Im September 2015 ereignete sich einer der schwersten jemals beobachteten Staubstürme im Nahen Osten. Der Staub bedeckte die Region über eine Woche hinweg und führte zu einem Stillstand des öffentlichen Lebens. Es kam zu großräumigen Flugausfällen, Verkehrsbeeinträchtigungen und hunderten Krankenhausaufenthalten mit mehreren Toten.

Überraschenderweise konnte der Staubsturm von keinem der modernen globalen Wettervorhersagemodelle vorhergesagt werden, obwohl diese normalerweise in der Lage sind, ein Ereignis vom diesem Ausmaß zu erfassen. Auch das Auftreten des Sturms im September und die Transportrichtung des Staubes vom Iran und Irak über Syrien in den östlichen Mittelmeerraum waren äußerst ungewöhnlich und werfen Fragen nach den Entstehungsmechanismen auf. Wissenschaftler am Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-TRO) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) konnten nun erstmals zeigen, auf welche Mechanismen der Staubsturm zurückgeführt werden kann. Zugleich legt ihre Forschung dar, wie Vorhersagen zukünftig verbessert werden können.

Warum versagten globale Vorhersagemodelle?

Sogenannte Kaltluftausflüsse aus einem ausgedehnten und langlebigen Gewitterkomplex über der Grenzregion Syrien-Türkei-Iran-Irak verursachten den Staubsturm, wie die Analyse der KIT-Forscher nun nachweisen konnte. Der Gewitterkomplex und seine Kaltluftausflüsse erreichten eine Ausdehnung von über 1000 km, wobei die betroffene Fläche in etwa der Deutschlands entspricht. Die beobachteten Kaltluftausflüsse wurden durch verdunstenden Regen erzeugt, welcher zu großräumigem Abkühlen und starkem Absinken von aus dem Gewitterkomplex ausfließenden Luftmassen führte. Bei Annäherung an die Erdoberfläche führten diese starken Abwinde zu sehr hohen horizontalen Windgeschwindigkeiten, welche die extremen Staubemissionen in der Region verursachten. Um Gewitterkomplexe und die damit verbundenen Abwinde in Wettervorhersagemodellen darstellen zu können, ist aufgrund physikalischer Beschränkungen ein Abstand der Gitterpunkte im Modell von weniger als 5 km nötig. Da die grobmaschigen globalen Wettervorhersagemodelle diese räumliche Auflösung nicht erreichen, können sie Kaltluftausflüsse aus einem Gewitterkomplex nicht erfassen, womit ihr Scheitern in der Vorhersage erklärt ist.

Mit einer Wettersimulation der Vergangenheit testen Forscher das Potential zur Verbesserung zukünftiger Vorhersagen

Basierend auf dieser Ursachenanalyse wurde am IMK-TRO die erste Simulation des Ereignisses mit regional erhöhter Auflösung durchgeführt. Dafür wurde das Wettervorhersagemodell ICON (ICOsahedrisches Nicht-hydrostatisches Modell, Deutscher Wetterdienst), ergänzt um das Modul ART (Aerosol and Reactive Trace gases, KIT) zur Darstellung von Staubprozessen, genutzt. Dieses Wettervorhersagemodell der neuesten Generation erlaubt eine regional deutlich verfeinerte Auflösung und kann auf den Supercomputern des KIT betrieben werden.

Für die rückwirkende Analyse des Staubsturms wurde das Modell wie für eine reale Vorhersage verwendet und musste beginnend vom 6. September 2015 eine Simulation des Geschehens liefern. Diese konnte dann mithilfe von Satellitenbeobachtungen überprüft werden, da der Staubsturm in der Realität bereits aufgetreten war. Ein umfassender Vergleich der Simulationsergebnisse mit Satellitenbeobachtungen und Stationsmessungen verdeutlicht, dass die erhöhte Auflösung eine entscheidende Verbesserung der Vorhersage ermöglicht. Sowohl die räumliche Struktur als auch die zeitliche Entwicklung des Gewitterkomplexes und der damit verbundenen Kaltluftausflüsse werden in ICON-ART realistisch simuliert. Somit können die Entwicklung des Staubsturms und die extremen Staubkonzentrationen erstmals in sehr guter Übereinstimmung mit den Satellitenbeobachtungen erfasst werden. Anhand der ICON-ART Simulationsergebnisse kann gezeigt werden, dass das ungewöhnlich frühe Auftreten einer gewitterbegünstigenden Wetterlage im September die Entwicklung des ausgedehnten Gewitterkomplexes auslöst. Zusätzlich erzeugt die Wetterlage starke bodennahe Ostwinde in der Region. Diese verursachen, in Verbindung mit den mächtigen Kaltluftausflüssen, den Staubtransport nach Westen und erklären somit die außergewöhnlichen Charakteristika des Sturms.

Zusammenfassend ermöglicht die Forschungsarbeit ein detaillierteres Verständnis und eine zukünftige bessere Vorhersage von schweren Staubstürmen. Die Ergebnisse betonen die Notwendigkeit von hochaufgelösten Modellen für die Vorhersage von Staubereignissen in Verbindung mit Kaltluftausflüssen aus Gewitterkomplexen.

Verlauf des Staubsturmes

Erläuterung des obenstehenden Schaubildes:
Anhand des Schaubildes kann der Verlauf der Staubsturmentstehung mithilfe von Satellitenbeobachtungen und ICON-ART Modellergebnissen nachvollzogen werden.

  • MODIS-VIS zeigt die Region, wie sie ein menschlicher Beobachter im Weltall sehen würde. Der Staubsturm ist in der Entwicklung als hellgraue Fläche zu erkennen und bedeckt am 08. September 2015 die gesamte Region. Die Wolken des Gewitterkomplexes sind als weiße Flächen erkennbar.
  • MODIS-AOD zeigt in Rottönen eine satellitenbasierte Messung der optischen Trübung der Atmosphäre durch Staub, die sogenannte Aerosol Optische Dicke (AOD, gemessen bei einer Wellenlänge des Lichts von 550 Nanometern). Wolken sind nicht erkennbar, Regionen ohne verwertbares Messergebnis werden als graue Flächen dargestellt.
  • Die rechte ICON-ART Spalte zeigt die Ergebnisse des Wettervorhersagemodells zum Vergleich. In Rottönen ist erneut die AOD dargestellt. Zusätzlich sind die Wolken des Gewitterkomplexes blau zu erkennen und die Windgeschwindigkeit in der unteren Atmosphäre als schwarze Pfeile.


Die schwarzen Linien und Beschriftungen kennzeichnen markante Grenzlinien zwischen verschiedenen Luftmassen, z.B. Kaltluftausflüsse aus dem Gewitterkomplex. Diese können mithilfe der ICON-ART Ergebnisse identifiziert werden und sind zum Vergleich auch in den Satellitenmessungen eingeblendet.

Quellen

  Gasch, P. et al. (2017): Revealing the meteorological drivers of the September 2015 severe dust event in the Eastern Mediterranean, Atmos. Chem. Phys., 17, 13573-13604. Link

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