Um für die extremen Bedingungen in der Arktis möglichst gut vorbereitet zu sein, wurden Gerätschaften und Handgriffe getestet und die methodischen Abläufe trainiert. Die Feldarbeiten fanden im Bornstedter See nahe des Parkgeländes Sanssouci in Potsdam statt. Zusätzlich versprechen sich die Wissenschaftler aber auch, Erkenntnisse über die Entstehungsgeschichte des Sees herauszufinden.
Durchgeführt wurden die Arbeiten vom Naturkundemuseum Potsdam gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und der Universität Potsdam. Den Mehrwert der Kooperation bringt Bernhard Diekmann (AWI) kurz auf den Punkt: "Die Kooperation mit dem Naturkundemuseum Potsdam, ermöglicht uns nicht nur methodische motivierte Einsätze, sondern eröffnet auch Perspektiven für gemeinsame öffentlichkeitsrelevante Forschungsarbeiten in der eiszeitlich geformten Landschaft Potsdams". Auch Knuth und Rothe vom Naturkundemuseum freuen sich auf die Zusammenarbeit: "Neben der Erforschung städtischer Gewässer steht für uns als Naturkundemuseum klar auch die Aufbereitung und breite Vermittlung neuer Erkenntnisse im Fokus. In der Datenerhebung und deren Interpretation sind wir auf das Know-How der Potsdamer Institute angewiesen", bestätigen beide.
Ablagerungen im Bornstedter See: Zeugen der letzten nacheiszeitlichen Warmzeit
Denn insbesondere die natürlich ablaufenden Prozesse während der Entwicklung der Seen, bis hin zu ihrem Verschwinden, werfen noch viele Verständnisfragen für die Wissenschaftler auf: "Noch wissen wir viel zu wenig über die frühholozäne (vor ca. 10.000 bis 5.000 Jahren vor heute) Landschaftsentwicklung vor unserer Haustür: Warum erreichen im gleichen Naturraum einige Gewässer ihr Verlandungsstadium deutlich schneller als andere? Und welche Rolle spielen dabei geogene Grundbedingungen, also Stoff- oder Elementkonzentrationen im Boden oder Wasser, die auf natürliche Prozesse zurückzuführen sind gegenüber atmosphärischen Einträgen?", erläutert Rothe.
Getestet wurden insbesondere Geräte zur Entnahme von Sedimentkernen, zur vor-Ort-Messung der Wasserchemie und das Potenzial eines Bodenradars (GPR - "ground penetrating radar"), um einzelne Sedimentschichten unter dem Seeboden abzubilden. Georg Schwamborn (AWI) berichtet: "Wir nutzen für die Vorarbeiten auf dem See ein Bodenradar, da sich die Wassertiefe und die oberen Seesedimentschichten mit diesem Gerät unter den zu erwartenden Feldbedingungen typischerweise gut erkennen lassen. Das Gerät hilft uns dabei, geeignete Positionen festzulegen, an denen wir Bohrungen und weitere Probenahmen im See durchführen wollen." Stephan Schennen (Universität Potsdam) ergänzt: "Das verwendete Bodenradar besteht aus einem Antennenpaar, das elektromagnetische Wellen im MHz-Bereich aussendet und aufzeichnet. Diese breiten sich im Wasser mit etwa einem Neuntel der Lichtgeschwindigkeit aus und werden an Grenzflächen wie dem Seeboden reflektiert. Das Gerät kam bereits in einer früheren Kooperation zwischen AWI und der Universität Potsdam zum Einsatz, um Sedimente unter zugefrorenen Seen zu erkunden. Der neue Datensatz ist ein erster Schritt, die bewährte Zusammenarbeit auch an offenen Wasserkörper fortzusetzen."
Sedimentkerne entnehmen die AWI-Wissenschaftler im Projekt "SibLake" mit Hilfe von Bohrgeräten, die wie ein Falllot ins Wasser abgelassen werden oder zusätzlich mit einem Hammer in die Seeablagerungen getrieben werden. "Wir fahren vorzugsweise im Frühjahr in die Arktis, wenn die Polarnacht vorüber ist und es wieder Tageslicht gibt. Die Temperaturen sind trotzdem noch kalt genug, um eine meterdicke Eisschicht auf den Gewässern zu halten. Beispielsweise startete unsere Frühjahrsexpedition dieses Jahr bei -20°. Es wurde aber schnell wärmer und wir hatten ideale Bedingungen. Das Eis bietet eine stabile Position über dem Grund und günstigere Bedingungen für den Einsatz großer Bohrgeräte, um möglichst lange Bohrkerne zu entnehmen", so Boris Biskaborn (AWI). Auf dem Bornstedter See wurde das Schwerelot mit sogenannter "Hammer-Modifikation" getestet. Die Bohrkerne werden zurzeit in den AWI-Laboren analysiert. Im Vergleich zur Arktis sind in Potsdam große Unterschiede in der Bioproduktivität zu erwarten, da in gemäßigten Breiten wesentlich mehr Nährstoffe zur Verfügung stehen. Beprobt man jedoch in deutschen Seen bis in tiefer liegende Sedimentschichten vor, so stößt man auf Ablagerungen aus der letzten Vereisungsperiode. Die letzte Kaltzeit endete vor ca. 10.000 Jahren und erfasste auch die Region um Potsdam. So können die Seesedimente als geologische Zeugnisse durchaus jenen aus der heutigen Arktis ähneln. Die Wissenschaftler sind gespannt auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen alten heimischen und modernen polaren Seesedimenten.
Text: Dr. Boris Biskaborn, Alfred-Wegener Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)