Windböen bergen Risiken
Wind entsteht dadurch, dass Luftteilchen sich im Raum bewegen, um Unterschiede im Luftdruck auszugleichen. Je größer die Luftdruckdifferenz zwischen warmen und kalten Luftströmungen, zwischen Hochdruck- und Tiefdruckgebieten, desto größer der Massenstrom und damit die Windintensität. Die Windrichtung wird durch die räumliche Lage von Hochdruck- und Tiefdruckgebieten bestimmt. Ein zweiter bestimmender Faktor ist die Corioliskraft: Durch die Rotation der Erde werden Teilchen und Körper, die sich in der Atmosphäre bewegen, abgelenkt und es kommt zu großen Rotationsbewegungen in der Luft.
Meist weht Wind nicht gleichmäßig. Vielmehr unterliegt ein lokales Windfeld natürlicherweise einer starken räumlichen und zeitlichen Variabilität. Das heißt, der Wind weht böig. Windintensität und Windrichtung können in Böen jäh und kurzzeitig wechseln. Das macht Böen gefährlich und ist oft die Ursache für Sturmschäden. Sturmschäden entstehen zum einen durch die sogenannte Windlast – eine Kraft, die als Druck oder Sog zum Beispiel auf Bauwerke, Windkraftanlagen oder Bäume einwirkt. Andererseits entstehen sie aber häufig durch starke Wechsel in Geschwindigkeit und Richtung des Windes, das heißt durch Böen. Starke Windböen können zum Beispiel startenden oder landenden Flugzeugen und Helikoptern gefährlich werden. Sie sind aber auch ein besonderes Problem für den Betrieb von Windkraftanlagen. Windkraftanlagen „ernten“ den Wind nicht nur, sondern sind auch dem Winddruck ausgesetzt. Durch eine starke Böe rotiert der Rotor schneller – zu schnell, die Windräder werden beschädigt, es kommt zu Leistungsüberschwingern und stärkerem Verschleiß. Wenn es nun aber möglich wäre, Windböen kurzfristig vorherzusagen, könnten die Rotorblätter rechtzeitig aus dem Wind gedreht, die Belastung verringert und mögliche Überschwinger und Schäden abgewendet werden. Bislang ist die Vorhersage von Windböen jedoch sehr schwierig.
Windböen - eine Herausforderung für Messungen und Vorhersagen
Um zu verstehen, warum es so schwierig ist, das Auftreten von Windböen an einem bestimmten Ort, zum Beispiel in einem Windpark, zumindest einige Minuten vorherzusagen, zunächst ein kurzer Blick auf das Wesen einer Windböe. Was macht eine Windböe aus?
Die klassische Definition einer Windböe beruht auf der Veränderung der Windgeschwindigkeit in der Zeit, physikalisch also quasi einem Stoß. Eine Böe bewegt sich aber auch räumlich. Dieses Auftreten in Zeit und Raum kann mit traditionellen Instrumenten der Windmessung nicht gemessen werden. Klassische in-situ-Messungen mit Anemometern geben typischerweise ein 10-Minuten-Mittel an einem einzigen Punkt an. Diese traditionellen Messmethoden sind also in der Regel offensichtlich ungeeignet, um Windfelder in Zeit und Raum zu beobachten und das Auftreten und die Bewegung von Windböen zu messen oder gar vorherzusagen.
Daher war bislang eine auch nur kurzzeitige Vorhersage des lokalen Windfeldes und von Windböen nicht zu realisieren. Eine solche Vorhersage ist aber insbesondere für die Windenergie-Nutzung von besonderem Interesse. Und sie könnte einen Beitrag zur effizienteren Nutzung von Offshore-Windkraftanlagen leisten. Hier bietet die Radartechnik als bildgebendes Verfahren innovative Möglichkeiten, um Windfelder – und nicht nur einzelne Punkte – zu messen und zu analysieren. Die Radarhydrologen am Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG), arbeiten daran, Windböen über dem Meer durch Einsatz von Radartechnologie zu untersuchen, zu beschreiben und vorherzusagen.
Und jetzt: Windböen mit Radartechnik messen und vorhersagen
Bislang war es nicht möglich, Wind kontinuierlich, mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung in einem bestimmten Gebiet zu messen und dann Windböen vorherzusagen. Neuartige Methoden der Windmessung, die mit land- oder schiffsgestützten Mikrowellenradarsystemen arbeiten, können dieses Problem lösen. Am Institut für Küstenforschung des HZG wurden Mess- und Berechnungsmethoden entwickelt, mit denen das lokale Windfeld an der Meeresoberfläche in Raum und Zeit quantifiziert und für einen kurzen Zeitraum (30-60 s) prognostiziert werden kann.
Die Idee: Es gibt physikalische Zusammenhänge zwischen der Radar-Rückstreuung und der Windgeschwindigkeit, der Windrichtung und dem Abstand zum Radar. Grundlage ist die kontinuierliche Messung der Intensität der Radar-Rückstreuung der Meeresoberfläche. Wenn dann die Abhängigkeit der Radar-Rückstreuung von der Windgeschwindigkeit, der Windrichtung und vom Abstand zum Radargerät von den Wissenschaftlern mathematisch gut beschrieben werden kann, ist es möglich, daraus den Wind – in Richtung und Geschwindigkeit – zu bestimmen.
Das Radar nimmt kontinuierlich alle 2 Sekunden in einem Bereich mit einem Radius von maximal 3,5 km um das Radargerät herum 1,68 Millionen Messpunkte auf. Die Messwerte werden räumlich und zeitlich gemittelt, so dass die kontinuierlichen Windmessungen in der Regel mit einer räumlichen Auflösung von ca. 50 m und in 10-Sekunden-Intervallen über jeweils eine Minute gemittelt (gleitender Mittelwert) zur Verfügung stehen. Zum Vergleich: Klassische in situ-Messungen mit Anemometern geben typischerweise ein 10-Minutenmittel an einem einzigen Punkt an. Die berechneten Werte sind dann besonders zuverlässig, wenn Daten aus Langzeitmessungen, mindestens aus ein bis zwei Stürmen, vorliegen. Das maschinelle Lernen beruht auf diesen großen Datensätzen. Diese immens hohe räumliche und zeitliche Auflösung der Messungen ermöglicht, Windböen zu identifizieren und sie räumlich und zeitlich zu vermessen. Die gemessenen Werte werden dann mit Hilfe eines einfachen Modells zur Kurzeitvorhersage der Windgeschwindigkeit genutzt.
Wozu Windböen vorhersagen – mögliche Anwendungen
Kurzfrist-Vorhersagen von Böen, das heißt die Vorhersage von Windgeschwindigkeit und -richtung für einen bestimmten Ort an der Meeresoberfläche bereits 30 – 60 Sekunden vor deren Eintreffen, sind für verschiedene Anwendungen relevant. Eine Vorwarnung vor starken Windböen ist zum Beispiel für Segler wichtig. Sie kann aber auch besonders hilfreich sein, wenn Hubschrauber bei der Wartung von Offshore-Windkraftanlagen oder auf Ölplattformen eingesetzt werden und auf den Plattformen landen müssen.
Ein weiterer wesentlicher Punkt ist, dass die hier beschriebene innovative Kurzeitvorhersage der Windgeschwindigkeit über dem Meer auch einen Beitrag zur effizienteren Nutzung von Offshore-Windkraftanlagen leisten kann. Nach einer Vorwarnung können die Rotoren innerhalb von wenigen Sekunden anders ausgerichtet. Damit wird weniger Windenergie geerntet und Leistungsüberschwinger werden vermieden. Durch eine bessere Kurzzeit-Vorhersage ist es daher möglich, die Windkraftanlagen näher an der Volllast des Netzes zu fahren, die Windausnutzung zu verbessern und insgesamt mehr Wind zu „ernten“.
Text: Dr. Christiane Eschenbach (HZG) und Dr. Jochen Horstmann (HZG)
Forschungsteckbrief
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie förderte das Forschungsprojekt (Teilvorhaben 0325915C) mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt in dem Zeitraum vom 01.12.2015 bis 30.11.2018.
DOI
https://doi.org/10.48440/eskp.056
Veröffentlicht: 15.04.2019, 6. Jahrgang
Zitierhinweis: Eschenbach, C. & Horstmann, J. (2019, 15. April). Windböen kurzfristig vorhersagen. Earth System Knowledge Platform [eskp.de], 6. doi:10.48440/eskp.056