Alle Organismen verändern das sie umgebende Umfeld und passen es so an ihre Bedürfnisse an. Seit den Anfängen der Landwirtschaft vor ca. 10.000 Jahren hat der Mensch jedoch eben diese Anpassung verhältnismäßig tiefgreifend betrieben. Landwirtschaftliche Systeme können sich deutlich von den durch sie ersetzten Ökosystemen unterscheiden: Im Extremfall treten ausgedehnte Monokulturen an die Stelle artenreicher Wälder. Heutzutage werden 12 % der Landfläche weltweit landwirtschaftlich und weitere 25 % weidewirtschaftlich genutzt. Der Mensch nutzt heute insgesamt etwa 25 % der von den Pflanzen aufgenommenen Sonnenenergie.

Die zur Versorgung menschlicher Gesellschaften benötigte landwirtschaftliche Nutzfläche ist abhängig von der die Versorgung beanspruchenden menschlichen Bevölkerung, deren bevorzugter Ernährung und der Produktivität der Anbauflächen. Mit dem dramatischen Anwachsen der Weltbevölkerung im Verlauf der vergangenen 500 Jahre hat sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche immer weiter ausgedehnt. In der jüngsten Vergangenheit allerdings haben moderne landwirtschaftliche Verfahren wie Düngung, Mechanisierung, Züchtung ertragreicherer Getreidesorten und Schädlingsbekämpfung zur Deckung eines Großteils des enormen Mehrbedarfes beigetragen. Viele Prognosen zur Ernährung der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert basieren auf der Vorstellung, dass sich der technische Fortschritt mit der gleichen Geschwindigkeit wie in den vergangenen fünfzig Jahren weiterentwickelt oder dass überall dort (häufig in Entwicklungsländern), wo noch keine effektive Umsetzung des Fortschritts erfolgen konnte, hohe Steigerungen der landwirtschaftlichen Produktion durch entsprechenden Technologietransfer realisiert werden können. Allerdings ist bei weitem noch nicht klar, ob die getroffenen Vorhersagen und ihre zugrundeliegenden Annahmen realistisch sind.

Temperaturanstiege oder Niederschlagsveränderungen infolge des Klimawandels können einen tiefgreifenden Einfluss auf das Pflanzenwachstum haben. Zusätzlich zu den bekannten Auswirkungen von Dürreperioden können Hitzewellen während der Blütezeit die Erträge ganz beträchtlich reduzieren und extreme Ereignisse wie Überschwemmungen oder Hagelstürme, deren Intensität aufgrund des Klimawandels zunehmen wird, die Ernten zerstören. Das Zusammenwirken der genannten Faktoren kann sowohl zur Verringerung der Erträge als auch zur Verringerung der Zuverlässigkeit von Ernten beitragen. Erwartungsgemäß und wie so oft werden sich die negativen Folgen nicht gleichmäßig stark auf die Erde auswirken, sondern sich stattdessen auf tropische Regionen mit ohnehin bereits geringem Pflanzenbau konzentrieren.

Kohlendioxid beeinflusst Pflanzenwachstum sehr unterschiedlich

Es gibt aber nicht nur schlechte Nachrichten. In der Tat ist davon auszugehen, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen in den meisten Regionen der mittleren Breiten als Ergebnis der die Wachstumsphasen verlängernden steigenden Temperaturen ertragreicher werden. Kohlendioxid bewirkt einen Temperaturanstieg und erhöht darüber hinaus die Geschwindigkeit der Photosynthese der Pflanzen. Möglicherweise können höhere Ernteerträge aufgrund der direkten Auswirkungen von Kohlendioxid auf das Pflanzenwachstum somit die Auswirkungen der Klimaerwärmung bedingt durch die Emission von Kohlendioxid geringer werdenden Ernteerträge ausgleichen.

Kohlendioxid verringert daneben den Wasserbedarf der Vegetation. Dies kann für wasserarme Regionen oder unter dem Einfluss des sich ändernden Klimas immer trockener werdende Regionen von großer Bedeutung sein. Die Gesamtauswirkungen des Kohlendioxids und des Klimawandels auf die Ernteerträge sind jedoch sehr ungewiss. In Versuchen zeigen sich unterschiedliche Reaktionen, und niemand kann sicher sagen, wie die Ernten sich entwickeln werden. Es bestehen ferner Fragen bezüglich des Einflusses des Kohlendioxidausstoßes auf die Qualität der Ernten. Es gibt Hinweise darauf, dass Kohlendioxid den Protein- und Mineralstoffgehalt von Pflanzen senken könnte.

Veränderungen der Ernteerträge durch den Klimawandel

Klimabedingte Veränderungen der Ernteerträge haben eindeutig einen hohen Einfluss auf den Bedarf an landwirtschaftlicher Nutzfläche und die Wahl ihrer Standorte. Angesichts der sich verringernden Erträge kann die einzige Möglichkeit zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion in der Expansion der Landwirtschaft oder der Verlagerung von Ackerland bestehen. Allerdings gibt es wenig ungenutzte Fläche auf diesem Planeten.

Die Verlagerung oder Erweiterung landwirtschaftlicher Nutzflächen wird sich stets auf Kosten anderer durch Ökosysteme bereitgestellter Vorgänge, z. B. der Kohlenstoffspeicherung, vollziehen. Natürliche Ökosysteme speichern große Mengen an Kohlenstoff, d. h. zwei- bis dreimal so viel wie die Atmosphäre. Ungeachtet einiger Ausnahmen speichern landwirtschaftlich genutzte Flächen sowohl in den Pflanzen als auch in den Böden generell weniger Kohlenstoff als die durch sie ersetzten natürlichen Systeme. Durch die Ernte gehen Stoffe verloren, die im Boden andernfalls verbleiben würden. Zudem wird der Boden etwa durch Maßnahmen wie das Pflügen aufgebrochen. Die Wahrscheinlichkeit der Erosion des Bodens wird so erhöht und die kohlenstoffhaltigen Substanzenwerden schneller zu Kohlendioxid zersetzt. Die tatsächliche Menge an verloren gegangenem Kohlenstoff variiert je nach Klima, Bodenart, Bepflanzung und gewählter Maßnahmen. Die Verluste können beispielsweise durch eine nichtpflügende Bewirtschaftung mit Belassen der Non-Food-Kulturen auf dem Feld erheblich verringert werden. Die genannten Auswirkungen der Landwirtschaft auf den Treibhausgasausstoß können darüber hinaus zu Rückkopplungen führen. Der Rückgang von Ernteerträgen aufgrund des Klimawandels beispielsweise kann zur Expansion von Anbauflächen führen.

Diese Expansion verringert wiederum die Speicherung von Kohlenstoff und führt zu vermehrten Emissionen anderer Treibhausgase, welche ihrerseits den Klimawandel verstärken und dadurch zu weiteren Ertragsverlusten führen. Denkbar ist auch eine gegenteilige Entwicklung. Zum Verständnis des zukünftigen landwirtschaftlichen Flächenbedarfs der Menschen ist die Kenntnis der Entwicklung des sich unter dem Einfluss des Klimawandels und der damit einhergehenden sozioökonomischen Veränderungen entwickelnden Pflanzenbaus daher von entscheidender Bedeutung. Um den Klimawandel zu verstehen, muss jedoch gleichzeitig bekannt sein, wie Nutzflächen vergrößert und verkleinert werden oder wie sich die Bewirtschaftung der Flächen in der Zukunft ändert. Es stellt sich ferner auch die Frage, ob sozioökonomische Systeme in der Lage sind, Nahrungsmittel von den Orten optimaler Produktion hin zu Orten des größten Bedarfs zu transportieren oder ob die wirtschaftlichen Realitäten einen Kurs der landwirtschaftlichen Landnutzung abseits des theoretisch optimalen Weges diktieren werden. Das grundsätzliche Verbinden dieser vielen menschlichen und natürlichen Systeme stellt die Forscher vor eine enorme Herausforderung. Das Entwirren dieses komplexen Bildes ist der Schlüssel zum Verstehen unserer Möglichkeiten der Anpassung an die unvermeidbaren Auswirkungen des Klimawandels und der wirkungsvollen Entschärfung der extremsten Änderungen. Ohne ein derartiges ganzheitliches Verständnis werden alle Anstrengungen zum Erhalt der Nahrungsmittelversorgung oder zur Begrenzung des Klimawandels auf ein vertretbares Maß mehr auf Glück als auf Urteilsvermögen beruhen.

Literaturhinweis

Wie Land- und Forstwirtschaft unser Klima verändern und wie wir damit umgehen (Broschüre zum EU-Projekt LUC4C)

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