vorankündigung vonstatten geht, wird es trotzdem schwer bis unmöglich sein, die Größe des Ausbruchs vorherzusagen.
Gefährlicher wird es, wenn sich etwas unter einem nicht überwachten Vulkan zusammenbraut. Die Ruhezeiten zwischen zwei Supereruptionen sind sehr lang, der geologische Katalog ist oft unvollständig und viele Ablagerungen konnten bisher noch nicht eindeutig einer Quelle zugeordnet werden. Darum ist es nicht auszuschließen, dass wir einige schlafende Supervulkane noch nicht kennen und dementsprechend auch nicht überwachen. Weiterhin kann sich auch jederzeit ein neuer Supervulkan formieren.
Wie wahrscheinlich ist eine Supereruption in näherer Zukunft?
Im Schnitt liegen mehrere 100.000 Jahre zwischen zwei Supereruptionen. Man könnte daher meinen, dass wir erst einmal von der Gefahr einer Supereruption befreit sind, weil der letzte Ausbruch eines Supervulkans lediglich 26.500 Jahre zurückliegt. Leider ist das nicht der Fall. Die Vulkane dieser Welt verhalten sich selten regelmäßig und basierend auf dem Zeitpunkt des letzten Ausbruchs lässt sich kaum eine Aussage über die Zukunft treffen.
Supereruptionen traten in der Vergangenheit nicht gleichmäßig verteilt auf, sondern vor allem in zwei „Aktivitätspulsen“, in denen sie ungewöhnlich häufig waren. Der erste Puls lag zwischen 36 und 25 Millionen Jahren vor heute, der zweite begann vor 13,5 Millionen Jahren und hält bis heute an. Basierend auf der Aktivität der letzten 13,5 Millionen Jahre treten zwischen 1.4 und 22 Supereruptionen in einer Million Jahre auf. Nehmen wir an, dass diese Werte eine realistische Prognose für die Zukunft liefern – was mit großen Unsicherheiten verbunden ist, so liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Supereruption in den nächsten 100 Jahren zwischen 0.014 und 0.2 Prozent.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Supereruption innerhalb der nächsten eine Million Jahre aber liegt bei mindestens 75 %. Eine Supereruption ist eine beängstigende Vorstellung. Man sollte sich aber immer ihre Seltenheit vor Augen führen. Wenn die Auswirkungen von Supereruptionen auch katastrophal sind, so ist ihr Gesamt-Effekt in der Erdgeschichte im Vergleich zu den viel häufigeren, kleineren Eruptionen klein. Und doch ist die Wahrscheinlichkeit für eine Supereruption in unserer Lebenszeit nicht Null, und wir wissen noch immer viel zu wenig über die Mechanismen von Supervulkanen. Viel Forschungsarbeit muss noch geleistet werden. Auch die globale Gesellschaft muss sich über Generationen hinweg auf eine Supereruption und ihre Auswirkungen vorbereiten. Denn kommen wird sie, soviel ist klar.
Referenzen
Jones, M. T., Sparks, R. S. J. & Valdes, P. J. (2007). The climatic impact of supervolcanic ash blankets. Climate Dynamics, 29(6), 553-564. doi:10.1007/s00382-007-0248-7
Mason, B. G., Pyle, D. M. & Oppenheimer, C. (2004). The size and frequency of the largest explosive eruptions on Earth. Bulletin of Volcanology, 66(6), 735-748. doi:10.1007/s00445-004-0355-9
Miller, C. F. & Wark, D. A. (2008). Supervolcanoes and their explosive supereruptions. Elements, 4(1), 11-15. doi:10.2113/GSELEMENTS.4.1.11
Weiterführende Informationen
Lingenhöhl, D. (2019, 26. April). Europas Supervulkan ist aktiver als gedacht. Die Phlegräischen Felder gehören zu Europas tektonisch gefährlichsten Regionen. Und sie brechen wohl in kürzeren Abständen aus, als man bislang annahm. Spektrum News.
DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.049
Veröffentlicht: 06.06.2017, 4. Jahrgang
Zitierhinweis: Strehlow, K. (2017, 6. Juni). Die ultimative Naturkatastrophe: Supereruptionen. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de], 4. doi:10.2312/eskp.049