Ein wesentlicher Faktor für eine Reduzierung von CO2-Emmissionen, ist der Aufbau unabhängiger, eigenständiger Messsysteme für den Ausstoß von CO2. Nur so erhält das Pariser Abkommen einen tragfähigen Rahmen, um Veränderungen bei CO2-Emmisionen transparent und damit nachvollziehbar zu dokumentieren. Warum das nötig ist, zeigt ein Blick nach China. Im Dezember 2011 berichtet eine Studie über eine 1,4 Gigatonnen-Lücke zwischen regionalen und nationalen CO2-Inventaren in China. Im August 2015 wiederum korrigiert eine Studie Chinas CO2-Emmissionen nach unten auf der Basis neuer Kohle-Emissionsfaktoren. Im November 2015 wird Chinas Kohleverbrauch dann um 20 Prozent durch die chinesische Regierung nach oben korrigiert, um ein realistischeres Bild der chinesischen CO2-Emissionen zu vermitteln. Die neuesten Berichte zeigen, dass wir global gesehen aus dem Jahr 2017 mit einem Zuwachs an Kohlendioxid-Emissionen gehen werden, der ganz wesentlich auf China zurückzuführen ist.
Traue keiner Statistik, die…
Das Beispiel zeigt: Die Grundlage für die Bemessung von CO2-Reduktionen bilden in der Regel eigenerhobene statistische Daten der CO2-Emmittenten. Sie basieren hauptsächlich auf Statistiken über die Energienutzung, die für verschiedene Sektoren erhoben wurden. Der größte Nachteil der Selbstberichterstattung ist, dass deren Richtigkeit und Vollständigkeit nicht unabhängig beurteilt werden kann. Die gemeldeten Zahlen bieten nur eine eingeschränkte Transparenz und lassen sich untereinander nur begrenzt vergleichen. Gerade für Entwicklungsländer ist die Datenlage häufig unzureichend und dementsprechend nur eingeschränkt aussagekräftig.
Für die Akzeptanz der Klimaanstrengungen in den einzelnen Ländern aber auch für künftige Klimakonferenzen ist es nötig, genau an dem Punkt der Vergleichbarkeit und Vereinheitlichung von Daten anzusetzen. Ein weltweites Umweltmonitoring mittels Satelliten-gestützter-Messsysteme, eines engmaschiges Netz an atmosphärischen Messungen und Modellierungen des Kohlenstoffflusses bieten die Chance, dafür die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Wir laufen dann nicht Gefahr Anstiege der CO2 Konzentrationen, auch solche natürlichen Ursprungs, schlichtweg zu verpassen oder falsch zuzuordnen.
Natürliche Variabilität im Klimasystem
Die natürliche Variabilität und die großen Verzögerungen im Klimasystem sind in der Tat die größte Herausforderung für Wissenschaftler. Tatsächliche und dauerhafte Anstiege der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und die natürliche Variabilität auseinander zu dividieren ist, bezogen auf die, aus klimatischer Sicht sehr kurzen, 5-Jahres-Managementzyklen im Pariser Abkommen, immens kompliziert. Zentral ist ein Verständnis der jährlichen und dekadischen Veränderung der Quellen und Senken für CO2. Bleiben die großen Quellen der CO2-Anstiege im Ungewissen, lassen sich keine wirksamen Maßnahmen ableiten. Allein mit atmosphärischen CO2-Messungen und Kohlenstoffzyklusmodellen ist dies für die kurzen Managementzeiträume nicht zu bewerkstelligen.
Einen vielversprechenden Ansatz bietet die Nutzung von Satelliten-gestützten Beobachtungssystemen. Dies könnte beispielsweise durch eine entsprechende Ergänzung des Copernicus-Programms für den Wirkungsbereich der EU entwickelt werden. Schon heute bieten die Daten, welche beispielsweise von den Sentinel-Satelliten erhoben werden, die Möglichkeit, räumlich statistische-Modelle für einzelne Länder und Regionen zu erarbeiten, um dort Veränderungen bei CO2 festzuhalten. Ein bekannter Satellit ist zudem ACOS-GOSAT (Japan's Greenhouse Gases Observing Satellite). Es misst die CO2-Konzentration oberflächennah in zwanzig verschiedenen Luftdruckschichten, dreht sich dabei synchron zur Sonne. Nach drei Tagen hat er die Erde abgedeckt und ist praktisch zentimetergenau am gleichen Punkt angelangt. Schwierig ist es jedoch Veränderungen der CO2-Konzentration einzelnen Quellen und Senken zuzuordnen.
Um ein verlässliches Gesamtbild entstehen zu lassen, müssen mehr Informationen gesammelt werden, so auch Daten zur Veränderung der Vegetationsbedeckung und Landnutzung sowie zur Vitalität der Pflanzen. Klar muss werden, ob die Ökosysteme netto mehr CO2 aufnehmen oder aber letztendlich durch die Zerstörung von Wäldern, den natürlichen Abbau von Pflanzenresten und den Stoffwechsel der Pflanzen mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt. Zentral ist es den global wichtigsten Fluss von Kohlendioxid zwischen den Ökosystemen, also vor allem den Böden, Wäldern, Ozeanen und der Atmosphäre im Detail zu bemessen. Noch sind die verfügbaren Satellitendaten dafür zu spärlich. Pflanzen und Ozeane nehmen bekanntlich CO2 in großen Mengen auf, setzen es aber eben direkt und indirekt auch frei. Der zusätzliche Eintrag von Kohlendioxid durch den Menschen ist im Verhältnis zum Fluss zwischen den Ökosystemen gering, unterm Strich jedoch bedeutend.
Den großen Fluss vor allem während der kurzen Managementzeiträume zu verstehen ist essentiell, wie das Beispiel aus dem Jahr 2015/2016 zeigt. Hier war ein Rekordanstieg des atmosphärischen CO2 zu verzeichnen, obwohl die menschgemachten Emissionen weltweit nicht zunahmen. Es stellte sich heraus, dass es sich um ein Phänomen handelte, welches schon bei anderen El-Niño-Ereignissen beobachtet wurde. Durch die mit dem Ereignis einhergehende Trockenheit und Hitze wurde weniger CO2 von den terrestrischen Ökosystemen aufgenommen. Ob nun El Niño oder aber die Rodung von Waldland zugunsten von Agrarflächen Ursache für einen CO2-Anstieg ist, sind entscheidende Parameter. Auch sind die wärmer werdenden Meere vielleicht nicht immer als Senke für CO2 voll ausschöpfbar. Rein theoretisch wäre die atmosphärische CO2-Konzentration um die Hälfte höher (+ 200ppm), gäbe es keine Ozeane zur Aufnahme des Gases. Satellitendaten werden helfen, diese CO2-Flüsse besser, auch für kürzere Zeiträume, zu interpretieren. Ein weiterer Baustein ist dabei die Messung bodennaher Stickstoff-Konzentrationen mit Satelliten. Stickstoff wird bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe zusammen mit CO2 emittiert; ist also ein wichtiger Indikator für letzteres.
Die geschätzten Raum-Zeit-Effekte für die genannten Kovariablen* können somit zur quantitativen Abschätzung des CO2-Flusses in und aus dem Ökosystem und des anthropogenen Einflusses genutzt werden. Erste Ergebnisse der Forschung sind ermutigend: die Modelle, basierend auf Satellitendaten, des Forscherteams um Prof. Dr. Reimund Schwarze stimmen mit den Berichten der Länder an UNFCCC und Energiebilanzmodellen der EU (EDGAR) grundsätzlich überein. Ein objektiveres System wird sich kaum finden lassen. Ließe sich zukünftig aus den offiziell gemeldeten, statistisch errechneten Emissionen und den objektiv gemessenen Satellitendaten bzw. Modellierungen jedoch eine große Diskrepanz ersehen, dann können die "Betrüger" im Meldesystem entlarvt werden. "Naming and Shaming", d.h. die öffentliche Anklage der größten Treibhausgas-Verursacher, ist mit diesen verlässlichen Daten, ein Hebel zum Klimaschutz.
Die Vertragsstaaten müssen sich nun noch auf die langfristige Nutzung weniger Satelliten einigen. Doch nationale Interessen wiegen hier schwer, denn die Erhebung der Daten bringt Geld und Prestige. Viel hängt an der nächsten großen Etappe im Klimaschutz: dem Regelwerk ("Rule Book") für die Bestandsaufnahme der Minderungsambitionen.
* Net Ecosystem Exchange:
- Oberflächennahe CO2-Konzentration
- Brutto-Primärproduktion der Pflanzen
- Normalisierter differenzierter Vegetationsindex (NDVI)
- Landnutzungsänderung
Quellen
Vetter, P., Schwarze, R. und W. Schmid (2015) : Spatio-temporal statistical analysis of the carbon budget of the terrestrial ecosystem. DOI: 10.1007/s10260-015-0342-7. Link
Peter, G. et al. (2017): Towards real-time verification of CO2 emissions. Nature Climate Change 7, 848–850. Link
Vortrag 7. REKLIM Konferenz 2017: Wohin geht die Reise in der internationalen Klimapolitik? Weltklimapolitik ohne die USA. (Prof. Dr. Reimund Schwarze)