Mit dem fortschreitenden Klimawandel steigen nicht nur die Temperaturen. Auch Klimaextreme und Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen, Dürren und Wirbelstürme haben weltweit zugenommen (z. B. IPCC, 2014; Vautard et al., 2020). Zusätzlich hält mit der Corona-Pandemie ein weiteres Extremereignis die Welt seit Beginn des Jahres in Aufruhr.

Diese und andere Extremereignisse bringen große Herausforderungen für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik mit sich. Treten mehrere solcher Extremereignisse parallel und in Kombination auf, können die Herausforderungen, mit diesen umzugehen, um ein Vielfaches wachsen.

Multi-Risiko-Szenarien stellen Behörden vor erhöhte Herausforderungen

Dies machte zum Beispiel der Wirbelsturm Amphan deutlich, der im Mai 2020 Indien und Bangladesch erreichte. Mitten in der Corona-Pandemie mussten drei Millionen Menschen in Notunterkünfte fliehen. Die Berücksichtigung von Abstandsregeln in solchen Unterkünften stellte die Behörden jedoch vor besondere Herausforderungen. Auch Aufräumarbeiten fanden aufgrund der Corona-Beschränkungen unter erschwerten Bedingungen statt.

Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, wie wichtig das Beachten von Zusammenhängen, Wechselwirkungen und Abhängigkeiten beim Umgang mit Extremereignissen und anderen Gefahren sowie Naturkatastrophen sind. So werden etwa geeignete Räumlichkeiten für Notunterkünfte nicht nur für Opfer von Naturkatastrophen benötigt, sondern auch bei gesundheitlichen Gefahren wie einer Pandemie als Quarantänestation oder zur Krankenversorgung. Hohe Staatsausgaben zur Pandemiebekämpfung können die staatlichen Unterstützungsmöglichkeiten für den Wiederaufbau nach Naturkatastrophen beeinflussen. Eine hohe Auslastung der Krankenversorgung durch gleichzeitig auftretende (Natur-) Katastrophen kann die Gesundheitssysteme stark belasten. Bei einer Überlappung der Risikogruppen, zum Beispiel für hitzebedingte Gesundheitsauswirkungen und schwerere Verläufe von Viruserkrankungen wie COVID-19, erhöht sich die Belastung des Gesundheitssystems noch mehr. Viele weitere Verflechtungen sind möglich.

Klimawandel kann Verletzlichkeit gegenüber weiteren Extremereignissen erhöhen

Die Zusammenhänge und Wechselwirkungen verschiedener Extremereignisse miteinander sind komplex. Sie können auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Ebenen auftreten. Langfristige Veränderungen des Klimas können eine Gesellschaft besonders verletzlich gegenüber kurzfristigen Extremwetterereignissen machen. Zum Beispiel können Problemlagen durch Ernteeinbußen, Nahrungsmittelknappheit und dadurch eventuell wirtschaftliche Instabilität in einer von Klimaextremen wie Dürren geplagten Region durch ein zusätzlich auftretendes Extremwetterereignis, wie z. B. einem Wirbelsturm, verstärkt werden.

Um solche zusammenhängenden Risiken einschätzen zu können, ist häufig ein detailliertes Verständnis der globalen sowie der lokalen Systeme und Gegebenheiten notwendig. Eine möglichst realistische Einschätzung der Risiken ist sowohl für Politik als auch Gesellschaft besonders wichtig. Erst das Erkennen von Risikofaktoren und Risikogebieten kann eine effektive Prävention, Vorbereitung und Unterstützung beim Auftritt von Extremereignissen ermöglichen.

Multi-Risiko-Belastungen identifizieren

Am Climate Service Center Germany (GERICS) wurde eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, auf einen Blick Regionen zu identifizieren, die von mehreren Risikofaktoren betroffen sind. Dabei können diese klimatischer oder nicht-klimatischer Natur sein und sich auf heutige Gegebenheiten oder voraussichtliche zukünftige Änderungen beziehen (Pfeifer et al., 2019).

Risikofaktoren können individuell definiert werden. Sie können beispielsweise die Über- oder Unterschreitung eines Grenzwertes anzeigen oder über ein kritisches Maß projizierter Änderungen einer klimatischen Größe definiert sein.

Die Methode basiert auf einer additiven Farbmischung der drei Grundfarben rot, blau und grün, wobei jeder Farbe ein Risikofaktor zugeordnet ist. Regionen, die von mehreren Risikofaktoren betroffen sind, werden auf einer Karte mit den entsprechenden Mischfarben gekennzeichnet.

Ein Beispiel gibt Abbildung 1. Hier sind Europäische Regionen dargestellt, in denen unter einer globalen Erwärmung von 3°C in Bezug zu vorindustrieller Zeit eine signifikante Zunahme der tropischen Nächte (blau) und der Sommertage mit intensiven Niederschlagsereignissen (grün) in Bezug auf den Zeitraum von 1979 bis 2000 wahrscheinlich sind. Um eine gesellschaftliche Relevanz dieser zukünftigen klimatischen Änderungen darstellen zu können, werden die Regionen hervorgehoben, in denen die Bevölkerungsdichte bereits heute bei Werten von mehr als 100 Einwohnern pro Quadratkilometer liegt (rot).

Damit kann man aus der Abbildung erkennen, dass der Europäische Süden mehr von der Zunahme der Hitze betroffen sein wird (blau), während der Nordosten Europas eine Zunahme der sommerlichen Starkniederschläge erwarten kann (grüne Regionen). Außerdem sieht man anhand der Mischfarben Regionen, in denen sich die drei Komponenten überlappen, es also mehrere „Risikofaktoren“ gibt. Türkisfarbene Regionen kennzeichnen den Übergangsbereich, für den sowohl mehr Sommertage mit intensiven Niederschlagsereignissen, als auch eine Zunahme der tropischen Nächte projiziert werden. in den pinkfarbenen Regionen werden besonders viele Menschen vom nächtlichen Hitzestress betroffen sein, wohingegen gelbe Regionen (hier im Wesentlichen der Großraum Moskau) anzeigen, wo eine besonders hohe Populationsdichte mit einer Zunahme der Sommertage mit intensiven Niederschlagsereignissen einhergeht. Weiße Regionen, von denen sich in Abbildung 1 einige in den Ballungsräumen Zentraleuropas finden, zeigen eine Überlappung aller drei Komponenten und somit Regionen mit der höchsten Belastung.

Wissen als Basis für vorausschauendes Handeln

Die Darstellung und das Verständnis der Auswirkungen von Extremereignissen sind für die Bevölkerung wie auch Politik wichtig, um Handlungsoptionen und Strategien zu entwickeln um mit diesen Risiken und Ereignissen umzugehen.

Da zum Beispiel die Folgen des Klimawandels regional sehr unterschiedlich zu spüren sind (IPCC 2014), sind regionale Datenanalysen zur Risikoabwägung notwendig. In Ländern mit verletzlicher Infrastruktur und/oder Landwirtschaft können die Auswirkungen von Extremwetterereignissen besonders groß sein.

Die Multi-Risk Bedrohungslage in Afrika

Ein Kontinent, der durch den Klimawandel und damit einhergehenden Klimarisiken wie Hitzewellen, Dürren und extreme Niederschläge besonders zu leiden hat, ist Afrika. Eine Studie des GERICS zu kombinierten Klimarisiken und Bevölkerungsentwicklung in Afrika zeigt, dass im Vergleich zu heute die Exposition der Bevölkerung gegenüber derartigen Ereignissen, je nach Emissions- und Bevölkerungsentwicklungsszenario, in Zukunft um das 12- bis 47-fache steigen könnte (Weber et al., 2020).

Die Ergebnisse zeigen weiter, dass Westafrika sowie die zentral-östlichen Regionen Afrikas von den Expositionsveränderungen gegenüber Klimarisiken besonders betroffen sein könnten. Dabei wird eine zunehmende Exposition der Bevölkerung hauptsächlich durch die Wechselwirkung zwischen Klimaänderungen und Bevölkerungswachstum verursacht, sowie durch das Bevölkerungswachstum allein. Als Beispiel ist die räumliche Expositionsverteilung gegenüber gleichzeitig auftretenden Hitzewellen und Dürren sowie deren Veränderung unter zwei verschiedenen Szenarien in Abbildung 2 dargestellt.

In der Studie wurden zunächst die möglichen Veränderungen der Häufigkeiten von Hitzewellen, Dürren und extremen Niederschlägen, die in verschiedenen Kombinationen zeitgleich oder zeitversetzt auftreten können, untersucht. Anschließend wurde die Exposition der afrikanischen Bevölkerung für jedes kombinierte Ereignis berechnet. Dazu wurde die über eine 30-jährige Zeitperiode gemittelte Häufigkeit eines kombinierten Ereignisses bestimmt und mit der über diese Periode gemittelten Anzahl der in diesem Gebiet lebenden Personen multipliziert.

Als Datenbasis wurden Reanalysedaten, ein CORDEX-CORE Ensemble aus fünf verschiedenen regionalen Klimamodellsimulationen – basierend auf jeweils einem niedrigen (RCP2.6) und einem hohen (RCP8.5) Emissionsszenario – sowie die Projektionen der Bevölkerungsentwicklung aus zwei verschiedenen sozioökonomischen Szenarien (SSP1 und SSP3) verwendet. Das Klimamodellensemble umfasst dabei zwei verschiedene regionale Klimamodelle, welche die globalen Projektionen von bis zu drei unterschiedlichen Erdsystemmodellen als Antrieb nutzen.

Herkömmliche Methoden zur Risikobewertung berücksichtigen in der Regel jeweils nur einen Treiber und/oder eine Gefahr, was zu einer Unterschätzung des Risikos führen kann. Die Ursache dafür ist, dass die Prozesse, welche die Extremereignisse verursachen, häufig miteinander interagieren und räumlich und/oder zeitlich voneinander abhängig sind (Zscheischler et al., 2018). Dies wird durch die Berücksichtigung von kombinierten Extremereignissen in der Datenanalyse vermieden. Entsprechende Forschungsarbeiten können somit ein wertvolles Werkzeug zur Risikoabschätzung darstellen. Sie helfen somit, die staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen für die Zukunft widerstandsfähiger zu gestalten, denn das kombinierte Auftreten von Extremereignissen kann die Herausforderungen für Staat und Gesellschaft um ein Vielfaches steigern.

Text: Tina Kroenert, Susanne Pfeifer, Sebastian Sonntag, Torsten Weber (Climate Service Center Germany – GERICS)

Referenzen

  Pfeifer, S., Rechid, D., Reuter, M., Vikor, E & Jacob, D. (2019). 1.5°, 2°, and 3° global warming: visualizing European regions affected by multiple changes. Regional Environmental Change, 19, 1777-1786. doi:10.1007/s10113-019-01496-6

  Vautard, R., van Aalst, A., Boucher, O., Drouin, A., Haustein, K., Kreienkamp, F., … Wehner, M. (2020). Human contribution to the record-breaking June and July 2019 heatwaves in Western Europe. Environmental Research Letters, 15(9):094077. doi:10.1088/1748-9326/aba3d4

  Weber, T., Bowyer, P., Rechid, D., Pfeifer, S., Raffaele, F., Remedio, A. R., Teichmann, C. & Jacob, D. (2020). Analysis of Compound Climate Extremes and Exposed Population in Africa Under Two Different Emission Scenarios. Earth’s Future, 8(9):e2019EF001473. doi:10.1029/2019EF00147

  Zscheischler, J., Westra, S., Van Den Hurk, B. J. J. M., Seneviratne, S. I., Ward, P. J., Pitman, A., AghaKouchak, A., Bresch, D. N., Leonard, M., Wahl, T. & Zhang, X. (2018). Future climate risk from compound events. Nature Climate Change, 8(6), 469-477. doi:10.1038/s41558-018-0156-3

DOI
https://doi.org/10.48440/eskp.055

Veröffentlicht: 28.12.2020, 7. Jahrgang

Zitierhinweis: Krönert, T., Pfeifer, S., Sonntag, S. & Weber, T. (2020, 28. Dezember). Kombinierte Gefahrenlagen durch den Klimawandel. Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 7. doi:10.48440/eskp.055

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