ICON steht für ICOsahedrisches Nichthydrostatisches Modell und ART für Aerosols and Reactive Trace gases. Das Modell ermöglicht die Simulation von Gasen, Aerosolpartikeln und die damit verbundenen Rückkopplungsprozesse in der Atmosphäre. Nicht-hydrostatische Modelle kommen bei Prozessen, die unterhalb einer Auflösung von 10 x 10 km ablaufen, zum Einsatz. Seit dem 20. Januar 2015 ist das neuartige Modell in der operationellen Anwendung. Erste Vergleiche zwischen dem neuen System und seinem Vorgänger GME (globales Wettervorhersagemodell) zeigen deutliche Verbesserungen der Vorhersagequalität.
Herr Vogel, sie haben mit dem Modul ICON-ART, das vom Deutschen Wetterdienst verwendete Wettervorhersagemodell ICON wesentlich erweitert. Was ist und kann ICON-ART?
ICON ist ein neues globales Wettervorhersagemodell, welches gemeinsam vom Deutschen Wetterdienst (DWD) und dem Max Planck Institut für Meteorologie entwickelt wurde. Neben der Wettervorhersage lassen sich mit diesem Modellsystem auch Klimasimulationen durchführen. ICON hat beim DWD im Januar 2015 das bisherige globale Wettervorhersagemodell im Routinebetrieb abgelöst.
ICON wird am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) durch die ART Module erweitert, die es gestatten, neben den klassischen meteorologischen Vorhersagevariablen auch die räumliche und zeitliche Veränderung von Spurengas- und Aerosolkonzentrationen vorherzusagen. Dabei werden auch Prozesse berücksichtigt, bei denen Spurengase und Aerosolpartikel mit dem Atmosphärenzustand wechselwirken. Dies betrifft insbesondere den Einfluss von Spurengasen und Aerosolen auf die Strahlung sowie die Wechselwirkungen von Aerosolen mit Wolken und Niederschlagsprozessen.
Das Modellsystem ICON-ART wird vom Deutschen Wetterdienst für operationelle Vorhersagen und am KIT für wissenschaftliche Fragestellungen verwendet.
Welche Vorhersagen wurden bisher mit ICON-ART durchgeführt?
Beim Deutschen Wetterdienst wird ICON-ART im Falle von Vulkanausbrüchen für operationelle Vulkanaschevorhersagen eingesetzt. Diese Vorhersagen liefern wesentliche Informationen für die amtlichen Flugwettervorhersagen und führen gegebenenfalls zur Sperrung bzw. zur Freigabe des Luftraumes über Deutschland.
Die Vorhersage der Ausbreitung von radioaktiven Stoffen bei nuklearen Störfällen ist ein weiteres Beispiel für die operationelle Anwendung von ICON-ART. Weiterhin besteht beim Deutschen Wetterdienst ein großes Interesse an der operationellen Vorhersage von Saharastaubereignissen, da die Saharastaubpartikel den Strahlungshaushalt maßgeblich modifizieren können.
Was sind derzeit die brennendsten wissenschaftlichen Fragestellungen, an denen sie mit ICON-ART arbeiten?
Sowohl auf der globalen Skala und damit verbundenenen Zeitskalen von mehreren Dekaden als auch und für den Wettervorhersagezeitraum auf der regionalen Skala ist die Quantifizierung der Wechselwirkung zwischen Aerosolpartikeln und dem Zustand der Atmosphäre bisher nicht erfolgt. Wir beschäftigen uns am IMK-TRO insbesondere mit dem Einfluss von Aerosolpartikeln auf die Strahlung und auf die Wechselwirkung mit Wolken- und Niederschlagsprozessen. An der Entwicklung von ICON-ART ist auch das IMK-ASF beteiligt. Die Arbeitsgruppe von Dr. Roland Ruhnke (Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Atmosphärische Spurengase und Fernerkundung, KIT) beschäftigt sich hauptsächlich mit chemischen Prozessen in der Troposphäre und Stratosphäre, die den Ozongehalt der Luft regulieren, sowie dem Austausch von Spurenstoffen zwischen diesen Höhenschichten.
Wie lang hat die Entwicklung gedauert und welche Probleme traten auf?
Die Entwicklung von ICON-ART wurde im Mai 2011 begonnen. Auf der einen Seite besitzt ICON eine sehr moderne und komplexe Modellinfrastruktur, die die Integration von zusätzlichen Modulen erleichtert. Auf der anderen Seite erforderte die Einarbeitung in diese Infrastruktur einen vergleichsweise hohen Zeitaufwand. ART Module, die in COSMO-ART, welches ebenfalls am KIT entwickelt wurde, bereits vorhanden waren, mussten für ICON-ART neu konzipiert und umgeschrieben werden.
Welche konkreten Vorteile (Verbesserungen) gegenüber dem Vorgängermodell hat ICON-ART?
ICON und somit auch ICON-ART sind sowohl auf der globalen als auch auf der regionalen Skala einsetzbar. Das Modell kann sowohl im Klimamodus als auch in der Wettervorhersage genutzt werden. Eine Besonderheit besteht in der Möglichkeit während eines Modelllaufes in bestimmte Gebiete hinein zu zoomen. Vorstellbar ist zum Beispiel, dass man global mit einer horizontalen Maschenweite von 13 km rechnet und gleichzeitig in bestimmten Gebieten z.B. über Europa mit einer Maschenweite von 3,3 km simuliert. Die Gebiete können dabei zu jedem Zeitschritt Informationen über die Ränder austauschen. Diese Flexibilität in Bezug auf räumliche und zeitliche Skalen besitzen nur sehr wenige meteorologische Modellsysteme.
Ein Vorteil der modularen Struktur von ICON-ART besteht darin, dass die ART-Module gegebenenfalls in die operationelle Wettervorhersage übernommen werden können, um beispielsweise die Ausbreitung von Saharastaub zu simulieren.
Welche Unterschiede existieren zu anderen Vorhersagemodellen?
Es gibt allgemein nur sehr wenige Wettervorhersagemodelle, die es simultan ermöglichen, die Wechselwirkung zwischen Aerosolen und dem Zustand der Atmosphäre zu simulieren. Auf der globalen Skala nimmt ICON zurzeit mit einer horizontalen Maschenweite von 13 km weltweit zusammen mit dem Wettervorhersagemodell des amerikanischen Wetterdienstes eine Spitzenstellung ein.
Das Interview führte Karl Dzuba, Wissensplattform Erde und Umwelt