Die einzigartige Natur- und Kulturlandschaft des Toten Meeres ist besonders von den Auswirkungen der geringen Wasserverfügbarkeit sowie dem Klimawandel betroffen. Eine große Rolle spielen dabei atmosphärische Prozesse, insbesondere die lokalen Windsysteme, welche die Verdunstung des Toten Meeres maßgeblich steuern.

Im Rahmen des Helmholtz-Virtuellen Instituts DESERVE* (Dead Sea Research Venue), einer Kooperation von israelischen, jordanischen, palästinensischen und deutschen Erdsystemwissenschaftlern, wurden umfangreiche Messungen verschiedener atmosphärischer Größen durchgeführt. Diese konnten zum einen den entscheidenden Beitrag der thermisch angetriebenen Windsysteme zur Verdunstung des Toten Meeres nachweisen und zum anderen die abschwächende Wirkung der Verdunstung auf das regionale Klima belegen.

Die Messungen zeigen, dass die lokalen, thermisch induzierten Windsysteme zu einem Maximum der Verdunstung in der Nacht führen und nicht um die Mittagszeit, wenn die solare Einstrahlung ihr Maximum erreicht. Regulierende Faktoren sind daher nicht die zur Verfügung stehende Energie, sondern die Windgeschwindigkeit und das Wasserdampfdefizit, also das Vermögen der Luft Wasserdampf aufzunehmen. Der tägliche Verdunstungszyklus des Toten Meeres wird von drei dominanten Windsystemen kontrolliert, welche mittels Lidar-Messungen identifiziert wurden: (i) ein Seewind während des Tages, (ii) hangabwärts gerichtete Windstürme am Abend und (iii) eine nördliche Strömung entlang der Talachse während der Nacht (s. Abb.). Nach Sonnenuntergang verursachen die starken Hangabwinde Verdunstungsraten, die bis zu 100 % höher sind als tagsüber. Auch in der Nacht ist die Verdunstung aufgrund der starken nördlichen Strömung entlang der Talachse erhöht. Insgesamt lag die gemessene Verdunstung des Sees an der Messstation für die Jahre 2014/2015 bei 994 ± 81 mm/a.

Die mäßigende Wirkung der Verdunstung des Toten Meeres auf das Klima in der Region ist von entscheidender Bedeutung und zeigt sich insbesondere im Sommer. Direkt am Toten Meer beträgt die durchschnittliche maximale potentielle Temperatur 37,4 °C. Nur 20 km nördlich des Sees im Jordantal beträgt sie hingegen schon 41,4 °C. In Anbetracht der Tatsache, dass maximale Lufttemperaturen von über 40 °C im Sommer jederzeit möglich sind, ist für die Lebensbedingungen in der Region eine kontinuierliche Verdunstung und daher der Erhalt des Toten Meeres unerlässlich.

 

* Virtuelles Institut DESERVE: 
DESERVE befasst sich mit drei großen Herausforderungen: Umweltrisiken, Wasserverfügbarkeit und Klimawandel. Das virtuelle Helmholtz-Institut DESERVE baut auf die Helmholtz-Expertise in den Disziplinen „Atmosphäre und Klima“, „Erdkruste“ und „Wasser“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) auf. Weitere Beiträge gibt es zur Atmosphärenforschung (KIT), zu Wasserspiegeländerungen (UFZ) und zur Erdbebengefährdung (GFZ).

Virtuelle Institute in der Helmholtz Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren: 
Virtuelle Institute sind neue Forschungskooperationen zur Einbeziehung herausragender internationaler Partnerinstitutionen und zur Kooperation mit der Wirtschaft. Sie leisten Aufbau- bzw. Vorbereitungsarbeiten mit einem erkennbaren Mehrwert für größere strategische Forschungsvorhaben der Helmholtz-Gemeinschaft.

Quellen und weiterführende Informationen

  Kottmeier, C. et al. (2016): New perspectives on interdisciplinary earth science at the Dead Sea: The DESERVE project. Science of the Total Environment, 544, 1045–1058. Link

  ESKP-Beitrag: "Sinkender Meeresspiegel: Das Tote Meer trocknet aus". Link

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eskp.de | Earth System Knowledge Platform – die Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft