Gibt es Leben auf dem Mars? Und hat es jemals Leben auf dem Mars gegeben? Diese Fragen stellen sich erneut, und wichtige Raumfahrtorganisationen, wie NASA und ESA, wollen eine Antwort darauf finden. In den vergangenen Jahrzehnten pendelten die Auffassungen in der Wissenschaft zwischen „keine Chance“ und „sehr wahrscheinlich“ hin und her.
Die Möglichkeit von Leben auf dem Mars hat immer schon einige der hellsten Köpfe auf unserem Planeten beschäftigt. Bereits sehr früh, am Beginn des 20. Jahrhunderts, glaubte Percival Lowell, auf dem Mars Kanäle zu erblicken, künstliche Konstruktionen, von denen er annahm, sie seien von intelligenten Außerirdischen erbaut worden. Als allerdings mehr als 60 Jahre später die ersten Raumsonden am Mars vorbei flogen, bot sich ihnen ein trostloser Anblick: keine Kanäle, keine Vegetation, keinerlei Anzeichen für Leben, sondern eine Landschaft, die sich nicht sehr von der des Mondes unterschied. Wie es aussah, ist der Mars ein toter Felsen im Weltall.
Allerdings erlaubten spätere Missionen eine gründlichere Bestandsaufnahme, und ein genauerer Blick führte zur Entdeckung von Landschaften, die Einschnitte aufwiesen, welche von fließendem Wasser herrührten. Erosionsstrukturen wurden entdeckt, die uralte Küstenlinien darstellen könnten, und manche der zahlreichen Asteroiden, die auf dem Mars einschlugen, trafen eindeutig wasserreiche Gebiete. Die NASA wollte es genau wissen und sandte die beiden Viking-Sonden zum Mars, die jeweils aus einem Orbiter und einer Landeplattform bestanden. Die Landeplattform hatte Einrichtungen zur Durchführung von drei Experimenten und ein Gas-Chromatograph-Massenspektrometer (GC-MS) an Bord, um die Frage zu klären, ob es Leben auf dem Mars gibt. Dies sind bis heute die einzigen Experimente zur Feststellung von Leben, die jemals auf einem anderen Planetenkörper durchgeführt wurden.
Die Viking-Experimente zur Entdeckung von Leben
Die Payload der Viking-Sonden wurden in einigen der härtesten Umgebungen der Erde getestet, wie zum Beispiel in der Atacama-Wüste in Chile und den Dry Valleys in der Antarktis, um festzustellen, ob sie in solch trostlosen Gegenden Leben entdecken könnten. Eine Reihe rigoroser Tests wurde durchgeführt, um sicher zu gehen, dass man die Resultate vom Mars auch zutreffend interpretieren könnte.
Dennoch, als die ersten Ergebnisse von den Experimenten auf dem Marseintrafen, waren die Wissenschaftler verblüfft. Diese Ergebnisse erbrachten Hinweise auf Leben, allerdings waren sie auch widersprüchlich. Das Experiment, das am ehesten auf Leben verwies, war das Labelled Release Experiment (LR), das entwickelt worden war, mikrobiellen Stoffwechsel auf dem Mars anzuzeigen, indem eine Bodenprobe mit einer wässrigen Nährlösung versetzt wurde. Die LR-Ergebnisse waren insgesamt positiv.
Das Pyrolytic Release Experiment (PR) war dazu gedacht, festzustellen, ob es auf dem Mars autotrophes Leben gibt, indem das Potential zu organischer Synthese untersucht wurde, wenn man gasförmigen, radioaktiven Kohlenstoff der Bodenprobe hinzufügte. Autotrophes Leben ernährt sich ausschließlich von anorganischen Stoffen. Ein Beispiel für einen autotrophen Lebensprozess auf der Erde ist die Photosynthese. Die Ergebnisse waren in einem Fall eindeutig positiv, bei den anderen Versuchen aber negativ.
Das dritte, das Gas Exchange Experiment, erbrachte Hinweise auf den Austritt von Gasen, wenn dem Marsboden organische und anorganische Nährstoffe hinzugefügt wurden, allerdings ließen sich diese Hinweise besser als Folgen anorganischer Reaktionen erklären. Da das Gas-Chromatograph-Massenspektrometer keinerlei organische Stoffe feststellen konnte – lediglich organische Spuren, von denen man annahm, dass sie von der Erde herrührende Kontaminationen darstellten – gelangte die Mehrheit der Wissenschaftler zu der Ansicht, dass das Ergebnis der Experimente zur Feststellung von Leben negativ sei. Gerald Soffen, damals Projektleiter, fasste die Befunde unter „keine Körper, kein Leben“ zusammen und bezog sich dabei auf das Fehlen organischer Bestandteile, die man hätte vorweisen müssen, um die Ergebnisse im Sinne der Existenz von Leben zu interpretieren.
Allerdings war diese Interpretation einigermaßen unbefriedigend, denn erstens entdeckten die Viking-Experimente auch in einigen analogen irdischen Umgebungen keine organischen Bestandteile – obwohl man doch wusste, dass es dort Leben gab, nachdem man Methoden mit geringerer Nachweisgrenze angewandt hatte. Zweitens wissen wir, dass auf dem Mars organische Stoffe existieren, die von Kometen und Asteroiden stammen, denn Wissenschaftler haben organische Bestandteile in Meteoriten entdeckt, die vom Mars stammen.
Der Mars-Meteorit ALH 84001
Einer dieser Meteoriten, der kartoffelgroße Mars-Meteorit ALH 84001, schlug große Wellen, nicht aufgrund des Kraters, den er erzeugte, sondern unter Wissenschaftlern und in der Öffentlichkeit. ALH 84001 wurde 1984 in den Alan Hills Bergen der Antarktis entdeckt. Wie Präsident Clinton es in einer berühmten, vom Weißen Haus veranstalteten Pressekonferenz ausdrückte: „Heute spricht der Gesteinsbrocken 84001 über Milliarden von Jahren und Millionen von Meilen hinweg zu uns. Er erzählt von der Möglichkeit des Lebens.“
Es war klar, dass der Gesteinsbrocken vom Mars stammte aufgrund der Zusammensetzung der Spurengase, die der Mars-Atmosphäre entsprachen, so wie sie von der Viking Mission gemessen worden war. ALH 84001 löste sich vor 3,6 Milliarden Jahren von einer anscheinend mit Grundwasser gesättigten Gegend auf dem Mars, bevor er vor ca. 13.000 Jahren auf der Erde landete. Seit seiner Landung wurde er nicht von der Erde kontaminiert, und man betrachtete die innerhalb des Gesteinsbrockens gefundenen organischen Bestandteile als vom Mars stammend. Als eine Gruppe von Wissenschaftlern den Meteoriten untersuchte, behaupteten sie, eine Reihe von Anzeichen innerhalb des Gesteins gefunden zu haben, die zu Leben passten. Am überzeugendsten waren reine Magnetitkristalle, von denen sich später herausstellte, dass sie in Form von magnetischen Kettenvorliegen, die typisch für magnetotaktische Bakterien sind. Magnetotaktische Bakterien orientieren sich bei der Bewegung am Magnetfeld. Außerdem wurden innerhalb des Meteoriten nahe bei einander liegende reduzierende und oxydierende Stellen gefunden, die typisch für mikrobielle Aktivitäten sind. Allerdings entwickelte sich schnell und heftig eine Opposition dagegen, diesen Meteoriten im Sinne von Leben zu deuten. Es stellte sich heraus, dass auch anorganische Prozesse viele der Beobachtungen erklären konnten, welche die Interpretation im Sinne von Leben unterstützten. Es ist bis heute umstritten, ob die an ALH 84001 beobachteten Strukturen und chemischen Prozesse biologischer Natur sind oder nicht – und die Wissenschaft ist desbezüglich ebenso gespalten wie im Falle der Viking-Resultate. Allerdings brachte ALH 84001 die NASA dazu, das NASA Astrobiology Institute einzurichten, um der Kontroverse auf den Grund zu gehen und ganz allgemein nach bewohnbaren Planeten und Leben im Universum zu suchen.
Ein genauerer Blick auf den Mars
Nach der Viking-Mission, konzentrierte sich die NASA auf die Suche nach Wasser als eines notwendigen Bestandteils des Lebens. Obwohl Fortschritte nur langsam erzielt wurden und Flüge zum Mars in immer größeren Abständen stattfanden und weniger spektakulär waren, so verfeinerten sie dennoch unser Verständnis der Umweltbedingungen auf dem Mars, besonders in dessen Frühzeit. Es ergab sich das Bild, dass der Mars sich in seiner Frühzeit nicht wesentlich von der Erde unterschied, dass es auf seiner Oberfläche sogar Ozeane und Seen gab. Der Mars war in seiner Frühgeschichte kalt und feucht, weitaus kälter als die Erde, doch die im Wasser gelösten Salze müssen die großen Wassermengen auf seiner Oberfläche flüssig gehalten haben.
Nachfolgende Missionen begannen, sich mit der Frage zu beschäftigen ob es organische Verbindungen auf dem Mars gibt. Es wurde deutlich, dass organisches Material dort existiert und in der Vergangenheit existierte, allerdings in chlorierter Form aufgrund stark oxidierender Chemikalienwie z. B. in Form von Perchlorat (ClO4-), dass auf dem Mars zum ersten Mal von der Phönix-Landefähre entdeckt wurde. Eine der neuen Erkenntnisse war, dass die von der Viking-Mission entdeckten organischen Spuren vermutlich ebenfalls organisches Material vom Mars darstellten und nicht von Kontaminationen herrührten. Es stellt sich die Frage wie Gerald Soffen und andere Wissenschaftler wohl die Viking-Experimente zur Feststellung von Leben interpretiert hätten, wenn sie über diese Informationen bereits verfügt hätten. Andererseits wurde ebenso deutlich, wie hoch die UV- und Ionen-Strahlung auf der Oberfläche des Mars ist. Wie könnte unter diesen Umständen Leben existieren?
Doch die NASA überwand ihr altes Mantra nach Wasser zu suchen und begann auf dem Mars nach organischen Verbindungen zu suchen um Leben zu finden. Die erste Mission, die darauf ausgelegt war, nach organischen Verbindungen zu suchen, war der Curiosity Rover, der im Jahre 2011 startete. Er entdeckte eine ganze Reihe organischer Verbindungen, von denen etliche aus schwefelreichem organischen Stoffen bestanden, die als Thiophene bezeichnet werden. Wissenschaftler, darunter auch welche aus einem Projekt unserer Forschungsgruppe, skizzierten sowohl mögliche biogene als auch abiogene Entstehungswege für die Thiophene.
In der Zwischenzeit ging auch auf der Erde die Forschung in Mars-analogen Umgebungen weiter, besonders in Gegenden, in denen es Perchlorate sowie Mineralien und chemische Verbindungen gibt, wie sie von den Rovern, Landefähren und Orbitern auf dem Mars gefunden worden waren. Weitere analoge Studien auf der Erde wurden im Zusammenhang mit einem Projekt durchgeführt, in dessen Verlauf man in den trockensten Gebieten der Atacama-Wüste, in denen die jährliche Regenmenge weniger als 2 mm beträgt, immer noch temporäre Lebensräume von Mikroben feststellte. In diesen Gegenden gibt es auch Salzgesteine, in denen mikrobielles Leben existiert, das sein Wasser unmittelbar aus der Atmosphäre bezieht. Mit Hilfe hygroskopischer Minerale wie z. B. Natriumchlorid sind bestimmte Mikroben dazu in der Lage, indem sie sich einen physikalischen Prozess zunutze machen, den man als Deliqueszenz bezeichnet. Im Verlaufe dieses Prozesses wird eine ausreichende Menge Wasser aus der Atmosphäre bezogen, um eine sehr salzreiche wässrige Lösung zu erzeugen. Eine derartige Form der Anpassung wäre auch für mögliche Mikroben auf dem Mars nützlich, um die kritische Menge an Wasser aus der Atmosphäre zu beziehen. Die Viking-Landefähren haben Bodenfrost und Nebel beobachtet, was bedeutet, dass in bestimmten Regionen des Mars die relative Luftfeuchtigkeit hoch genug für Deliqueszenz ist.
Wie ist nun der Stand der Dinge? Zwei ambitionierte Mars-Missionen sollten dieses Jahr beginnen. Die erste ist die Mars 2020 Mission der NASA, die nach wie vor für den Juli dieses Jahres vorgesehen ist. Diese Mission ist mit einem Bohrer ausgestattet, der in der Lage ist, Bodenproben zu entnehmen und sie in einem „Zwischenlager“ auf dem Mars zu deponieren, damit sie später einmal von dort zur Erde gebracht werden können. Die Mars 2020 Mission ist auch die erste Mission, die ein Raman-Spektrometer verwenden soll, um auf dem Mars organische Verbindungen zu finden. Die zweite, noch spannendere Mission ist die ExoMars-Mission der ESA. Der zweite Teil dieser Mission besteht aus dem Rosalind Franklin Rover, der eigentlich ebenfalls in diesem Jahr starten sollte, aber dessen Start auf 2022 verschoben wurde. Ein Ziel dieser Mission ist es nach Anzeichen für vergangenes Leben auf dem Mars zu suchen. Das Fahrzeug wird mit einem 2-Meter Kernbohrer ausgestattet sein und trägt zusätzlich den Mars Organic Molecule Analyzer (MOMA), bei dem es sich um ein Instrument handelt, dass auf einem Massenspektrometer beruht und in der Lage ist, organische Verbindungen in einer Größenordnung von bis zu 10 ppb (10 Teilen pro Milliarde) festzustellen. Man hofft, so Biosignaturen entdecken zu können – das wäre der Nachweis für vergangenes Leben auf dem Mars. Damit kommt man den Experimenten zur Entdeckung von Leben am nächsten, die Ende der 70er Jahre von der Viking Mission durchgeführt wurden.
Vielleicht kommt es diesmal zu entscheidenden Ergebnissen, mit denen sich die Frage nach Leben auf dem Mars beantworten lässt. Im Falle eines positiven Befundes hätten wir endlich eine Antwort auf die uralte philosophische Frage der Menschheit: Sind wir allein im Universum?
Marsvulkan Olympus Mons
Der Olympus Mons auf dem Mars ist der größte und beeindruckendste Vulkan im Sonnensystem. Er gehört zum Typus der Schildvulkane und liegt über einem „Hotspot“.
Er gilt als erloschen, vielleicht ruht er aber auch bloß. Wie auch auf der Erde, spielen Vulkane auf dem Mars eine wichtige Rolle in der Planetengeschichte.
Dennoch ist diese Geschichte völlig anders verlaufen. Mehr...
Text: Prof. Dr. Dirk Schulze-Makuch (Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum | GFZ)
Referenzen
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Weiterführende Informationen
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Webseite der Research Group Astrobiology an der TU Berlin
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DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.029
Veröffentlicht: 10.06.2020, 7. Jahrgang
Zitierhinweis: Schulze-Makuch, D. (2020, 10. Juni). Trocken und kalt: Suche nach Leben auf dem Mars. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de], 7. doi:10.2312/eskp.029