Eine neue Eiszeit steht der Erde nicht bevor. Ein solches Szenario wie im Hollywood-Film "Day after Tomorrow" ist laut Peter Lemke vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) "völlig irrational." Stattdessen steigen die global gemittelten Temperaturen seit Jahren deutlich an, ein Ende oder gar Umkehr der Entwicklung ist nicht in Sicht. Der Klimawandel ist in der Wissenschaft unumstritten und wird auch vom überwiegenden Teil der Bevölkerung nicht angezweifelt. Klimaprojektionen bis zum Jahr 2100 sagen eine verstärkte Erwärmung bis zu 4°C voraus, erklärt Lemke, wissenschaftlicher Koordinator des Forschungsverbundes "Regionale Klimaänderungen - Ursachen und Folgen" (REKLIM). REKLIM wurde 2009 mit dem Ziel gegründet, die regionalen Auswirkungen und Folgen des Klimawandels mit dem Fokus auf Deutschland und Westeuropa zu untersuchen. REKLIM ist ein Verbund von neun Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft und neun universitären Partnern.
"Ein heißer Sommer, wie zuletzt 2003, wird bereits 2030 zur Normalität gehören", sagt Lemke. Der Meeresspiegel steigt derzeit um 3,2 mm pro Jahr und wird bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 90 cm steigen. Zwar hat es Klimaänderungen im Laufe der Erdgeschichte immer wieder gegeben, doch waren hierfür natürliche Ursachen verantwortlich. Menschliche Aktivitäten, wie der weltweit zunehmende CO2-Ausstoß, stellen heute die Hauptverursacher des beobachteten Klimawandels dar.
Klimaänderungen haben jedoch eine deutliche regionale Ausprägung. Auf der 5. REKLIM-Regionalkonferenz Ende September 2015 in Bremen lag der Fokus nun auf den Auswirkungen des Klimawandels auf den Küstenraum. Nicht ohne Grund: Kein Meer hat sich beispielsweise in den letzten 20 Jahren so verändert wie die Nordsee. Verantwortlich hierfür sind anthropogene Faktoren, wie beispielsweise die Fischerei, aber auch der Klimawandel. Seit 1960 hat sich das Meer um 1,2 bis 1,7°C erwärmt. Auswirkungen auf die Artengemeinschaften und Artenvielfalt sind nach Angaben von Karen Wiltshire (AWI) die Folge. "Das Ökosystem verliert an Produktivität und Stabilität", sagt die Direktorin der Biologischen Anstalt Helgoland und Wattenmeer-Station List (Sylt) des AWI, Wiltshire. Heute noch wichtige Nutzfische verlieren an Bedeutung, da sie in ihrem angestammten Gebiet nicht überleben können und nach Norden ausweichen. Andere Arten können dadurch ihre Nahrungsgrundlage verlieren, was wirtschaftliche Folgen für die in den Küstenregionen lebenden Menschen hat. Eine weitere Folge der veränderten Biodiversität für den Menschen kann das vermehrte Auftreten von Algenblüten sein.
Kein Modell berechnet einen Temperaturrückgang für die Zukunft
Auch werden die Sommer in Norddeutschland immer wärmer. Unterschiedlichen Auswertungen zufolge liegt der Erwärmungstrend seit den 1950er Jahren für Norddeutschland bei etwa 0,2°C pro Dekade. Für Insa Meinke, Leiterin des Norddeutschen Klimabüros am Helmholtz-Zentrum Geesthacht, kann sich die mittlere jährliche Lufttemperatur innerhalb der nächsten 30 Jahre um 0,5 bis 1,8°C erhöhen. Die ermittelten Daten sind laut Lemke als zuverlässig anzusehen: "Es existiert kein Modell, das einen Temperaturrückgang für die Zukunft berechnet."
Die Folgen des Klimawandels sind hinlänglich bekannt und erkannt, die möglichen Lösungswege sind ermittelt. Was spricht also gegen eine schnelle Lösung der Probleme beispielsweise durch die Umstellung der Energieproduktion? "Das Problem des Klimawandels ist Politikern bewusst, nur haben sie andere Probleme, die für sie drängender sind und eher Finanzmittel benötigen", sagt Lemke. Für AWI-Direktorin Katrin Lochte ist es durchaus nachvollziehbar, dass es der Politik teilweise aus finanziellen Gründen schwer fällt, sinnvolle Maßnahmen umzusetzen und empfiehlt daher regionale Aktivitäten. "Es gibt Dörfer, die sich CO2-neutral aufgestellt haben. Im Moment sind es allerdings noch isolierte Aktivitäten." Zudem muss sich laut Lochte die Wissenschaft noch mehr verpflichtet fühlen, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Die Helmholtz-Gemeinschaft hat sich dies bereits vor Jahren in ihr Leitbild geschrieben und die Wissenschaft im Allgemeinen entwickelt sich immer mehr in diese Richtung.
5. REKLIM-Regionalkonferenz in Bremen
An der REKLIM-Konferenz im Alten Pumpwerk in Bremen nahmen 150 Besucher teil, von denen mehr als Zweidrittel aus dem Bereich der gesellschaftlichen Akteure kamen: Vertreter aus Politik und Behörden, von Umweltverbänden und der Wirtschaft. Insgesamt zehn Fachvorträge zu unterschiedlichen Fragen rund um das Thema Küste, darunter drei Vorträge von gesellschaftlichen Akteuren wurden den Zuhörern präsentiert. Von globalen bis zu regionalen Fragestellungen, über Stürme, konkrete Klimadaten für die Praxis bis hin zur Frage der Wahrnehmungsproblematik von Klimawandel; ein facettenreiches Programm lud zur Diskussion und zum Austausch ein.
"Um den Herausforderungen durch steigende Temperaturen und Meeresspiegel bei unseren langfristigen Planungen zu begegnen, brauchen wir fundierte wissenschaftliche Daten und Prognosen. Die REKLIM-Konferenz bietet eine hervorragende Dialog-Plattform, um mehr über Möglichkeiten und Grenzen der Forschung zu erfahren und die Bedürfnisse der Gesellschaft herauszuarbeiten", sagt Dr. Joachim Lohse, Bremens Senator für Umwelt, Bau und Verkehr. Lohse diskutierte zu diesem Themenfeld gemeinsam mit Gerd-Rüdiger Kück (Staatsrat bei der Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz) sowie Uwe Dahl (Geschäftsführer von Bremens Wasser Ver- und Entsorgungsbetrieb hanseWasser) auf dem Podium mit AWI-Direktorin Lochte und REKLIM-Koordinator Lemke auf der Konferenz aus.
Text: Karl Dzuba (GFZ); fachliche Durchsicht und Ergänzungen Klaus Grosfeld (REKLIM/AWI), Renate Treffeisen (AWI)
Weiterführende Informationen
Helmholtz-Verbund Regionale Klimaänderungen (REKLIM)