Allein aufgrund des steigenden Meeresspiegels werden auf den Pazifischen Inseln immens viele Menschen ihren angestammten Wohnort verlassen müssen. Nach Berechnungen der renommierten London School of Economics werden es bis zum Jahre 2050 bis zu 1,7 Millionen Menschen sein, das wäre fast ein Sechstel der dort ansässigen Bevölkerung. Die United Nations Convention on the Status of Refugees erkennt den Klimawandel bisher nicht als offiziellen Fluchtfaktor an. Die Folge: Wenn sich in einzelnen Regionen die dortigen Umweltbedingungen verschlechtern, bleibt dies als Fluchtgrund unberücksichtigt. Daher sind „Klimaflüchtlinge” vorerst ohne Status im Ausland und werden kaum anerkannt. Bei der diesjährigen UN-Klimakonferenz COP 23 in Bonn hat die Republik Fidschi den Vorsitz. Als eines der ersten Länder weltweit hat der Inselstaat ganze Dörfer umgesiedelt. Mit einer heute schon direkt vom Klimawandel betroffenen Bevölkerung werden die Vertreter des Landes die Konferenz sicherlich prägen.
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Der Inselstaat
Die Republik Fidschi besteht aus mehr als 300 vulkanischen Inseln. Dazu gehören niedrigliegende Atolle und Küstenabschnitte, die bei Zyklonen und Überflutungen besonders in Mitleidenschaft gezogen werden. Rund 900.000 Menschen leben auf den teils sehr fruchtbaren Inseln. Wichtigster Wirtschaftsmotor ist der Tourismus. Auf der Hauptinsel Vitu Levu konzentrieren sich zwar 3/4 der Bevölkerung, doch 110 Inseln sind bewohnt. Viele Menschen sind hochgradig von natürlichen Ressourcen abhängig, wobei ein großer Teil der Bevölkerung sich noch selbst mit Nahrungsmitteln versorgt. Die Bevölkerung wächst mit 0,8% pro Jahr und drängt, wie überall auf der Welt, zunehmend in urbane Gebiete. Im Vergleich zu den Nachbarstaaten Kiribati oder Tuvalu ist die Republik Fidschi in der komfortablen Lage über eine hochliegende Hauptinsel zu verfügen. Auch ist die Hauptstadt Suva bereits stark vor Sturmfluten gesichert.
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Erwarteter ökonomischer Schaden für Fidschi durch den Klimawandel
Prognosen sagen voraus, dass die Wirtschaft des Inselstaates beträchtlich leiden wird. Die jährlichen, klimabedingten Schäden allein auf der Hauptinsel Vitu Levu von Fidschi könnten geschätzte 23-52 Millionen US-Dollar betragen. Knapp 2-4 Prozent des Brutto-Inlandproduktes würden so jedes Jahr vernichtet werden. Insbesondere durch die Entwicklung des Tourismus werden zunehmend Infrastrukturen in Küstennähe entstehen. Momentan leben 54% der Fidschianer in Städten (2017, FAO). Diese urbanen Gebiete werden sich ausdehnen, auch näher an die Küste rücken. Aber auch ärmliche Behausungen enstehen oft dort, wo sie stark bedroht sind.
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Salz in den Böden und Landverlust
Seit 1993 ist der Meeresspiegel im Inselstaat um 6 Millimeter pro Jahr (!) gestiegen. Insgesamt sind dies schon fast 14 Zentimeter allein seit der ersten Weltklimakonferenz in Rio de Janeiro. Dies ist mehr als das globale Mittel. Circa 86 Prozent des 750 Kilometer langen Küstenstreifens auf der Hauptinsel liegen weniger als 5 Meter über dem Meeressspiegel. Gefürchtet ist vor allem das Eindringen von Salzwasser in die landwirtschaftlich genutzten Böden. Traditionell ist das momentan noch subventionierte Zuckerrohr das wichtige Exportprodukt. Zuckerrohrpflanzen reagieren im Übrigen auch auf Trockenheit sehr empfindlich. Ingwer, Kokosnüsse, Reis, Kakao, Kaffee, Taro, Ananas und Tabak sind weitere wichtige Agrarprodukte. Auch die Abholzung der Mangroven spielt eine Rolle. So berichten einige Dörfer von einem Küstenverlust von bis zu 20 Metern in den letzten Dekaden. Bis 2050 könnten, Schätzungen zufolge, bis zu 2.300 Hektar der niedrig liegenden Landesteile (<10m ü.NN.) verloren gehen.
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Vermehrte Ausbreitung von Krankheitserregern
Im Zusammenspiel von höheren Umgebungstemperaturen und einer höheren Intensität von Stürmen, bedingt durch ein potentiell stärkeres El-Niño-Muster, ist in der Republik Fidschi mit einer schnelleren Ausbreitung von Krankheitserregern zu rechnen. Im Jahr 2012 kam es bereits zu einem Ausbruch von Leptospirose nach großen Überflutungen. Die Übertragung der Leptospirose-Bakterien auf den Menschen erfolgt in der Regel durch den direkten oder indirekten Kontakt mit dem Urin erkrankter Tiere im verunreinigten Wasser oder Schlamm. Warme Temperaturen und konstante Feuchtigkeit durch durchnässte Böden nach Überflutungen und Starkregen begünstigen das Überleben der Bakterien dieser in Einzelfällen auch tödlich verlaufenden Infektion. 2013 folgte ein Dengue-Fieber-Ausbruch. Das Problem hoher Umgebungstemperaturen: Die Überträger des Virus vermehren sich deutlich schneller und stechen häufiger, mehr als doppelt so schnell, wenn das Thermometer über 32°C steigt (im Vergleich zu 24°C). Die Entwicklung der Mücken-Larve reduziert sich von vier auf weniger als einen Tag. In Hitzeperioden kann sich die Mückenpopulation relativ schnell erhöhen. Seit 1942 hat auf den zwei Hauptinseln Fidschis die Zahl der kühlen Nächte ab- und die der warmen Tage zugenommen. Gegen die Vermehrung der Mücken stehen indess heftige Regenfälle. Sie können die Larven in kurzer Zeit zerstören, schaffen aber wiederum längerfristig neue Brutplätze.
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Korallenriffe in Gefahr
Intakte Korallenriffe sind eine Hauptattraktion für den Tourismus, den größten Devisenbringer der Fidschis. Doch der Klimawandel macht ihnen zu schaffen. Kohlendioxid, das durch industrielle Verbrennung entsteht, landet nicht nur in der Atmosphäre, sondern ein Teil davon wird, im Meerwasser gelöst, zu Kohlensäure. So ändert sich der pH-Wert des Wassers im Nachkommastellenbereich allmählich, das Meer versauert. Kleine Unterschiede mit großem Effekt. Es stehen weniger Karbonat-Ionen zur Verfügung, die zur Bildung von Kalziumkarbonat benötigt werden, dem Baustein von Kalkskeletten und -schalen über die Korallen aber auch Muscheln oder Schnecken verfügen. Die Ozeanversauerung wird in den nächsten Jahrzehnten zunehmen und gefährdet Korallenriffe weltweit. Doch auch auf den Temperaturanstieg der Meere reagieren Korallen äußerst empfindlich. Der Anstieg um ein Grad reicht aus, um die lebenswichtige Symbiose mit den in den Korallen lebenden Algen (Zooxanthellae) zu zerstören. Die einzelligen Algen werden unter Stress abgestoßen. Damit verlieren die Korallen ihre Farbe, die bekannte Korallenbleiche ist die Folge. Dauert der Zustand an, sterben Korallen ab. Wenn Tauchtouristen dann wegbleiben hat das enorme Auswirkungen auf die Beschäftigung im Tourismusbereich.
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Stärkster Zyklon der Südhemisphäre
Steigende Meerestemperaturen werden heftigere Stürme und Wettermuster nach sich ziehen. Tropische Zyklone werden voraussichtlich in ihrer Intensität zunehmen, in der Häufigkeit jedoch ab. Im Februar 2016 verwüstete der Zyklon Winston die Fidschi Inseln. Der Sturmschaden wurde auf 1,4 Milliarden Dollar beziffert und der Zyklon 2016 ging als verheerendste Naturkatastrophe in die Geschichte des Inselstaates ein. Einen besonders großen Schaden nahmen landesweit die Zuckerrohrkulturen, die das Rückgrat der Wirtschaft bilden. 44 Menschen verloren ihr Leben und einen Monat lang herrschte offiziell der Ausnahmezustand. Mit Windgeschwindigkeiten von 297km/h und Böen von bis zu 321km/h war dieser Zyklon der stärkste, der je in der südlichen Hemisphäre wütete.
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Erste Küstendörfer müssen weichen
2014 wurden die Einwohner von Vunidogoloa, einem Küstendorf auf Fidschis zweitgrößter Insel Vunua Levu, als erste Gemeinde des Landes und eines der ersten Dörfer weltweit gezielt umgesiedelt. Voraus ging eine formale Anfrage (2012) des Dorfes bei der Regierung mit der Bitte um Umsiedlung. Mehr als zehn Jahre zuvor wurde den Bewohner bewusst, dass dieser Schritt unausweichlich wird. Es ist eine der ersten formalen Anfragen weltweit, die bewilligt und von staatlicher Seite finanziell unterstützt wurde. Die mehr als 150 Einwohner zählende Gemeinde wurde nun einen Kilometer im Inland komplett neu aufgebaut - jedes Haus auf Stelzen gehievt. Mit Solarenergie und einer natürlichen Wasserversorgung wurde es zum Vorzeigedorf. Die Regierung griff den Bewohner mit nahezu 900.000 Dollar (ca. 370.000 €) unter die Arme. Häuser, Fischteiche und die Ackerflächen wurden so finanziert. Wo sich das Dorf vormals befand, sind heute nur noch einige wenige Brotfruchtbäume.
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Neu siedeln wird teuer
Bisher ist das Dorf Vunidogoloa eines von drei Dörfern der Fidschi Inseln, die komplett umgesiedelt wurden (Tukaraki village/ Ra und Denimanu village/ Yadua Island). Der glückliche Umstand, dass eine so kleine Dorfgemeinde ein Drittel der hohen Umzugskosten selbst stemmen konnte, wird nicht der Regelfall in Zukunft sein. Auch gestaltete sich diese Umsiedlung aufgrund der Nähe zum ursprünglichen Standort wenig traumatisch.
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Republik Fidschi zeigt sich solidarisch
Aus humanitärer Sicht, ist der Inselstaat Vorreiter. Die Regierung der Republik Fidschi hat den direkt betroffenen Bewohnern zwei seiner nächsten Nachbarstaaten, die aufgrund vom steigenden Meeresspiegels Land verlieren, bereits angeboten, permanent auf Fidschi zu siedeln. Die Einwohner der niedrig liegenden Atolle Tuvalus (insgesamt 11.000 EW) und Kiribatis (insgesamt 114.000 EW) haben so einen Zufluchtsort, während mehrere Anträge von Ausreisewilligen dieser Inselstaaten in Neuseeland bereits abgelehnt wurden. Der umweltbedingte Verlust der Lebensgrundlagen reichte nicht zur Erlangung des Flüchtlingsstatus. Dies nicht einmal in solchen Fällen, wo der Zusammenhang zwischen menschgemachtem Klimawandel und dem steigenden Meeresspiegel zweifelsfrei belegbar wäre. Die Umsiedlung kommt jedoch zu einem hohen Preis. Kiribati erwirbt das nötige Land für seine Bürger käuflich und Spannungen mit der angestammten Bevölkerung der Fidschi Inseln sind absehbar.
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Bereit für die UN-Klimakonferenz in Bonn
Ein Bewohner des umgesiedelten Dorfes Vunidogoloa wird offiziell auf die 23. UN-Klimakonferenz in Bonn reisen. Die Regierung der Fidschi Inseln hat den Vorsitz bei der Konferenz, die vom 6. bis 17. November 2017 auf dem UN-Campus stattfindet. Geschätzt werden 15000 – 20000 Teilnehmer dabei sein. Die Abkürzung COP steht für Conference of Parties (Konferenz aller Vertragsparteien). Alle 196 Staaten, die die UN-Klimarahmenkonvention von 1992 unterschrieben haben, nehmen teil. Die COPs sind gleichzeitig Anlass zu Folgetreffen für andere bedeutende Vertragswerke zum Klimaschutz. Genau genommen ist es gleichzeitig das 13. Treffen zum Kyoto-Protokoll (1997) sowie das 2. Treffen der Vertragsparteien des Pariser Abkommens (2015).
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Der Fluchtfaktor Klimawandel im Pariser Abkommen
Die Republik Fidschi hat als erster Staat weltweit das Pariser Abkommen ratifiziert. Doch wird auch das Problem der potentiellen 'Klimaflüchtlinge' im Pariser Abkommen adressiert? Einen konkreten Ansatz gibt es bereits. In dem Vertragswerk wird das Führungsgremium des Warsaw International Mechanism (WIM) on Loss and Damage beauftragt, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die Empfehlungen entwickeln soll, wie Umsiedlungen aufgrund des Klimawandels verhindert oder auf ein Minimum reduziert werden kann. Eingerichtet 2013, beschäftigt sich dieses Gremium mit den (im-)materiellen Verlusten und Schäden durch den Klimawandel.
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catlin.wolfard, Namaqumaqua Village, Fiji - panoramio, CC BY-SA 3.0)