Seit etwa 15 Jahren ist die mittlere Erdoberflächentemperatur kaum noch gestiegen. Dies ist jedoch kein außergewöhnliches Ereignis. Von einer Entwarnung in puncto Klimawandel kann keine Rede sein.
Während der gesamten Erdgeschichte hat das Klima unseres Planeten geschwankt. Seit Beginn der Industrialisierung kommt ein neuer Faktor hinzu: der Mensch. Wie stark ist der menschliche Einfluss auf das Klima im Verhältnis zur natürlichen Klimavariabilität?
Es gibt zwei Arten von Klimaschwankungen: externe und interne. Die externen Schwankungen werden durch z.B. Änderungen der Leuchtkraft der Sonne, der Erdparameter - wie die Neigung der Erdachse - oder der Zusammensetzung der Atmosphäre etwa durch Vulkanausbrüche ausgelöst, aber auch durch den menschlichen Einfluss. Interne Schwankungen sind im Wesentlichen chaotischer Natur und beruhen u.a. auf dem Zusammenspiel von Atmosphäre, Ozean, Meereis und Landoberfläche.
Der Mensch als externer Faktor beeinflusst das Klima hauptsächlich durch die Freisetzung von Kohlendioxid (CO2). Fast 90% des gegenwärtigen Ausstoßes verursacht dabei die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas zur Energiegewinnung. Inzwischen ist der CO2-Gehalt der Luft so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Kohlendioxid führt zur Erwärmung der Erdoberfläche. Seit 1900 ist die Erdoberflächentemperatur im weltweiten Durchschnitt um etwa 0,8° C gestiegen (Abb. 1). Die Auswirkungen sind unübersehbar: Die Eispanzer Grönlands und der Antarktis ziehen sich zurück. Die Meere erwärmen sich. Und der Meeresspiegel ist um ca. 20 cm gestiegen. Dabei geht der Anstieg zu etwa gleichen Teilen auf die Eisschmelze und die Wärmeausdehnung der Meere zurück, wobei in den letzten Jahren der Anteil der Eisschmelze bereits überwogen hat.
Faktoren der Temperaturentwicklung
Die Entwicklung der Erdoberflächentemperatur ergibt sich aus der Überlagerung aller Faktoren, natürlicher wie anthropogener. Daraus erklärt sich ihre unregelmäßige Entwicklung seit Beginn des 20. Jahrhunderts (Abb. 1). Der langfristige Erwärmungstrend ist zwar offensichtlich. Doch kam es aber auch vor, dass die Erdoberflächentemperatur für einige Jahre oder Jahrzehnte kaum anstieg oder sogar abnahm - trotz des Anstiegs der Konzentration der Treibhausgase und der daraus resultierenden Verstärkung des Treibhauseffekts.
Seit etwa 15 Jahren ist die mittlere Erdoberflächentemperatur praktisch nicht mehr gestiegen, obwohl die Störung im Strahlungshaushalt am oberen Rand der Atmosphäre durch das Mehr an Treibhausgasen von 1 W/m2 eine Erwärmung erwarten ließ.
Solche Phasen überraschen Klimaforscher - aufgrund der starken internen Klimavariabilität - nicht: Nahezu periodische Klimaphänomene wie El Niño, La Niña oder die Pazifische Dekadische Oszillation (PDO) beeinflussen die mittlere Temperatur der Erde ständig (Abb. 2, links). Negative Phasen der PDO führen wie La-Niña-Ereignisse zu einem vorübergehenden Rückgang der mittleren Erdoberflächentemperatur. Eine aktuelle Modellstudie (Kosaka/Xie, 2013) zeigt, dass La-Niña-Ereignisse zusammen mit der negativen Phase der PDO die gegenwärtige Erwärmungspause erklären können. Allerdings wählten die Autoren eine Modellierungsstrategie, die durchaus Anlass zur Kritik gibt. Alternative Hypothesen führen eine schwächere Sonnenstrahlung, einen höheren Aerosolgehalt der Atmosphäre durch Vulkane oder eine gestiegene Feuchtigkeit in der Stratosphäre als kompensierende Effekte an. Aber keine dieser alternativen Hypothesen kann allein das gegenwärtige Temperaturplateau ausreichend erklären.
Energiebilanz
Wenn die zusätzliche Energie durch den bisherigen Anstieg der Konzentration der Treibhausgase der letzten Jahre nicht zu einer weiteren Erwärmung der Erdoberfläche beigetragen hat, wo ist sie dann geblieben? Es ist nahe liegend, dass die Meere einen Großteil dieser Wärme aufgenommen haben. Messungen, u.a. mittels Tausender Treibbojen, sogenannter ARGO-Floats, bestätigen dies. Bei Betrachtung der oberen 2000 m der Meere ist nach wie vor ein deutlicher Anstieg des ozeanischen Wärmeinhalts zu erkennen (Abb. 2, rechts), eine Erwärmungspause gibt es hier nicht. Für die obersten 700 m ist allerdings ein geringerer Anstieg zu erkennen. Daraus folgt, dass die darunterliegenden Schichten vermehrt Wärme aufgenommen haben müssen. Die momentane Erwärmungspause ist kein außergewöhnliches Ereignis. Ähnliche Situationen wurden seit Beginn der instrumentellen Messungen vor etwa 150 Jahren mehrfach beobachtet. Zur Bewertung des menschlichen Einflusses auf das Klima ist es daher unerlässlich, Zeiträume von vielen Jahrzehnten zu betrachten. Auch wenn der anthropogene Klimawandel zukünftig eine immer größere Rolle spielen wird, so werden nach wie vor auch natürliche - interne wie externe - Klimaschwankungen unterschiedlicher Dauer auftreten, die den langfristigen Erwärmungstrend überlagern. Andere Klimaparameter wie der globale Meeresspiegel reagieren weniger sprunghaft als die Lufttemperatur. Der Meeresspiegel ist während der letzten Jahre beständig weiter gestiegen. Das Klimasystem erwärmt sich nach wie vor. Von einer Entwarnung in Sachen Klimawandel kann daher keine die Rede sein.
Linktipp:
Die dritte Ausgabe der Reihe „Klima konkret“ des Climate Service Center 2.0 mit dem Titel „Globale Erwärmung und Klimavariabilität – Macht die Erderwärmung eine Pause?“ behandelt das in letzter Zeit viel diskutierte Thema der so genannten Erwärmungspause. Die Broschüre steht auf folgender Webseite in voller Länge zur Verfügung und kann beim Climate Service Center 2.0 auch kostenlos als Druckausgabe bestellt werden.
Autoren:
Prof. Dr. Guy Brasseur
Der ehemalige Direktor des Climate Service Center ist Atmosphärenwissenschaftler und Distinguished Scholar am National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado, USA. Gegenwärtig forscht er am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg.
Prof. Dr. Mojib Latif
Der renommierte und aus den Medien bekannte Klimaexperte ist Meteorologe und Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR). Dort leitet er den Forschungsbereich „Ozeanzirkulation und Klimadynamik“.
Dr. Irene Fischer-Bruns
Die Meteorologin arbeitet seit 2009, dem Gründungsjahr, am Climate Service Center. Vorher war sie in verschiedenen Forschungsprojekten am Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg, tätig.