Küstenökosysteme werden durch das Zusammenspiel physikalischer, geo-chemischer und biologischer Prozesse geprägt. Im Vergleich zum offenen Ozean sind Küstengebiete in der Regel zusätzlich noch durch einen starken landseitigen Einfluss geprägt und werden auch durch den Mensch intensiv genutzt. Nach Schätzungen der UNESCO werden bis 2050 mehr als 70 Prozent der Erdbevölkerung in weniger als 70 Kilometer Entfernung zu einer Küsten leben. Es kann also davon ausgegangen werden, dass über die kommenden Dekaden die Nutzung und damit auch die Belastung der Küstenökosysteme noch wesentlich stärker ansteigt als bisher geschehen. Küstenmeere weisen aufgrund ihrer strukturellen Vielfalt in der Regel jedoch auch eine sehr hohe Artenvielfalt auf. Sie bilden daher trotz ihrer vergleichsweise geringen Fläche im Vergleich zu den Landmassen und dem offenen Ozeanen wichtige "hot spots" im Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur.
Ein grundlegendes Verständnis der physikalischen und biologischen Prozesse dieser fragilen Ökosysteme ist daher insbesondere im Zusammenhang mit den prognostizierten Klimaveränderungen von zentraler Bedeutung. Aktuelle Klimarechnungen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) prognostizieren eine weltweite Steigerung der Häufigkeit und Intensität von Starkwindereignissen mit schweren Sturmfluten um das 10 bis 20-fache bis 2070. Eine solche Entwicklung wird unsere Küsten sowie deren Nutzung in noch viel stärkerem Maßstab beeinflussen als bisher.
Wetterbedingte Extremereignisse sind zeitlich schwer kalkulierbar, treten aber dennoch vergleichsweise regelmäßig auf. Sie zählen daher zu den stochastischen Prozessen deren Auswirkungen experimentell analysiert und mittels Modelsimulationen prognostiziert werden können. Wesentliche Fragen sind hierbei z.B. wie stark Extremereignisse das Küstenökosystem formen, bis zu welcher Stärke und Häufigkeit Küsten solche Extremereignisse verkraftet ohne nachhaltige Veränderungen zu zeigen und welche Adaptions- und Kompensationsmechanismen Küstenökosysteme auf zunehmende Starkwindereignisse zeigten. Grundsätzlich stellt sich dabei die Frage, ob die menschliche Perzeption von "Extrem" auf ein (Küsten-)Ökosystem anwendbar ist ober ob scheinbare Extremereignisse für Küstenökosysteme eventuell sogar existenzielle formgebende Prozesse darstellen.
Fernsteuerbare Unterwasserlabore
Die wissenschaftliche Untersuchung der Auswirkungen von Sturmereignissen auf Küstenökosysteme ist methodisch sehr anspruchsvoll. Die meisten marinen Beprobungsmethoden sind schiffsgestützt, das heißt sie werden in der Regel von Forschungsschiffen aus eingesetzt. Diese sind jedoch während schwerer Sturmereignissen nicht mehr einsetzbar. Daher setzen Forscher aus den unterschiedlichsten Disziplinen (Physik, Geochemie, Mikrobiologie, Meeresbotanik, Zoologie, Verhaltensbiologie etc.) inzwischen verstärkt auf neue marine Technologien wie autonom operierende Messsonden oder festinstallierte Unterwassersensorik. Diese teilweise mit Kabel verbundenen und vollständig fernsteuerbaren Unterwasserlabore sollen in Zukunft verstärkt eingesetzt werden um physikalische, chemische und biologische Messungen in Echtzeit ins Labor bringen und wichtige Prozesse und Mechanismen unter Wasser in höchster zeitlicher Auflösung über längere Zeiträume kontinuierlich auch während Extremereignissen zu analysieren.