In Mitteleuropa können durch das gemäßigte Klima der mittleren Breiten in allen Jahreszeiten Hochwasser auftreten. Hauptursachen für die Entstehung von Hochwasser sind langanhaltende oder häufige Niederschläge, Schneeschmelze oder kurze und sehr intensive Niederschläge. Letztere betreffen in erster Linie kleinere Flussläufe. Hochwasser sind Teil der natürlichen Variabilität des Wasserkreislaufs. Das bedeutet: Es treten immer wieder sehr hohe Abflüsse auf, teilweise auch nach langen Zeiträumen.
Obwohl Hochwasser nicht vollständig abwendbar sind, können ihre Auswirkungen gemildert werden. Insbesondere bei großen Hochwasserereignissen spielen technische Hochwasserschutzmaßnahmen sowie sogenannte Retentionsräume eine große Rolle, um Überflutungen und Schäden in hochwassergefährdeten Gebieten zu vermindern. Dabei handelt es sich um Wiesen oder Auflächen, die neben den Bach- und Flussläufen liegen und im Falle eines Hochwassers überflutet werden können, ohne dass größere Schäden entstehen.
Daneben weden auch Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes eingesetzt. Sie zielen auf die Verbesserung des Wasserrückhalts sowie die Minderung von Überflutungen und sind ein wichtiger Baustein des Hochwasserrisikomanagements. Sie ergänzen dabei Maßnahmen der Flächen-, Bau-, Risiko-, Verhaltens- und Informationsvorsorge sowie Maßnahmen zur Erhöhung des natürlichen Wasserrückhalts im Einzugsgebiet und die Katastrophenabwehr.
Technische Hochwasserschutzmaßnahmen sind jedoch nur bis zu einem zuvor festgelegten Schutzziel, dem Bemessungshochwasser, wirksam. Grundsätzlich kann man sagen: Ein hundertprozentiger Hochwasserschutz ist ökonomisch weder sinnvoll und oftmals technisch gar nicht möglich. Bei der Festlegung des Schutzziels muss der Schutzgewinn den ökonomischen Aufwand rechtfertigen. Er sollte daher stets im Rahmen einer Risikoanalyse bewertet werden (Merz, 2006). Durch das mögliche Versagen von Schutzsystemen wie dem Überströmen, Brechen oder Unterspülen von Deichen bleibt immer ein Restrisiko bestehen.
Es gibt vielfältige Möglichkeiten zur Verbesserung des Wasserrückhalts und Maßnahmen zur Minderung von Überflutungen. Im Folgenden werden beispielhaft ausgewählte Schutzmaßnahmen etwas näher beschrieben.
Aue- und Polderflächen
Flussauen sind Niederungen entlang eines fließenden Gewässers. Sie fungieren als natürliche Überflutungsflächen und dienen der Hochwasserrückhaltung. Ist der Wasserstand niedrig, fallen Auflächen trocken. Der Boden einer Aue besteht aus der Schwemmfracht des Flusses, also aus Kies, Sand und Lehm. Auen sind sehr dynamische Lebensräume für zahlreiche Pflanzen und Tiere. Durch die intensive Nutzung durch Land- und Forstwirtschaft, aber auch durch Baumaßnahmen gehen immer mehr natürliche Auelandschaften verloren und damit auch wichtige Überflutungsflächen.
Polder sind ebenfalls Retentionsgebiete (tiefer liegende Fläche), die bei Hochwasser gezielt geflutet werden. Dadurch kann eine Flutwelle für die flussabwärtsgelegenen Gebiete gedämpft und verzögert werden. Für Polderflächen gibt es Bebauungsverbote. Polder sind anders als Auen oftmals von einem Deich umgeben, damit die Flächen nicht schon bei geringem Hochwasser überflutet werden, sondern der Rückhalteraum noch genutzt werden kann, um den Scheitel des Hochwasserwelle gezielt zu dämpfen.
Neben Maßnahmen des Gewässerausbaus sind Deichrückverlegungen und Schaffung von (gesteuerten) Flutpoldern die wichtigsten Maßnahmen zur Reaktivierung oder Schaffung von Retentionsräumen.
Deich
Deiche werden oftmals an Küsten oder auch entlang von Flussläufen angelegt. Es handelt sich um Dämme, die das Hinterland vor Überflutung schützen sollen. Dabei ist die Höhe und Breite eines Deiches unterschiedlich und wird dem jeweiligen Schutzbedarf angepasst.
Bei Hochwasser kann ein Deich brechen oder auch über- oder unterspült werden. Deshalb ist es wichtig, den Zustand eines Deiches wie die Durchfeuchtung oder Abbruchkanten (Erosionsflächen) rechtzeitig zu erkennen und zu bewerten, um bei Bedarf Gegen- oder auch Verstärkungsmaßnahmen vorzunehmen. Deiche sind deshalb vom Hinterland über einen Deichwehrweg zu erreichen, um beispielsweise Sandsäcke anliefern zu können.
Der Deichquerschnitt besteht im Untergrund aus einer durchlässigen Kiesschicht. Darüber folgt eine vergleichsweise undurchlässige Lehm- oder Tonschicht, die den Deich von heraufströmendem Grund- bzw. Flusswasser schützt. Auch die dem Fluss zugewandte Deichseite wird oftmals mit einer Dichtung aus Ton gegen das Durchsickern von Hochwasser geschützt. Zusätzlich können Deiche im Kern auch durch eine Spundwand verstärkt werden, die das Durchströmen verhindern soll. Der Deichkörper besteht aus wasserdurchlässigem Material wie Kies oder Sand. Bewachsen sind Deiche zumeist mit Gras, da die Pflanzenwurzeln den Deich zusätzlich festigen. Deichunterhaltungsmaßnahmen sind eine wichtige Daueraufgabe, um den Schutzgrad der Anlagen aufrecht zu erhalten.
Hochwasserschutzwand
Hochwasserschutzwände oder -mauern werden insbesondere dort errichtet, wo der notwendige Platz für Deiche fehlt. Dies ist zumeist in an Flüssen liegenden Städten, Hafenanlagen oder Industriegebieten der Fall. Die Schutzmauern müssen den Wasserdruck sicher in den Untergrund ableiten und werden vornehmlich als Stahlspundwände oder Stahlbetonmauern ausgeführt. In Gebieten, wo Vorwarnungen mit ausreichender Vorlaufzeit und Zuverlässigkeit verfügbar sind, können auch mobile Konstruktionen eingesetzt werden. Mitunter werden mobile Konstruktionen auch aufgrund von Sichteinschränkungen, oder Veränderungen des Stadt- und Landschaftsbildes durch Hochwasserschutzmauern bevorzugt. Mobile Hochwasserschutzsysteme bestehen zumeist aus im Boden befestigten Stützen und Wandelementen, beispielsweise als Dammbalkensystem. Allerdings müssen sie rechtzeitig aufgestellt werden und erfordern daher eine leistungsfähige Logistik, genügend ausgebildetes Personal für den Aufbau und ausreichend lange Vorwarnzeiten.
Sandsäcke
Mit Hilfe von Sandsäcken können sowohl Deiche verstärkt oder erhöht werden sowie Wohn- oder Gewerbegebiete gegen Hochwasser gesichert werden. Sandsäcke sind in der Anwendung sehr flexibel und können nach kurzer Einweisung auch durch Laien gefüllt und eingesetzt werden. Sandsäcke, die beim Hochwasserschutz eingesetzt werden, bestehen entweder aus Natur- oder Kunststoffasern, wobei Naturfasern im Kontakt mit Wasser aufquellen. Dies erhöht zwar die Stabilität und Dichtigkeit eines Sandsackwalls. Allerdings verrotten diese Säcke auch schneller, sodass diese bei den gesicherten Wällen nur eine beschränkte Einsatzdauer haben können. Der Kontakt mit verschmutztem Hochwasser bedeutet in der Regel eine aufwendige Reinigung des Sandes und erhebliche Kosten für die Entsorgung der Säcke.
Hochwasservorsorge
Das Sicherheitsdenken, dass dem technischen Hochwasserschutz zu Grunde liegt wird zunehmend durch eine Risikokultur abgelöst. Es wurde erkannt, dass das Risiko durch extreme Naturereignisse nicht auf Null reduziert werden kann und dass Katastrophenmanagement als Kreislauf begriffen werden muss. Die Bewältigung einer Katastrophe geht in die Vorsorge für das nächste Naturereignis über. Vor allem nach dem schweren Hochwasser im Jahr 2002 haben viele Bundesländer neue Konzepte für einen nachhaltigen Hochwasserschutz entwickelt, der auf den drei Säulen Natürlicher Rückhalt, Technischer Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge beruht.
Bei der Vorsorge lassen sich verschiedene Bereiche unterscheiden, die jeweils verschiedenen Akteuren zugeschrieben sind.
Die Flächenvorsorge soll die bauliche Entwicklung aus Überschwemmungsgebieten herauszuhalten. In hochwassergefährdeten Gebieten ist die Freihaltung vorhandener noch unbebauter Flächen die wirksamste Methode zur Begrenzung eines Anwachsens des Schadenpotentials. Außerdem dient sie in Ufernähe der Sicherung von Retentionsraum sowie der Ableitung von Hochwasser. In Rahmen der Landes-, Regional- und Bauleitplanung entscheiden die verschiedenen Verwaltungsebenen des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland über die Flächennutzung.
Durch Bauvorsorge können private Haushalte und Unternehmen ihre Schäden an den bereits im Überschwemmungsgebiet vorhandenen Gebäuden und anderen Werten reduzieren, indem sie deren Schadensanfälligkeit vermindern. Am effektivsten wirkt die Bauvorsorge in Gebieten mit häufigen Hochwasserereignissen und geringen Überflutungstiefen.
Verhaltensvorsorge ist die Basis für die Durchführung von effizienten Notmaßnahmen. Jeder Bewohner und jedes Unternehmen in überschwemmungsgefährdeten Gebieten sollte darüber informiert sein, was im Falle eines Hochwassers zu tun ist, bzw. Notfallpläne bereithalten. Teil der Verhaltensvorsorge sind informative und vor allem rechtzeitige Hochwasserwarnungen, wodurch sich Schäden noch kurz vor Eintreten des Ereignisses vermindern lassen.
Risikovorsorge greift, wenn trotz aller Vorsorgemaßnahmen Hochwasserschäden entstehen. Damit ein Hochwasserschaden nicht existenzgefährdend wird, ist finanzielle Vorsorge notwendig. Dafür gibt es verschiedene Strategien: die private Vorsorge durch Ansparen von Kapital, die freiwillige versicherungsgestützte Eigenvorsorge oder das Hoffen auf finanzielle Kompensation durch private Spenden und staatliche Finanznothilfeprogramme. Eine kalkulierbare Entschädigung für alle Betroffenen bieten ein staatlicher Fonds oder eine Pflichtversicherung.
Text: Dr. Ute Münch, fachliche Durchsicht Dr. Kai Schröter, Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ), aktualisiert durch ESKP-Redaktion im März 2020
Quellen
Merz, B., 2006. Hochwasserrisiken - Grenzen und Risiken der Risikoabschätzung. Schweizerbart, Stuttgart.