1. Wie funktioniert das Tsunami-Frühwarnsystem in Indonesien?
2. Wie unterscheidet sich dieses Frühwarnsystem von dem, was schon im Pazifik eingesetzt wird und warum hat man nicht das gleiche verwendet?
3. Warum wurde vor dem 26.12.2004 noch kein Frühwarnsystem im Indischen Ozean eingesetzt?
4. Wie viel kostet alleine die Errichtung des Systems?
5. Wie wird das System auf Dauer finanziell unterhalten?
6. Wie wird die dauerhafte Systemfunktionalität gewährleistet?
7. Was passiert, wenn einige Sensoren ausfallen?
8. Welche anderen Ausfallsicherheiten gibt es?
9. Wie wird verhindert, dass das Frühwarnsystem eine einfache Flutwelle als einen Tsunami erfasst?
10. Wie werden die Sensoren vor Vandalismus geschützt?
11. Das Frühwarnsystem registriert einen Tsunami, der die Küste bedroht. Wie ist das Vorgehen in einer solchen Situation, um die Küstenbevölkerung zu warnen oder eventuell zu evakuieren?
12. Innerhalb von 20 Minuten lässt sich keine Stadt evakuieren. Ist das System damit nicht eigentlich nutzlos?
13. Über welche Kanäle werden Warnungen vor einem Tsunami an die Bevölkerung weitergegeben?
14. Wie können Fehlalarme vermieden werden?
15. Gibt es Katastrophenpläne, die z.B. Fluchtwege beinhalten?
16. Werden Kinder auch schon in der Schule darüber informiert, wie man sich im Notfall zu verhalten hat?
17. Wie viel Zeit ist zwischen Warnung und Eintreffen des Tsunami, wie viel Zeit bleibt also zur Flucht?
18. Welches Personal benötigt das Frühwarnsystem?
19. Wie lange dauert es, dieses Personal auszubilden?
20. Wie wird die Bevölkerung mit Medikamenten, Lebensmitteln und Trinkwasser nach einer Katastrophe versorgt, wenn die Infrastruktur zusammengebrochen ist?
21. Wie viele Länder bzw. Forschungsinstitute haben weltweit an der Entwicklung und/oder Installation des Frühwarnsystems mitgearbeitet?
22. Wie wichtig ist die internationale Kooperation zum Schutz vor Naturkatastrophen und insbesondere Tsunami?
23. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass noch einmal ein Tsunami wie der vom 26.12.04 im Indischen Ozean entsteht?
24. Kann auch Deutschland von einem solchen Tsunami heimgesucht werden?
1.Wie funktioniert das Tsunami-Frühwarnsystem in Indonesien?
In den meisten Fällen wird ein Tsunami durch ein Erdbeben unter dem Ozeanboden ausgelöst, seltener durch Hangrutschungen am Meeresboden. Die Funktionsweise des deutsch-indonesischen Frühwarnsystems basiert im Falle eines starken Erdbebens auf der frühen Registrierung durch Erdbeben-Messgeräte. Die seismologischen Stationen werden in der ganzen Region installiert und durch Stationen der indonesischen Partnerinstitute und anderer Länder ergänzt. Sobald erste Informationen über Ort und Stärke eines Erdbebens vorliegen, werden die anderen Messinstrumente, wie GPS-Stationen und Küstenpegel "abgefragt", ob sie bereits Signale zu einem möglichen Tsunami registriert haben.
Die Daten laufen in dem Warnzentrum in der indonesischen Hauptstadt Jakarta zusammen und werden dort teils automatisch, teils durch erfahrene Spezialisten ausgewertet. Mithilfe von Modellierungen und Simulationen werden erste Ankunftszeiten und die voraussichtlichen Höhen der an Land auftreffenden Wellen berechnet. Das nationale Tsunami-Frühwarnzentrum in Jakarta verteilt die Warnmeldungen an fest definierte und autorisierte Stellen in den Provinzen und Gemeinden, die dann lokale Warnmaßnahmen umsetzen und ggf. Evakuierungs- bzw. Rettungsmaßnahmen einleiten.
2. Wie unterscheidet sich dieses Frühwarnsystem von dem, was schon im Pazifik eingesetzt wird und warum hat man nicht das gleiche verwendet?
Im Vergleich zum pazifischen Tsunamiwarnsystem, das von Hawaii aus betrieben wird, gibt es einen großen Unterschied zum indonesischen Frühwarnsystem: die Wellenlaufzeiten. Südwestlich vor Indonesien erstreckt sich eine geologische Störungszone. Hier kommt es sehr häufig zu Erdbeben, die ihrerseits – ebenso wie starke Hangrutschungen – einen Tsunami auslösen können. Durch die verhältnismäßig kurze Entfernung kann ein solcher Tsunami bereits nach 20 bis 30 Minuten erste Küstenbereiche erreichen. In Hawaii finden wir grundlegend andere Verhältnisse vor. Hier sind die Auslöser eines Tsunamis häufig Erdbeben in größerer Entfernung in den Regionen um Japan, Alaska oder Chile. Es verstreichen oft mehrere Stunden bis Tsunamiwellen die betroffenen Küstenlinien erreichen. Somit sind die Vorwarnzeiten deutlich länger als vor der indonesischen Küste.
Vergleichbare Bedingungen wie in Indonesien liegen für Japan vor, wo schon länger ein Frühwarnsystem betrieben wird. Im Gegensatz zu diesen beiden im Pazifik bestehenden Systemen hat das deutsche System neben den "klassischen" Instrumenten der Seismologie zur Erdbebenlokalisierung und den ozeanographischen Verfahren durch Bojen- und Pegelmessung noch weitere Instrumentierungen integriert. Hier wird z.B. zusätzlich die Technik des Global Positioning Systems (GPS) genutzt, um Verschiebungen von Erdmassen zu messen. Zukünftig sollen auch neuartige Satellitenmethoden eingesetzt werden, die eine globale Vermessung des Meeresspiegels und damit eine Detektion von größeren Wellen ermöglichen.
3. Warum wurde vor dem 26.12.2004 noch kein Frühwarnsystem im Indischen Ozean eingesetzt?
Das Erdbeben vom 26. Dezember 2004 und der nachfolgende Tsunami gehören zweifelsohne zu "Jahrhundertereignissen". Mit einer Magnitude von 9,3 (Mw) gehört dieses als Sumatra-Andaman-Beben bezeichnete Erdbeben zu den weltweit schwersten Beben, die jemals instrumentell registriert wurden. Es gab keinerlei Signale oder Vorzeichen, dass mit einem derart starken Erdbeben und vor allem einem Tsunami von vergleichbarer Zerstörungskraft zu rechnen war. Auch hat die Tatsache, dass über viele Generationen kein vergleichbares Ereignis stattgefunden hat, dazu geführt, dass die Bevölkerung in den betroffenen Regionen eine derartige Gefahr unterschätzt hat.
4. Wie viel kostet alleine die Errichtung des Systems?
Die Entwicklung und Einführung des indonesischen Tsunami-Frühwarnsystems kostete 55 Millionen Euro, die von der deutschen Bundesregierung im Rahmen des Wiederaufbaus in den durch den Tsunami des 26. Dezember 2004 betroffenen Regionen im Indischen Ozean investiert werden. Die Arbeiten umfassen dabei sowohl die Entwicklung und die Installation von Messinstrumenten sowie die Schaffung des eigentlichen nationalen Warnzentrums. Eine wesentliche Rolle spielt aber auch die Ausbildung von Wissenschaftlern zur Betreuung des Warnzentrums, die Ausbildung von Technikern zur Wartung der Systeme sowie Schulungen der Bevölkerung zum Verhalten im Notfall. Dabei spielt die Förderung des Bewusstseins der Bevölkerung vor Ort für die Naturgefahr "Tsunami" eine wichtige Rolle.
5. Wie wird das System auf Dauer finanziell unterhalten?
Das Frühwarnsystem wurde am 29.03.2011 vollständig von Indonesien übernommen und wird seitdem dort durch den nationalen Indonesischen Dienst für Erdbeben, Meteorologie und Klimatologie (BMKG) in Eigenverantwortung betrieben. Das BMKG ist eine staatliche Behörde.
6. Wie wird die dauerhafte Systemfunktionalität gewährleistet?
Der eigentliche Betrieb des Warnsystems liegt mittlerweile in der Verantwortung der Indonesier. Im Rahmen des Projektes GITEWS (German-indonesian tsunami early warning System) wurden sie intensiv auf den Betrieb vorbereitet. Die deutsche Seite unterstützt sie beim Betrieb zusätzlich bis voraussichtlich März 2014 im Rahmen des Nachsorgeprojektes PROTECTS durch weitere Trainingsmaßnahmen. Bei der Wartung von Komponenten des Warnsystems bindet die verantwortliche Behörde aktiv externe Dienstleister mit ein. Diese wurden im Vorfeld in die Trainings- und Ausbildungsmaßnahmen integriert. So kann sichergestellt werden, dass die Expertise erhalten bleibt und weitergegeben werden kann.
7. Was passiert, wenn einige Sensoren ausfallen?
Das System greift auf viele, verschiedene Sensoren zurück. Wenn einzelne Sensoren ausfallen, wird das System als Ganzes weiterlaufen. Bei der Seismologie (Erfassung des Erdbebens) und auch bei den GPS-Landstationen ist es nicht relevant, alle Sensorstationen verfügbar zu haben, da es sich um Netzwerke handelt. Sofern ein Pegel ausfällt, bleiben immer noch Daten der Seismometer und GPS-Netze, sodass Sensor-Redundanzen gewährleistet sind.
8. Welche anderen Ausfallsicherheiten gibt es?
Die Hardware im Warnzentrum ist redundant ausgelegt, das heißt es gibt ein zweites paralleles Rechnersystem. Die Datenübertragung vom Sensor im Gelände zum Warnzentrum hat ebenfalls eine zweite Kommunikationsmöglichkeit. Man spricht hier auch von einer sogenannten Back-up Kommunikation.
9. Wie wird verhindert, dass das Frühwarnsystem eine einfache Flutwelle als einen Tsunami erfasst?
Grundsätzlich bedeutet jede größere Welle, die in Küstennähe gemessen wird, eine potentielle Gefahr für die Küste. Aber nicht jede hohe Welle ist auch eine Tsunamiwelle. Ein Tsunami wird zu 90 Prozent durch Erdbeben, seltener durch Vulkanausbrüche und/oder Erdrutsche ausgelöst. Entsprechende Sensoren erfassen das Ereignis und leiten die Information ans Warnzentrum weiter, wo sie mit weiteren Sensordaten abgeglichen werden. Werden dort tsunamogene Kenngrößen (Parameter) erfasst, wird umgehend ein Warndossier für die gefährdeten Küstenabschnitte herausgegeben.
10. Wie werden die Sensoren vor Vandalismus geschützt?
Landstationen stehen oftmals auf einem eingezäuntem Privat- oder Institutsgelände. Bei den Bojen hat es allerdings immer wieder Fälle von Beschädigung durch Fischerboote gegeben, die an den Bojen festmachen. Fälle von mutwilliger Zerstörung sind bislang trotz vielfach geäußerter Bedenken NICHT aufgetreten. Um dem aber generell vorzubeugen, gibt es von den Vereinten Nationen (UN) ein Aufklärungsprogramm, bei dem insbesondere in den entlegenen ländlichen Regionen die Bevölkerung über die Bedeutung und den Nutzen der jeweiligen Sensorstation aufgeklärt wird, um Vandalismus und Diebstahl zu vermeiden.
11. Das Frühwarnsystem registriert einen Tsunami, der die Küste bedroht. Wie ist das Vorgehen in einer solchen Situation, um die Küstenbevölkerung zu warnen oder eventuell zu evakuieren?
Die Warnmeldung wird im Warnzentrum in Jakarta erzeugt. Von hier aus werden Warnmeldungen an die Regierung und an die lokalen Behörden in den wahrscheinlich betroffenen Gebieten gegeben. Deshalb ist das Warnzentrum 7 Tage die Woche rund um die Uhr mit den jeweiligen Fachexperten besetzt. Aufgrund der Tatsache, dass bereits nach 20-30 Minuten erste Küstenbereiche von der Welle getroffen werden können, müssen dabei viele Aktionen parallel ablaufen. Diese Abläufe und Aktionsketten zu definieren und zu realisieren, ist einer der schwierigsten Teile beim Aufbau eines Frühwarnsystems. Voraussetzung bei den kurzen Frühwarnzeiten ist es, dass die Bevölkerung gut trainiert ist und sofort weiß, wie sie sich bei einer Warnmeldung zu verhalten hat. Das kann nur durch kontinuierliche Information, regelmäßiges Training und Evakuierungsübungen sichergestellt werden. Ein Vorbild ist hier Japan, wo genau diese Verhaltensweisen in den Städten und Siedlungen an den Küsten zweimal pro Jahr trainiert werden.
12. Innerhalb von 20 Minuten lässt sich keine Stadt evakuieren. Ist das System damit nicht eigentlich nutzlos?
Nein. Katastrophenbeben sind zwar unvermeidbar und auch nicht vorhersehbar. Sie werden immer Opfer, auch viele Todesopfer fordern. Aber mit dem Tsunami-Frühwarnsystem wird es möglich sein, die Zahl der Opfer deutlich zu mindern. Das System nutzt nicht nur den Regionen, die innerhalb kürzester Zeit von einer Tsunamiwelle erfasst werden können, sondern auch den weiter entfernten Gebieten, Regionen, Ländern. Und je schneller eine Warnung herausgegeben werden kann, desto mehr Zeit bleibt, um entsprechende Vorkehrungen (z.B. Evakuierungen) treffen zu können. Ein entscheidender und wichtiger Aspekt eines Frühwarnsystems ist nicht nur der Aufbau von technischen Installationen und die bloße Warnung vor einem herannahenden Tsunami. Durch die intensive Beschäftigung mit dem Warnprozess in den Küstenregionen sind viele vorbeugende Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, die ihrerseits die Zahl der möglichen Opfer deutlich reduzieren. Dazu gehören die Erstellung von Gefährdungskarten, die Definition von Fluchtwegen, die Berücksichtigung der Tsunamigefährdung in der Stadt- und Landschaftsplanung oder der Aufbau eines Gefährdungsbewusstseins der Bevölkerung.
13. Über welche Kanäle werden Warnungen vor einem Tsunami an die Bevölkerung weitergegeben?
Die Verbreitung der Warnungen ist Aufgabe des indonesischen Warnzentrums und der indonesischen Regierungsstellen. Sie erfolgt vor allem über Radio, Fax, Mobilfunk, TV, Lautsprecheranlagen an Stränden und an Moscheen und ein Netz lokal installierter Sirenen. Langfristig sollen auch Verfahren wie die Verbreitung über SMS geprüft werden. Diese Möglichkeit ist jedoch nicht optimal geeignet, da es im Katastrophenfall zu Netzüberlastungen und damit zu erheblichen Verzögerungen bei der Versendung von SMS kommen kann. Sicherer sind Lösungen, die auf Radiosendern (UKW, MW) basieren und bei denen ein spezieller Kanal (RDS) vergleichbar dem Verkehrsfunk genutzt werden kann. Entsprechende Radioempfänger, die auch über den Radiosender aktiviert werden können, wenn sie ausgeschaltet sind, wurden bereits erfolgreich getestet und sind auch nicht teuer.
14. Wie können Fehlalarme vermieden werden?
Im Entscheidungsunterstützungssystem (Decison Support System, DSS), einem Programm welches die Sensordaten im Warnzentrum anzeigt und auswertet, wird erkennbar, ob weitere Sensordaten eine Verbesserung des vorhandenen Ergebnisses liefern könnten. Dieses gibt dem verantwortlichen Mitarbeiter mehr Sicherheit bei der Herausgabe einer Warnung.
15. Gibt es Katastrophenpläne, die z.B. Fluchtwege beinhalten?
Im Rahmen des GITEWS-Projekts werden auch Evakuierungspläne und Maßnahmenkataloge zum Schutz der Bevölkerung erarbeitet. Dabei liefert das Wissen und die Erfahrungen der indonesischen Partner zu den lokalen Gegebenheiten den wichtigsten Input, neben der systemtechnischen Einbindung des entstehenden Kartenmaterials etc. in das Frühwarnsystem.
16. Werden Kinder auch schon in der Schule darüber informiert, wie man sich im Notfall zu verhalten hat?
Neben der Durchführung von Trainingskursen und anderen Ausbildungsprogrammen für die Experten, die seit Fertigstellung des Systems das indonesische Warnzentrum betreiben, ist auch die Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren und Risiken eines Tsunami und die Unterrichtung über erforderliche Verhaltensweisen im Falle eines solchen Ereignisses ein großes Thema. Für die Aufklärung in Schulen bereiten erfahrene Partner aus den Bereichen "Internationale Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe" entsprechende Informationen auf und erstellen Unterrichtsmaterialen. Auch werden Übungen zur Evakuierung und wie man sich im Katastrophenfall zu verhalten hat regelmäßig in Schulen durchgeführt.
17. Wie viel Zeit ist zwischen Warnung und Eintreffen des Tsunami, wie viel Zeit bleibt also zur Flucht?
Ziel des Frühwarnsystems ist es, innerhalb von 5 Minuten nach Eintreffen der ersten Anzeichen z.B. eines starken Erdbebens, das einen Tsunami auslösen könnte, eine erste Warnung auszugeben. Unter der Annahme, dass die ersten Küstenlinien bereits nach 20-30 Minuten betroffen sein können, verbleiben ca. 15 Minuten zur Reaktion. Von der Störungszone südwestlich vor Indonesien weiter entfernte Regionen und Nachbarstaaten Indonesiens wie Malaysia, Singapur, Thailand etc. haben jedoch einen Vorlauf von einer Stunde und mehr, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
18. Welches Personal benötigt das Frühwarnsystem?
Auch wenn aufgrund der nur kurzen Reaktionszeit im Falle der Entstehung eines Tsunami viele der Prozesse im Frühwarnzentrum automatisch ablaufen müssen, ist die Erfahrung und das Ermessen von Fachexperten ein bedeutender Faktor bei der Einschätzung, ob eine Warnung der Bevölkerung erforderlich ist oder nicht. Im Warnzentrum in Jakarta werden daher Experten aus den Bereichen Seismologie, Ozeanografie, GPS und Simulation eingesetzt. Die Entscheidung über die Warnung und deren Weitergabe an die indonesischen Regierungsstellen obliegt dabei dem so genannten "Officer on Duty". Die Besetzung der Zentrale erfolgt dabei in einem siebentägigen Schichtbetrieb rund um die Uhr.
19. Wie lange dauert es, dieses Personal auszubilden?
Ende 2008 wurde die Entwicklungsphase abgeschlossen und das Frühwarnsystem in Indonesien installiert. Von Anfang an wurde dabei die Ausbildung von Technikern und Wissenschaftlern durchgeführt. Sie wurden zum einen in jährlich stattfindenden aufeinander aufbauenden Trainingskursen geschult und zum anderen durch mehrmonatige Forschungsaufenthalte bei Projektpartnern in Deutschland bis hin zur Qualifizierung über ein dreijähriges Doktorandenprogramm ausgebildet. Auch beim Aufbau der verschiedenen Sensorsysteme in Indonesien werden deutsche Feldingenieure regelmäßig von einheimischen Technikern begleitet, sodass durch ein sogenanntes "Training on the Job"-Programm das Wissen zum Aufbau, der Wartung und der Reparatur einer jeweiligen Station vermittelt wird. Auch bei der Installation der Kommunikationstechnologie und dem Aufbau der Hardware im Warnzentrum wird indonesisches Personal regelmäßig angelernt. Die Aus- und Weiterbildung war Projektbestandteil bis zur Übergabe des Warnsystems im März 2011.
20. Wie wird die Bevölkerung mit Medikamenten, Lebensmitteln und Trinkwasser nach einer Katastrophe versorgt, wenn die Infrastruktur zusammengebrochen ist?
Ziel muss es sein, bereits in "ruhigen Zeiten" Bestände an Lebensmitteln und Trinkwasser, Medikamenten und ärztlicher Versorgung sowie Materialien zur Bergung und Unterbringung von Betroffenen aufzubauen und zu sichern. Auch geeignete Plätze und Transportwege müssen geplant werden. Hier ist die indonesische Regierung in der Verantwortung, unterstützt durch internationale Organisationen wie das Internationale Rote Kreuz u. a., zu agieren.
21. Wie viele Länder bzw. Forschungsinstitute haben weltweit an der Entwicklung und/oder Installation des Frühwarnsystems mitgearbeitet?
Am GITEWS-Projekt zum Aufbau des deutsch-indonesischen Tsunami-Frühwarnsystems waren auf deutscher Seite neun Einrichtungen beteiligt. Vor Ort wurde das Vorhaben von mehr als zehn indonesischen Partnerorganisationen unterstützt.
22. Wie wichtig ist die internationale Kooperation zum Schutz vor Naturkatastrophen und insbesondere Tsunami?
Diese Kooperation ist sehr wichtig. Sie dient dem Transfer von Wissen, Erfahrung und hoch entwickelter Technologie. Dazu kommt, dass Naturkatastrophen grenzübergreifend sind. So kann z.B. im Falle eines Hochwassers der Ursprung in den Alpenländern liegen, wo Schneemassen tauen, jedoch können die Folgen erhöhter Wasserstände in den benachbarten Ländern viel schwerwiegender sein. Es müssen also auch gemeinsame Strategien und Handlungsweisen entwickelt werden, um eine Region zu schützen. Das Projekt GITEWS beteiligt sich aktiv an diesen Entwicklungen, die im Bereich Tsunami durch die UNESCO, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, koordiniert wird. Das deutsche Frühwarnsystem ist damit auch ein Beitrag zum Aufbau eines operationellen Frühwarnsystems in der Region des gesamten Indischen Ozeans. Prinzipiell sind fast alle Anrainerstaaten des Indischen Ozeans sowie Japan, Frankreich, China und die USA daran beteiligt.
23. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass noch einmal ein Tsunami wie der vom 26.12.04 im Indischen Ozean entsteht?
Aufgrund der von der Störungszone vor Indonesien ausgehenden Gefahr starker Erdbeben, kann die Wiederholung einer vergleichbaren Katastrophe nicht ausgeschlossen werden. Weltweit arbeiten Experten an Untersuchungen, die zeigen sollen, wo in etwa das nächste große Ereignis möglich wäre. Dies vorauszusagen kann jedoch nicht mit absoluter Sicherheit geschehen.
24. Kann auch Deutschland von einem solchen Tsunami heimgesucht werden?
Auch in Europa ist die Gefahr eines Tsunami gegeben, wie die Ereignisse von Lissabon (1755) und im Mittelmeer in der Straße von Messina (1908) zeigen. Aus diesem Grund befassen sich internationale Expertengruppen mit der Entwicklung von Strategien zur bestmöglichen Vorbereitung insbesondere im Mittelmeer- und im Atlantikraum. Hier ist das GITEWS-Projekt ebenfalls beteiligt.
Für Deutschland hingegen spielt das Thema Tsunami in diesem Sinne kaum eine Rolle. Starke Erdbeben als Auslöser eines Tsunami sind hier höchst unwahrscheinlich. Modellrechnungen zu einem Tsunami, der z.B. durch das Abrutschen des norwegischen Kontinentrandes erzeugt werden könnte, zeigen, dass die Laufzeiten der Wellen durch die flache Nordsee so groß sind, dass kaum noch Energie an der Küste ankommt. Die Auswirkungen würden vermutlich in der Größenordnung derer von Sturmfluten liegen, wie sie durch meteorologische Ereignisse wie den Durchzug von Sturmtiefs verursacht werden und bereits mehrfach an der deutschen Nord- und Ostseeküsten aufgetreten sind. Die betroffenen Küstenlinien sind für diese Fälle jedoch gut gewappnet.
Die Fragen beantwortete u. a. Dr. Jörn Lauterjung, Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ)