Die Grenze zwischen Permafrostböden und der Atmosphäre wird von der Auftauschicht (“active layer”) gebildet. Das ist die Schicht über dem Permafrost, die jeden Sommer um ein paar Dezimeter auftaut und infolge der Temperaturen über 0° C biologisch aktiv ist. Neben einer Vielzahl von mikrobiellen Organismen können hier kleine Sträucher, Büsche, Gräser und – südlich der Tundren – kleine, flachwurzelnde Bäume wachsen. In der zentraljakutischen Taiga an der Grenze zwischen Mittel- und Ostsibirien dominieren dagegen bereits Lärchenwälder. Sie existieren nicht trotz, sondern erst aufgrund des hier in der Fläche kontinuierlich vorkommenden Permafrosts.

Zentraljakutien ist abgeschirmt von den atlantischen sowie den pazifischen Luftmassen. Während erstere sich bereits bis hierhin größtenteils abgeregnet haben, werden letztere von Gebirgsketten ferngehalten. Das Ergebnis sind extrem geringe Niederschläge, die eine Existenz von Wald eigentlich nicht erlauben würden. Nur dank des Permafrosts, der eine oberflächennahe Stauschicht bildet, bleibt dieses wenige Wasser Pflanzen verfügbar. Wie in einer Mondlandschaft treten in diesen Wäldern der zentraljakutischen Taiga jedoch runde, ovale und wie an einer Perlenkette aneinandergereihte Krater auf. Diese Hohlformen, sogenannte Thermokarstsenken, deren jakutischer Name “Alas” seit langem Eingang in die internationale Fachsprache gefunden hat, entstehen durch Austauen von im Boden gebildeten Eis. In Abhängigkeit von feuchteren oder trockeneren Perioden können diese für die lokale Landwirtschaft so wichtigen Alasse vernässen oder verlanden. Zu dieser langjährigen Erfahrung kommen nun aktuelle Beobachtungen hinzu, die Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung anhand von Satellitenzeitreihen gemacht haben.

Elf Jahre Forschung in Sibirien

Um die Prozesse an der bedeutenden Schnittstelle zwischen Böden und Atmosphäre zu verstehen, wurden über Satelliten-Daten die Temperaturen der Landoberfläche, Verbreitung der Seen und Waldbränden, und der Schneebedeckung über elf Jahre analysiert und mit anderen Klimaparametern verglichen.

Die Analysen der Wissenschaftler um Dr. Julia Boike vom AWI haben gezeigt, “dass sich die Oberfläche der Permafrostlandschaft im Einzugsgebiet der Lena in Zentraljakutien um durchschnittlich 0.12 °C pro Jahr erwärmt, bis zu maximalen Werten von 0.49 °C/Jahr im Herbst.“ Im Frühjahr gibt es weniger durch Schnee bedeckte Flächen (80% der Fläche zeigt eine Abnahme der Schneebedeckung im Frühling) und die Vegetation verändert sich infolge ausgedehnter Wald- und Tundren-Brände. Die durch Seen bedeckten Flächen nehmen rapide zu, aber mit großen räumlichen Unterschieden.

Obwohl sich der Permafrost besonders in den kalten Gebieten der Arktis und Subarktis kontinuierlich über lange Zeiträume erwärmt, folgt die Erwärmung der Oberfläche eher kurzfristigen Schwankungen. Diese Fluktuationen folgen verschiedenen Wetterphänomenen. Besonders die Veränderung der Schneebedeckung scheint im Frühjahr einen großen Einfluss auf die Bodenoberfläche zu haben.

“Bei der Analyse der Landschaftsdynamik hinsichtlich der Verbreitung von Seen sind wir zunächst auf räumlich sehr heterogene Muster von Zu- und Abnahme der von Wasserkörpern bedeckten Fläche gestoßen”, sagt Dr. Frank Günther (AWI). Diese lassen sich z.B. im Auenbereich durch den Einfluss von Hochwässern erklären. Unweigerlichen Einfluss auf den Zustand des Permafrosts werden dagegen die starken Vernässungserscheinungen im Bereich der Alasse haben. In einem Gebiet nordöstlich der Gebietshauptstadt Jakutsk am Zusammenfluss von Lena und Aldan hat sich die Fläche der Wasserkörper verdoppelt. Über das gesamte Untersuchungsgebiet betrachtet zeigte sich noch eine Vergrößerung der Seeflächen von 18%. Dieser Prozess verlief über den betrachteten Zeitraum jedoch nicht gleichmäßig, sondern erlebte insbesondere im sehr warmen Jahr 2007, welches im arktischen Jakutien mit einem Allzeit-Meereisminimum einherging, einen enormen Schub. “Diese extreme Dynamik der Thermokarstseen hat uns überrascht und ist aufgrund der besonderen Permafrost- und Klimabedingungen wohl einmalig in der Welt.” sagt der AWI- Wissenschaftler.

Quellen

  Julia Boike, Thomas Grau, Birgit Heim, Frank Günther, Moritz Langer, Sina Muster, Isabelle Gouttevine, Stephan Lange (2016): Satellite-derived changes in the permafrost landscape of central Yakutia, 2000–2011: Wetting, drying, and fires. Global and Planetary Change 139, 116-127.

 Videonanimation: Permafrost - was ist das und was passiert, wenn dieser auftaut?

Text: Dr. Boris Biskaborn, Dr. Julia Boike, Dr. Frank Günther (alle AWI)

Text, Fotos und Grafiken soweit nicht andere Lizenzen betroffen: eskp.de | CC BY 4.0
eskp.de | Earth System Knowledge Platform – die Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft