Wie häufig bei Prozessen, die in der Natur ablaufen, gibt es direkte oder indirekte Zusammenhänge und Abhängigkeiten, die auf den ersten Blick nicht zwingend miteinander in Verbindung stehen. Weite Teile Europas liegen in der Westwindzone zwischen 40° und 60°N. Das bedeutet, dass unser Klima typischerweise durch Westwinde geprägt ist, die maritime Luftmassen zu uns bringen. Zu besonderen Wettersituationen kommt es insbesondere dann, wenn sie deutlich von dieser typischen mittleren Situation abweichen. Im Winter sind die maritimen Luftmassen geprägt durch Wärme und Feuchte, die sie über dem Nordatlantik aufgenommen haben. Sie führen zu einem mildem Klima in Mitteleuropa. Bleiben die Westwinde aus, können kontinentale kalte und trockene Luftmassen aus Norden und Osten nach Europa fließen.
Die Westwinde werden durch den Druckunterschied zwischen subpolarer Tiefdruckrinne und subtropischen Hochdruckgürtel angetrieben. Für Europa sind hier das Azorenhoch (Hochdruckgebiet) und das Islandtief (Tiefdruckgebiet) prägend. Diese sind dynamisch miteinander verbunden und bilden die Nordatlantische Oszillation (NAO), welche die Schwankungen des Druckunterschieds zwischen Azorenhoch und Islandtief beschreibt. In einer positiven Phase der NAO ist der Druckunterschied groß und die Westwinde sind stark ausgeprägt. Als Folge wird im Winter milde feuchte Luft nach Mittel-, Nord- und Osteuropa gebracht. In einer negativen Phase der NAO ist Druckunterschied schwach ausgeprägt. Entsprechend schwach sind auch die Westwinde.
Mit Hilfe statistischer Methoden können nun zusätzlich Zusammenhänge zwischen dem Rückgang des Meereises in den Sommermonaten und Veränderungen der typischen Luftdruck- und Windmuster auf der Nordhalbkugel (Nordhemisphäre) aufgezeigt werden. In Jahren mit geringer Meereisbedeckung im Sommer tritt im darauffolgenden Winter ein im Mittel schwächer ausgeprägter Luftdruckunterschied zwischen mittleren und polaren Breiten auf. Dieser steht mit häufigeren negativen Phasen der NAO in Verbindung. Also Folge wird entsprechend weniger warme Luft über den Atlantik nach Europa transportiert. In Abhängigkeit von der konkreten Wetterlage steigt die Wahrscheinlichkeit für den Einbruch kalter Luftmassen aus Norden und Osten bis nach Mitteleuropa (negative NAO-Lage im Winter) infolge des Meereisschwundes in den arktischen Polargebieten. Damit einhergehend kommt es häufig zu blockierenden Hochdrucklagen über Nord- und Osteuropa.
Durch die Anwendung statistischer Methoden zeigt sich, dass die Arktis Teil des weltweiten Klimasystems ist, in das Einflüsse von außerhalb einwirken. Änderungen in der Arktis wirken sich nicht nur lokal, sondern auch überregional aus. Zum Teil zeigen sich die Folgen auch in weit entfernten Gebieten und der Verlust von Meereis in der nördlichen Polarregion beeinflusst Wetter und Klima von Europa und bis Nordamerika.
Text Dr. Ute Münch, fachliche Durchsicht und Ergänzungen Dr. Ralf Jaiser, Alfred-Wegener Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)