Vermutlich wird es durch den Klimawandel häufiger Starkregenereignisse an der Elbe geben. Doch das genaue Ausmaß des Umweltwandels lässt sich weiterhin schwer prognostizieren. Wie Überflutungen die Elbe-Ökosysteme und Küstengebiete genau verändern, soll durch ein neues Beobachtungssystem namens MOSES herausgefunden werden.
In einer ersten Messkampagne setzten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) gemeinsam mit Forschern des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) sowie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) aus Leipzig dafür einen Zeppelin ein. Hinzu kamen mehrere Drohnen sowie Forschungsschiffe von AWI, UFZ und HZG. Neben Messdaten der fliegenden und schwimmenden Forschungsplattformen, werteten die Forscher zusätzlich Daten stationärer Messstationen aus.
Das Ziel der Helmholtz-Wissenschaftler: Sie wollten erstmals umfassend sämtliche Prozesse untersuchen, die komplizierte Wechselwirkungen zwischen Ozean, Küste, Land und Atmosphäre verursachen. Auch die Auswirkungen von Offshore-Windkraftanlagen auf die Meeresströmungen in der Nordsee wurden untersucht.
Die Expedition lief im Rahmen eines neuen Projektes der Helmholtz-Gemeinschaft. Der Name der auf fünf Jahre ausgelegten Initiative lautet MOSES, kurz für „Modular Observation Solutions for Earth Systems“. Insgesamt 28 Millionen Euro stehen den beteiligten acht Forschungszentren für den Aufbau und Betrieb des neuen flexiblen Erdbeobachtungssystems zur Verfügung.
An dieser ersten Mess-Kampagne im Rahmen von MOSES waren mehr als 20 Forscher beteiligt. Mit dem neuartigen, mobilen und modularen Konzept von MOSES sollen erstmals dynamische und langfristige Beobachtungsmethoden in unterschiedlichen Bereichen des Erdsystems direkt miteinander gekoppelt werden und bei Flutereignissen kurzfristig genutzt werden.
Die Messungen auf der Elbe und im Wattenmeer sind zudem ein weiterer Test der Messverfahren und des schnellen Datenaustauschs zwischen den verschiedenen Plattformen. Es geht unter anderem darum, wie Nährstoffe über den Niederschlag, die Pflanzen und Böden in die Flüsse und letztendlich in die Nordsee transportiert werden und wie sie dort das Wachstum von Meeresalgen beeinflussen.
Wie wirken sich Überflutungen der Elbe auf das komplizierte Ökosystem von Fluss und Nordsee aus?
Bei Starkregenereignissen sind Landflächen an der Elbe stark überflutet. Die Fluten tragen dann Nährstoffe oder Schadstoffe mit, die letztendlich in der Nordsee landen. Die Forscher interessieren die Strömungsverhältnisse und die Physik, die dahintersteckt. Wie werden Schad- und Nährstoffe transportiert, wie werden sie vermischt? Sie wollen herausfinden, wie Nährstoffe aus der Landwirtschaft mit Temperatur und Strömung zusammenwirken. In dieser ersten Messkampagne wird eine Art Bestandsaufnahme gemacht. Die Daten können später mit denen bei einer Überflutung verglichen werden, um auch diese Prozesse besser verstehen zu können.
Warum wurde ein Zeppelin eingesetzt?
Wenn man sehr kleinräumige Phänomene beobachten will, benötigt man ein Gefährt, das direkt über dem Ereignis stehen kann. Es reicht nicht aus, nur eine einzelne Momentaufnahme des Geschehens zu machen. Um ein Phänomen zu verstehen, ist es notwendig es in Gänze zu beobachten und zu protokollieren. Und das kann der Zeppelin, der in der Luft auf der Stelle stehen bleibt und dabei zum Beispiel auch keine eigenen Verwirbelungen verursacht. Weitere Vorteile des Zeppelins sind seine Flugdauer – mit einer „Tankfüllung“ kann er zehn Stunden fliegen – und die Tatsache, dass er aus der Höhe, in der die Messungen gemacht, keinen Einfluss auf die Ergebnisse nimmt. Ein Hubschrauber beispielsweise würde selbst zu Verwirbelungen an der Wasseroberfläche führen.
An Bord des Zeppelins befanden sich mehrere Spezialkameras. Zum einen eine Hyperspektral-Kamera, die das Lichtspektrum des Wassers aufzeichnet. Die Forscher erkennen daraus die unterschiedlichen Wasserinhaltsstoffe, wie etwa Grün- oder Braunalgen. Die an Bord installierte Infrarotkamera erstellt aus der Flughöhe von 1.000 Metern Temperaturkarten der Wasseroberfläche und erfasst dabei 50 Bilder pro Sekunde. Die Thermalkamera misst selbst kleinste Temperaturunterschiede von 0,03 Grad Celsius. Mit einer weiteren Kamera wurde die Fließgeschwindigkeit erfasst.
Was misst das UFZ-Forschungsschiff ALBIS?
Das UFZ-Forschungsschiff ALBIS untersucht die räumliche und zeitliche Variabilität des Stoffeintrags aus der Mittleren Elbe in den Tidebereich bei Niedrigwasser. Dazu nehmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Wasserproben im Flussquerschnitt zwischen Magdeburg und dem Wehr Geesthacht, bereiten sie unmittelbar vor Ort im Bordlabor auf und untersuchen sie unter anderem auf Nährstoffe, organische Summenparameter und Spurenelemente.
Und was ist eine stationäre Messstation?
In einer Wassertiefe von etwa elf Metern bietet der Unterwasserknoten eine permanente Strom- und Datenanbindung, um wissenschaftliche Geräte anzuschließen und per Fernzugriff zu betreiben. So werden aktuell unter anderem Strömung, Salzgehalt und Sauerstoff, aber auch Fischfauna und Bodentiere im Jahreszyklus kontinuierlich aufgezeichnet und untersucht. Die dadurch gewonnenen Datenreihen sind eine wichtige Grundlage, um Fragen der Umweltveränderungen in der Nordsee zu beantworten. Der Unterwasserknoten wurde von AWI und HZG entwickelt und 2012 in Betrieb genommen.
Zusätzlich wurden Daten der FerryBox bei Cuxhaven berücksichtigt. Die FerryBox ist ein autonomes Messsystem. Es wird sowohl auf Fähren und Frachtschiffen mit festen Routen, als auch an festen Punkten installiert. Die Systeme enthalten Sensoren, um den Zustand und die Wasserqualität der Meere automatisch zu erfassen. Durch die permanenten Messungen werden kostengünstig, zuverlässig und regelmäßig Daten zu Salzgehalt, Wassertemperatur, Algenkonzentration und vielen anderen Größen aufgezeichnet.
Wie werden die Wattbereiche vermessen?
Vom Zeppelin aus lassen sich die Lage und der Zustand von Prielen, Muschel- und Schillbänken, Seegrasbeständen und Strandbereichen ebenso erfassen wie die morphologischen Veränderungen im Watt und die Vegetationsentwicklung auf den Inseln. Die Daten hierzu werden außerdem auf den Inseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn von der Nationalparkverwaltung Hamburgisches Wattenmeer analysiert.
Wie können Strömungsmessungen mit Drohnen gemacht werden?
Die Drohne ist ausgestattet mit einer Kamera. Diese wird benutzt, um Strömungsgeschwindigkeiten von Flüssen zu messen und kleinere Wellen zu untersuchen. Dazu werden Filmaufnahmen der Wellenbewegungen gemacht. Dabei wird flächendeckend die mittlere Strömung der oberen zehn Zentimeter erfasst. Die gefilmten Wellen wurden mit Bildverarbeitungsmethoden und selbst entwickelten Programmen am Computer ausgewertet. Die Messungen wurden über der Elbe bei Lauenburg durchgeführt.
Über das MOSES-Projekt
MOSES ist ein Projekt der Helmholtz-Gemeinschaft, das Prozesse untersucht, die in komplizierten Wirkungsketten ablaufen und die Ozeane, Küsten, Landoberflächen oder die Atmosphäre miteinander verbinden. HZG ist an zwei Wirkungsketten beteiligt. Zum einen leitet HZG die Wirkungskette „Ozeanwirbel“; für die ein Zeppelin, Flugzeuge, Schnellboote und autonome Tauchroboter eingesetzt und zahlreiche Messverfahren entwickelt werden.
Die Expedition wird durch das neue Projekt MOSES möglich. Insgesamt 28 Millionen Euro stehen den beteiligten Forschungszentren für den Aufbau und Betrieb von MOSES zur Verfügung. An dieser ersten Expedition im Rahmen von MOSES sind mehr als 20 Forscher beteiligt. Mit dem neuartigen, mobilen und modularen Konzept von MOSES sollen erstmals dynamische und langfristige Beobachtungsmethoden direkt miteinander gekoppelt werden und bei Flutereignissen kurzfristig genutzt werden.
Wissenschaftler des HZG setzten 2016 unter der Leitung von Prof. Dr. Burkard Baschek, Institutsleiter am Institut für Küstenforschung erstmals erfolgreich einen Zeppelin ein, um kleine Ozeanwirbel zu vermessen. Mit den Spezialkameras werden diesmal Wattflächen und Elbe untersucht. Unter anderem erstellt eine an Bord des Zeppelins installierte Infrarotkamera Temperaturkarten der Wasseroberfläche und erfasst dabei 50 Bilder pro Sekunde. Die Thermalkamera misst selbst kleinste Temperaturunterschiede von 0,03 Grad Celsius.
Text: Heidrun Hillen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Helmholtz-Zentrum Geesthacht – Zentrum für Material- und Küstenforschung (HZG)