Die physikalischen und chemischen Prozesse, die unser Klima bestimmen, sind vielfältig. Wechselbeziehung und Rückkopplungsmechanismen zwischen den verschiedenen Einzelprozessen führen dazu, dass unser Klima ein komplexes System bildet.
Die Vorhersage des Klimawandels geschieht daher mittels komplexer Computer-Modelle. Diese hochmodernen Rechenmodelle berücksichtigen eine Vielzahl klimarelevanter Einzelprozesse. Aufgrund der limitierten Rechenkapazitäten müssen jedoch gerade bei der Integration komplexer Rückkoppelungsprozesse Vereinfachungen gemacht werden. Diese notwendigen Vereinfachungen können sich negativ auf die Vorhersagekraft auswirken und zu beträchtlichen Unterschieden in der Aussage unterschiedlicher Modellsimulationen führen.
In gängigen Klimamodellen wird z.B. die komplexe Wechselbeziehung zwischen atmosphärischer Zirkulation und Ozonverteilung und deren Auswirkung auf den globalen Strahlungshaushalt nicht berücksichtigt, sondern lediglich eine angenommene Ozonverteilung vorgeschrieben. Die Klimamodelle werden mit dieser vorgeschriebenen Ozonverteilung zunächst für die klimatischen Bedingungen der vorindustriellen Zeit über mehrere Jahrzehnte gerechnet (Abbildung 1 A). Dann wird die Kohlendioxid-Konzentration abrupt vervierfacht (die sogenannte „abrupte 4x Kohlendioxid Methode“) und die Auswirkungen auf das Klima über einen Folgezeitraum berechnet (Abbildung 1 C).
Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Cambridge haben nun gezeigt, dass gerade die Vernachlässigung der stratosphärischen Ozonchemie eine Lücke in gängigen Klimamodellen bildet. Die Vorhersagekraft der Modelle kann deutlich verbessert werden, wenn die Ozonverteilung gemäß der physikalisch-chemischen Gesetzmäßigkeiten im Klimamodell interaktiv Schritt für Schritt errechnet wird.
Ozon spielt eine wichtige Rolle für den Strahlungshaushalt der Erde, da es einen großen Teil der solaren, ultravioletten (UV-) Strahlung absorbiert und in Wärme umwandelt. Dies führt zu einer Temperaturinversion in der Atmosphäre, die untere Stratosphäre ist wärmer als die obere Troposphäre. Ozon bildet sich dabei überwiegend in der tropischen Stratosphäre, wird aber durch die atmosphärische Zirkulation polwärts transportiert, so dass die Wechselwirkung zwischen Ozonbildung und Transport in der Atmosphäre für die globale Verteilung von Ozon und damit für den globalen Strahlungshaushalt sehr wichtig ist.
Geringere Erwärmung der Erdoberfläche
Die neue Studie zeigt, dass die modellierte globale Erwärmung infolge des abrupten CO2 Anstiegs geringer ausfällt, wenn die Ozonchemie im Modell berücksichtigt wird (Abbildung 1, Graph B). Dieser Unterschied ist hauptsächlich auf Koppelungen zwischen Temperatur, Ozonverteilung und Strahlungshaushalt zurückzuführen: Infolge des abrupten CO2 Anstiegs steigt zunächst die globale Bodentemperatur, wodurch in den Tropen vermehrt Luft in die Stratosphäre aufsteigt. Diese Beschleunigung der atmosphärischen Zirkulation, der sogenannte Brewer Dobson Zirkulation, ist allen gängigen Modellen eigen. Nicht berücksichtigt wird in diesen Modellen jedoch, dass sich in der schneller aufsteigenden Luft weniger Ozon bilden kann. Somit kommt es zu einer lokalen Verdünnung der Ozonkonzentration in der unteren Stratosphäre. Diese Verdünnung hat zwei wichtige Effekte. Zum einen nimmt die lokale Erwärmung ab, da weniger Ozon vorhanden ist. Es kommt zu einer signifikanten Abkühlung der unteren bis mittleren Stratosphäre im Bereich der Tropen. Zum anderen verändert sich die Position der Tropopause, also des Übergangs zwischen oberer Troposphäre und unterer Stratosphäre, und somit die Position des Temperaturminimums.
Die neue Studie zeigt, dass die größten Ozonverluste und Abkühlung der unteren Stratosphäre im Bereich der Tropopause also in etwa 18 km Höhe liegen. Dadurch kommt es zu einem weiteren Effekt, nämlich dem verstärkten Ausfrieren des in der aufsteigenden Luft enthaltenen Wassers. Wasserdampf ist jedoch eines der wichtigsten Treibhausgase. Das Ausfrieren hat zur Folge, dass nur noch sehr trockene Luft in die Stratosphäre gelangt und somit der Abkühlungseffekt verstärkt wird. Außerdem bilden sich Zirren, die einen direkten Effekt auf den Strahlungshaushalt der Erde haben, da sie einen Großteil der einfallenden Strahlung reflektieren. Letztlich führen diese Effekte zu einer geringeren Erwärmung der Erdoberfläche.
Die Studie verdeutlicht, dass die Ozonchemie im Bereich des Übergangs der oberen Troposphäre in die untere Stratosphäre in den Tropen von großer Bedeutung für den globalen Strahlungshaushalt der Erde ist. Klimamodelle sollten daher die Ozonchemie in diesem Bereich realistisch abbilden. Allerdings reagieren verschiedene Klimamodelle gerade in diesem Übergangsbereich unterschiedlich stark auf initiierte Änderungen des Klimazustandes. Ein tiefes Prozessverständnis ist daher unumstößlich für den Vergleich von Modellaussagen.