Landwirte in Deutschland arbeiten heutzutage überwiegend auf Pachtflächen. Im Vordergrund stehen hierbei zumeist gute Erträge, ein langfristiger Schutz der Böden ist nicht zwingend von Bedeutung. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig ist jedoch derart abhängig von intakten natürlichen Ressourcen. Eine intensive Landwirtschaft, die Entwässerung von Böden, Perioden ohne Pflanzungen – all dies hat weitreichende Wirkungen auf die Bodenqualität und indirekt für die Gesellschaft und nachfolgende Generationen. Eine konsequente ökologische Landwirtschaft brächte viele Vorteile für die Bodenbiologie. Doch wie kann man natürliche Bodenfunktionen erhalten? Welchen Beitrag leisten rechtliche Regelungen zum Bodenschutz? Dies zeigen der Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel sowie die Umweltjuristen Dr. Jana Bovet und Dr. Stefan Möckel des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung im zweiten Teil des großen ESKP-Interviews zu nachhaltiger Bodennutzung auf. Teil 1 des Interviews, in dem es um den zu hohen Landschaftsverbrauch in Deutschland und den Nutzen von Flächenzertifikaten geht, finden Sie hier.
1. Der Stress für Böden wird verstärkt durch eine intensive Landwirtschaft. Was hat sich hier in den vergangenen Jahren verändert? Was ist schlechter geworden und gibt es auch Bereiche, in denen Sie Verbesserungen sehen?
Prof. Hans-Jörg Vogel: Die Intensivierung der Landwirtschaft geht einher mit schwereren Maschinen und einfacheren Fruchtfolgen. Durch die Maschinen kann die Effizienz von Arbeitskräften gesteigert werden, sie führen aber zur Verdichtung des Bodens bis in größere Tiefen. Die vereinfachten Fruchtfolgen bis hin zu Monokulturen reduzieren die biologische Vielfalt auch unter der Bodenoberfläche und erhöhen den Schädlingsdruck. Das damit sinkende Ertragspotenzial kann eventuell mit Düngungs- und Pflanzenschutzmaßnahmen kompensiert werden. Die anderen Bodenfunktionen jedoch lassen sich nicht kompensieren. Da wären z.B. die Funktion als Filter für Wasser, Kohlenstoffspeicher oder der Erhalt der Biodiversität.
Verbesserungen sind im Bereich der Bodenbearbeitung zu erkennen. Hier findet ein Umdenken in Richtung schonender Bodenbearbeitung statt. Wird auf den Pflug verzichtet, kann die Bodenbiologie gefördert und der Kohlenstoffhaushalt verbessert werden. Allerdings steigt dabei der Unkrautdruck, was zurzeit hauptsächlich über Pestizide wie Glyphosat kompensiert wird – es ist also etwas komplex. Gut für den Boden ist der zunehmende Zwischenfruchtanbau. Durch längere Pflanzenbedeckung wird die Gefahr von Oberflächenverschlämmung und Erosion reduziert.
Dr. Stefan Möckel: Bei den landwirtschaftlichen Böden bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der „Intaktheit“ von Böden. So zeigen Feldversuche, dass bei ökologisch bewirtschafteten Ackerflächen Humusgehalt, Regenwurmdichte und biologische Aktivität sowie infolgedessen auch Porosität, Wasserinfiltration und -retention deutlich höher sind als bei vergleichbaren konventionell bewirtschafteten Anbaukulturen. Ähnliche, aber in der Regel geringere positive Effekte lassen sich ebenfalls bei Flächen feststellen, die nicht wie bisher üblich gepflügt, sondern nur mit Grubber oder Egge bearbeitet bzw. gemulcht und direkt besäht werden (konservierende Bodenbearbeitung). Auch generell weisen Dauergrünlandflächen wesentlich bessere Bodenfunktionen als Ackerflächen auf.
2. Gibt es konkrete Naturgefahren, die aus der intensiven Nutzung durch die Landwirtschaft resultieren (Hochwasser, Erdrutsche)?
Möckel: Studien zeigen, dass die Entwässerung von landwirtschaftlichen Böden mittels Gräben und Drainagen sowie die Verdichtung von Böden zu einem schnelleren Wasserabfluss führt (Möckel et al., 2014, S. 168 ff. mit weiteren Nachweisen). Hierbei gibt es nicht nur Unterschiede zwischen Ackerflächen und Dauergrünland, sondern auch deutliche Unterschiede zwischen konventionell und ökologisch bewirtschafteten Ackerflächen, wie zuvor bereits beschrieben.
Vogel: Hochwasser ist eher ein Problem bei Versiegelung der Böden. Durch die Drainage feuchter Standorte für die landwirtschaftliche Nutzung, ob intensiv oder nicht, wird aber die natürliche Wasserspeicherkapazität von Böden und damit ihr Beitrag zum Hochwasserschutz reduziert. Erdrutsche durch intensive Landwirtschaft sind in unseren Breiten kaum zu befürchten, wohl aber dort, wo an Hängen für die landwirtschaftliche Nutzung Wälder gerodet werden. Die Bodenerosion durch Wasser und Wind – zwar selten eine Naturgefahr, aber ein kritischer Verlust von wertvollem Boden – ist aber auch hierzulande ein Problem der intensiven Landwirtschaft, insbesondere wenn durch fehlenden Zwischenfruchtanbau die Böden über längere Zeit ohne Bewuchs bleiben. Die öffentliche Wahrnehmung dafür wird immer dann geschärft, wenn eine unmittelbare Naturgefahr daraus erwächst, wie damals in den 30iger Jahren in den USA oder 2011 bei Rostock. Die Halbwertszeit ist aber relativ kurz und der Verlust von Boden spielt dabei eine untergeordnete Rolle.
Eine andere Gefährdung durch intensive Landwirtschaft ist die Belastung des Grundwassers mit Nitrat und Pflanzenschutzmitteln und deren Metaboliten (Anm. der Red.: Zwischenstufen von Stoffwechselvorgängen). Stickstoff ist in der Landwirtschaft häufig ein ertragslimitierender Faktor. Nun ist mineralischer Stickstoffdünger zwar erschwinglich, kann aber nicht punktgenau, weder zeitlich noch örtlich, verabreicht werden. Das führt zu einem ökonomisch gut begründeten Stickstoffüberschuss auf unseren Äckern von jährlich circa 50-70 Kilo Stickstoff pro Hektar und erklärt die Tatsache, dass viele Grundwassermessstellen nach wie vor über dem gesetzlichen Grenzwert für Nitrat liegen.
3. Was würden Sie raten? Wo müsste die Politik ansetzen, was können die Landwirte tun? Schließlich geht es im Wesentlichen ja um ihr eigenes Kapital.
Möckel: Landwirte wirtschaften heute in Deutschland je nach Bundesland und Region überwiegend auf Pachtflächen, wo eine Verschlechterung des Bodenzustands keine Kapitalverschlechterung für den Landwirt bedeutet, sondern allenfalls dessen Erträge reduziert. Letzteres lässt sich aber durch verstärkte Düngung oder Bewässerung kompensieren. Ein schleichender Verlust an Boden und Bodenqualität bleibt für den verpachtenden Grundeigentümer in den allermeisten Fällen verborgen und tritt allenfalls im Fall einer Neuverpachtung und Neubewertung der Bodenqualität zu Tage.
Um Ökosystemfunktionen von Böden wie z.B. die Funktion als Kohlenstoffspeicher oder im Hochwasserschutz zu bewahren, die Bodenfruchtbarkeit und Bewirtschaftbarkeit dauerhaft zu erhalten und die Verpächter zu schützen, sind rechtliche Rahmenbedingungen für die landwirtschaftliche Bodennutzung unabdingbar. Derzeit sind diese Rahmenbedingungen auch in Deutschland eher schwach ausgebildet. Das Niveau ist aus Sicht des Umwelt-, Klima- und Hochwasserschutzes nicht ausreichend (Möckel et al., 2014; speziell zum Dauergrünlandschutz Möckel, 2016a; 2016b).Wie unsere umfangreiche Untersuchung zum vermehrten Umweltschutz in der Landwirtschaft im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigt, stehen dem Staat – Bund, Ländern und Kommunen – rechtliche und politische Instrumente zur Verfügung, um das Schutzniveau anzuheben. Wir empfehlen zum einen anspruchsvolle Anforderungen an die gute fachliche Praxis der Bodenbewirtschaftung im Ordnungsrecht, ergänzend um standortbezogene planungsrechtliche Anforderungen und einzelfallbezogene behördliche Anordnungen. Aktuell fehlen aber auf Bundesebene und auch in allen Ländern außer NRW planungsrechtliche Festsetzungsmöglichkeiten, da kein außenverbindliches Planungsinstrument existiert. Einzig Nordrhein-Westfalen hat verbindliche Landschaftspläne ausgearbeitet.
Vogel: Ein Ansatzpunkt wäre, einen Bewertungsrahmen für Böden und ihre Funktionen zu etablieren, der es einerseits erlaubt, den Bodenschutz adäquat in Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen, andererseits aber auch eine Grundlage bieten würde, um bodenschonende Maßnahmen in der Landwirtschaft zu fördern. Das würde auch den Einsatz von rechtlichen und politischen Instrumenten, wie von Stefan Möckel dargelegt, unterstützen. Einen solchen Ansatz verfolgen wir auch im BonaRes-Projekt. Das Problem der Entkopplung von Bodenkapital und Ertrag durch den zunehmenden Anteil von Pachtflächen hat Stefan Möckel bereits erläutert.
4. Eine provokante Frage: Müssen wertvolle Flächen, beispielsweise Moore, den Eigentümern weggenommen werden? Oder wie könnte man diese Flächen noch besser schützen?
Möckel: Eine Wegnahme ist nicht erforderlich, da nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland eine Beschränkung der Bewirtschaftung möglich ist, ohne dass eine Enteignung oder eine unzumutbare Eigentumsbeschränkung vorliegt. Das gilt insbesondere für Böden und Grundflächen, wie das Bundesverfassungsgericht schon vor mehr als 50 Jahren konstatierte: „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne weiteres gleichzustellen; er kann im Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behandelt werden.“ (BVerfGE 21, 73 [82 f.]) Hieraus und aus der Situationsgebundenheit von Grundstücken folgt aus den natürlichen oder landschaftsräumlichen Gegebenheiten eine immanente, dem Grundstück selbst anhaftende Beschränkung der Eigentümerbefugnisse, die durch natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen – wie die Verordnung des Antragsgegners – lediglich nachgezeichnet wird, wenn die natürlichen oder landschaftsräumlichen Gegebenheiten eines Grundstücks im Interesse der Allgemeinheit erhaltenswert sind und des Schutzes bedürfen (BVerwG, Urt. v. 24.6.1993 - 7 C 26.92 -, m.w.N.; OVG Lüneburg Urt. v. 29.11.2016 - 4 KN 93/14 - u. v. 1.4.2007 - 4 KN 57/07). Regelungen des Naturschutzes, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes beschränken, sind daher keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums, die als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums grundsätzlich hinzunehmen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.1.2001 - 6 CN 2.00 -; Beschl. v. 18. 7.1997 - 4 BN 5.97).
5. Gibt es positive Beispiele, wie man nachhaltige Bodennutzung organisieren kann?
Möckel: Da gibt es viele Beispiele. Ich empfehle, in die Anforderungen an die landwirtschaftliche Bodennutzung in Art. 4, 5 und 12 der EU-Ökolandbauverordnung 834/2007/EG und Durchführungsverordnung 889/2008/EG zu schauen.
6. Was empfehlen Sie Landwirten, die sich für das Thema interessieren? Gibt es Informations- und Beratungsangebote, die helfen? Beraten Sie auch als Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung?
Vogel: In den Landesämtern und den Landwirtschaftskammern gibt es sicher das Potenzial für fundierte Beratung – auch in Sachen Bodenschutz. Mir fehlt jedoch der nötige Überblick für eine belastbare Einschätzung.
Das UFZ als Forschungseinrichtung kann keine Beratung für Landwirte anbieten. Allerdings ist ein Ziel des bereits erwähnten BonaRes-Projektes, das gemeinsam vom UFZ und dem ZALF koordiniert wird und an dem etwa 50 Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland beteiligt sind, Instrumente zur Verfügung zu stellen, mit denen Entscheidungen zur Bodenbewirtschaftung und damit zu Bodenfunktionen wissensbasiert unterstützt werden. Mit diesem Internet-Portal wollen wir insbesondere auch Landwirte ansprechen. Das Ganze befindet sich zurzeit im Aufbau und wird angesichts des komplexen Inhaltes noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Darüber hinaus werden wir auch im Rahmen von Veranstaltungen, Workshops, Foren oder Vorträgen unsere Erkenntnisse zur Verfügung und Diskussion stellen.
Hier geht es zu Teil 1 des Interviews.
Referenzen
Möckel, S. (2016a). Schutz von Dauergrünland vor Umwandlung, Umbruch oder Intensivierung – Teil 1: Förderrecht. Natur und Recht, 38(11), 741-748. doi:10.1007/s10357-016-3090-z
Möckel, S. (2016b). Schutz von Dauergrünland vor Umwandlung, Umbruch oder Intensivierung – Teil 2: Ordnungsrecht. Natur und Recht, 38(12), 814-823. doi:10.1007/s10357-016-3103-y
Möckel, S., Köck, W., Schramek, J. & Rutz, C. (2014). Rechtliche und andere Instrumente für vermehrten Umweltschutz in der Landwirtschaft (UBA-Texte 42/2014). Dessau: UBA.
Alle weiteren Referenzen (PDF) zu diesem Interview.
Veröffentlicht: 28.07.2017, 4. Jahrgang
Zitiervorschlag: Vogel, H.-J., Bovet, J. & Möckel, S. (2017, 28. Juli). Die Landwirtschaft mietet sich ein, zu Lasten der Verpächter [Interview, Teil 2]. Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 4. https://www.eskp.de/klimawandel/die-landwirtschaft-mietet-sich-ein-zu-lasten-der-verpaechter/