Je besser, vollständiger und chronologisch korrekter die Erfassung vergangener Ausbrüche erfolgen kann, desto genauer ist diese Abschätzung auch. Damit dies möglich wird, müssen jedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein:

1.    Vollständigkeit der Eruptionssequenz: Der Anspruch auf eine "vollständige" Eruptionssequenz scheint auf ersten Blick banal. Jedoch ist es nicht selbstverständlich, dass wirklich alle Eruptionen komplett dokumentiert sind. Für die jüngere Vergangenheit gibt es meist zuverlässige und recht vollständige Aufzeichnungen. Häufig liegen direkte Beobachtungen vor, sei es durch Messgeräte, Satelliten oder Augenzeugenberichte.

2.   Rekonstruktion durch Gesteinsablagerungen: Weiter zurückliegende Vulkanausbrüche werden anhand von Gesteinsablagerungen rekonstruiert. Dabei besteht insbesondere bei kleineren Eruptionen die Gefahr, dass sie übersehen werden. Oftmals wurden die Ablagerungen auch im Laufe der Jahre bis Jahrtausende von Regen, Schnee und Wind teilweise oder vollständig abgetragen (erodiert) oder zerstört.

Wie für die historischen Zeugnisse von Vulkanausbrüchen, etwa durch Augenzeugenberichte, benötigt man auch über die länger zurückliegenden Ausbrüche möglichst genaue Kenntnisse des Eruptionszeitpunktes. Dafür werden numerische Datierungsmethoden herangezogen. Oft hilft auch die Abfolge der Gesteinsschichten im Gelände, die mitunter eine relative Datierung zulässt.

3. Überführung in Modelle: Die Eruptionszeitserie wird in der Kenntnis, dass die Eruptionen unabhängig voneinander passiert sind, in ein numerisches Modell überführt. Das System kennt keine Erinnerung und keine Erschöpfung, denn die Magmenzufuhr aus der Tiefe ist gewährleistet. Die Wahrscheinlichkeit einer Eruption ist nicht vom Zeitpunkt einer früheren Eruption abhängig.

4.    Statistische Zeitreihenanalyse: Für eine korrekte  statistische Zeitreihenanalyse muss  der Eruptionsdatensatz in seiner gesamten Länge durch die gleichen statistischen Parameter ausgedrückt werden können. Dafür muss jeder willkürlich gewählte Teilabschnitt die gleichen statistischen Eigenschaften zeigen. Ist dies nicht der Fall, wird eine abschnittsweise Analyse durchgeführt.

Für die Analyse der zeitlichen Abfolge der Eruptionen als statistische Zeitserie kann folgendes berücksichtigt werden:

  • Nimmt die Aktivität an einem Vulkan generell zu oder ab?
  • Verzögern oder unterbinden gegeneinander wirkende Prozesse möglicherweise die eruptive Aktivität?

Ähnlich wie die Medizin betrachtet die Vulkanologie eine sogenannte "Überlebenszeit". Im medizinischen Zusammenhang versteht man darunter wortwörtlich die Zeit, die Patienten z. B. nach dem Durchführen einer bestimmten Therapie überleben. Bei einem Vulkan entspricht die Überlebenszeit dem zeitlichen Abstand zwischen zwei Ausbrüchen, also der Zeitdauer, die die "Ruhephase" "überlebt".

Mathematisch kommen hierbei statistische Werkzeuge zur Anwendung wie der sogenannte Kaplan-Meier-Schätzer sowie unterschiedliche Verteilungsfunktionen. Aus der mathematischen Überlebenszeitfunktion wird anschließend die Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Eruption ermittelt.

Text: Dr. Heidi Wehrmann,GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

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