Um die Energiewende zu meistern, ist es notwendig neue Methoden und Techniken zur Speicherung von erneuerbaren Energien zu entwickeln. Der geologische Untergrund bietet hier großes Potential, sodass Energie in Zeiten großer Verfügbarkeit gespeichert und bei Bedarf genutzt werden kann. Das Projekt ANGUS+ erforscht das Potential von Kavernen und porösen Gesteinsschichten als geologische Speicher sowie mögliche Umweltwirkungen solcher Speicher und definiert Konzepte für eine nachhaltige unterirdische Raumplanung.
Energiespeicherung als Bestandteil der Energiewende
Die Transformation der Energiegewinnung von fossilen zu erneuerbaren Ressourcen als Teil der Energiewende in Deutschland ist notwendig für die Abschwächung von Folgen des Klimawandels und die nachhaltige Gestaltung von Technologien zur Energieerzeugung. In Deutschland werden diese Prozesse durch den bis 2022 geplanten Ausstieg aus der Atomenergie noch beschleunigt. Die Bundesregierung legt in ihrer diesbezüglichen Strategie besonderen Wert auf die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen und die Verbesserung der Energieeffizienz. Bis 2030 soll der gesamte Endenergieverbrauch in Deutschland zu 30 % aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden, der Endenergieverbrauch im Stromsektor zu 50 %. Im Jahr 2014 lagen diese Zahlen bereits bei 13,5 % bzw. 27,4 %.
Bekanntlich unterliegt die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne starken natürlichen Schwankungen, die in der Regel nicht den täglichen und jahreszeitlichen Schwankungen des Energiebedarfs folgen. In Zeiten eines großen Energiedargebots aus erneuerbaren Quellen reichen die verfügbaren Stromtrassen nicht aus, so dass zunehmend Kraftwerke zeitweise vom Netz genommen werden müssen. Umgekehrt kann es in Zeiten geringen Energiedargebots aus erneuerbaren Quellen zu Engpässen in der Energieversorgung kommen, die durch entsprechende Sicherungskapazitäten ausgeglichen werden müssen. Energiespeicherung kann helfen, dieses zeitweise Ungleichgewicht zwischen Energiebereitstellung und Energiebedarf auszugleichen. Somit unterstützt der Betrieb von Energiespeichern die Sicherstellung eines zu jedem Zeitpunkt ausreichenden Energiedargebots und die wirtschaftlich effiziente sowie ökologisch nachhaltige Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Der geschätzte Bedarf an zu speichernder Energie ist jedoch gegenwärtig noch mit großen Unsicherheiten verbunden, wird aber allein für Deutschland im Bereich von mehreren Terrawattstunden angenommen, was etwa mit der Jahresproduktion eines Kernkraftwerkes vergleichbar ist.
Speicherung von Energieträgern und Energie im geologischen Untergrund
Die Energieproduktion aus nicht ständig verfügbaren erneuerbaren Quellen kann in Zeitskalen von jahreszeitlich über täglich bis hinab zu kürzer als stündlich fluktuieren. Das erfordert auch Speicher, die innerhalb dieser Zeitskalen be- und entladen werden können. Der geologische Untergrund ist prinzipiell geeignet, erhebliche Mengen an stofflichen Energieträgern (z. B. Wasserstoff, synthetisches Methan), potenzieller Energie (Druckluft) oder Wärmeenergie zu speichern. Diese Energie wurde unter Nutzung von zeitweiligen Stromüberschüssen erzeugt und kann bei Bedarf wieder zur Gewinnung von Strom oder Wärme aber auch als Rohstoffe für andere Industriezweige eingesetzt werden. Dabei ist sowohl Langzeitspeicherung als auch Kurzzeitspeicherung bis hin zu täglichen Zyklen möglich. Zur Speicherung können poröse geologische Schichten (für stoffliche Energieträger, potenzielle und Wärmeenergie) sowie Hohlräume im Untergrund (für stoffliche Energieträger und potenzielle Energie) genutzt werden. Letztere werden meist künstlich in Form von Kavernen, in der Regel in Salzstöcken, errichtet. Geologische Speicheroptionen können nach dem Speicherumfeld und den Speichermedien differenziert werden: Sensible Wärmespeicher werden typischerweise in oberflächennahen Schichten bis zu einer Tiefe von einigen Hundert Metern angelegt. Zur Gasspeicherung für stoffliche Energieträger sind besonders tiefere Formationen (mehrere Hundert Meter bis über zwei Kilometer Tiefe) geeignet.
Der geologische Untergrund verfügt zwar über sehr große Speicherkapazitäten, ist jedoch ein sensibel ausbalanciertes Umweltsystem. Um den geologischen Untergrund ökologisch nachhaltig nutzen zu können, müssen die potenziellen Einflüsse geologischer Speicheraktivitäten auf andere Untergrundnutzungen bereits im Auslegungsprozess für die geotechnischen Systeme sowie bei der Planung von Monitoringmaßnahmen zur Überwachung vorgesehener Standorte untersucht und berücksichtigt werden. Das gilt besonders, wenn Schutzgebiete wie Grundwasserreservoire zur Trinkwassergewinnung in der Umgebung der zu errichtenden geologischen Speicher anzutreffen sind und potenziell mit diesen interagieren könnten. Zu vermeiden sind ebenso Leckagen, die zu einem möglichen Austritt von Speichergut oder in den genutzten geologischen Schichten vorhandenen Formationsfluiden an die Oberfläche und somit in die Atmosphäre und die oberirdische Hydro- sowie Biosphäre führen können.
Verbundprojekt ANGUS+
Ein angemessenes System- und Prozessverständnis, umfassende prognostizierende Szenarienanalysen sowie eine vorausschauende unterirdische Raumplanung sind daher dringend geboten, um eine wirtschaftlich effiziente und ökologisch nachhaltige Bewirtschaftung des geologischen Untergrundes zu realisieren. Die Analyse geologischer Speicheroptionen als Schlüsselaspekt bei der Transformation von Energiesystemen hin zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Ressourcen nimmt, basierend auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft, in diesem Konzept einen breiten Raum ein. Das Projekt ANGUS+ untersucht die Potentiale und Auswirkungen einer Speicherung von stofflichen Energieträgern und Wärmeenergie im geologischen Untergrund genauer. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten steht die Entwicklung von Methoden und Instrumenten zur Analyse, die Bewertung und Prognose des Systemverhaltens im gesamten von geologischen Speicheraktivitäten beanspruchten und beeinflussten unterirdischen Raum, die Interaktionen geotechnischer Speicher mit der Umwelt sowie die Monitoringanforderungen zu ihrer Überwachung.
Die übergeordneten Ziele von ANGUS+ sind die Entwicklung von
· Methoden und Datengrundlagen für die Abschätzung voraussichtlicher Speicherkapazitäten in geologischen Formationen,
· Methoden für die Prognose und das Monitoring von Auswirkungen, die von den betrachteten Speicheroptionen induziert werden können und
· Instrumenten sowie ersten Konzepten für eine nachhaltige unterirdische Raumplanung.
Insbesondere das mit den Projektergebnissen von ANGUS+ gewonnene Wissen über potenzielle Auswirkungen und Monitoringanforderungen geologischer Speicheraktivitäten sowie deren Interaktionen mit anderen Bewirtschaftungsformen des Untergrundes (z. B. Wasser- und Abwassersysteme) sind von großem praktischen Interesse für in diesem Bereich tätige Unternehmen, Behörden und die Politik. Über die aktuellen Ergebnisse kann man sich auf der Projektwebsite angusplus.de informieren. Die Einbeziehung dieser Erkenntnisse in die Entwicklung einer unterirdischen Raumplanung resultiert in deutlich verbesserten Planungsinstrumenten und -unterlagen für die Auslegung geologischer Speicher. Damit lassen sich gegenseitige Beeinflussungen geotechnischer Aktivitäten sowie unnötiger Verbrauch unterirdischen Raums durch ineffiziente Bewirtschaftungsansätze besser erkennen und vermeiden. Im Zusammenhang mit geologischen Speicheraktivitäten und einer damit verbundenen unterirdischen Raumplanung wurden in ANGUS+ drei Kategorien von Räumen definiert: (1) der Nutzungsraum, der den unmittelbar durch die Speicheraktivität beanspruchten Raum umfasst (Injektionsgebiet und technische Installationen), (2) der Auswirkungsraum, in dem unmittelbare Auswirkungen der Speicheraktivität zu beobachten sind (z. B. Temperatur- oder Druckerhöhungen) und (3) der Monitoringraum, der frei von weiteren Bewirtschaftungsformen sein sollte, um die darin installierte Monitoringtechnik nicht zu beeinflussen.
Die induzierten Prozesse und Auswirkungen geologischer Speicheraktivitäten in den definierten Räumen wurden in ANGUS+ anhand synthetischer, jedoch realistischer, Szenariensimulationen einzelner Speicheroptionen sowie der teilweisen Kopplung von Untergrundnutzungen abgebildet. Literaturstudien und Laborexperimente dienten der Analyse der zu betrachtenden Prozesse und der Parametrisierung numerischer Modelle für die virtuellen Standorte. Hochentwickelte numerische Instrumentarien wie die wissenschaftliche Open-Source-Softwareplattform OpenGeoSys gestatten die Simulation der gekoppelten thermischen, hydraulischen, mechanischen und (geo)chemischen Prozesse, die während der Speicheraktivitäten in den definierten Szenarien ablaufen. Die verwendeten mathematisch-physikalischen Modelle sowie die numerischen Verfahren und Algorithmen besitzen eine verallgemeinerbare Gültigkeit für geotechnische Aktivitäten. Somit dient die Simulation virtueller Speicherszenarien der Validierung der Modelle sowie Verfahren und bestätigt deren Nutzbarkeit in realen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die numerisch ermittelten Werte für die räumliche Ausdehnung und das Ausmaß induzierter Prozesse können als Grundlage für die Evaluierung von Monitoringmaßnahmen zur Überwachung der Speicheraktivitäten dienen. Umfangreiche Daten zu geologischen Strukturen und Parametern, zu Schutzgebieten und zur Energieinfrastruktur wurden in ANGUS+ am Beispiel Schleswig-Holsteins in ein neu entwickeltes, webbasiertes räumliches 3D-Informationssystem integriert und in ausgewählten Beispielen für 3D-Visualierungen aufbereitet.
Forschungssteckbrief
Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat zusammen mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ in Leipzig, dem Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ sowie der Ruhr-Universität Bochum das Projekt ANGUS+ initiiert, in dem die Potentiale und Auswirkungen einer Speicherung von stofflichen Energieträgern und Wärmeenergie im geologischen Untergrund genauer untersucht werden. (ANGUS+ steht für: Auswirkungen der Nutzung des geologischen Untergrundes als thermischer, elektrischer oder stofflicher Speicher im Kontext der Energiewende). Das Projekt ANGUS+ wird von Juli 2012 bis Juni 2017 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Im Nachfolgeprojekt ANGUS II werden ab Januar 2017 wesentliche Arbeiten zur Erforschung geotechnischer Energiespeicher für weitere vier Jahre fortgeführt, nunmehr gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die Akzente auf der Forschung im Projekt ANGUS II liegen dabei auf der Nutzung von Porenspeichern, potenziellen Umweltauswirkungen geologischer Speicheraktivitäten und der Integration geotechnischer Speicher in das Energiesystem.
Weiterführende Informationen
ANGUS+ Projektwebsite: angusplus.de
Bauer S, Beyer C, Dethlefsen F et al. (2013): Impacts of the use of the geological subsurface for energy storage. Environ. Earth Sci. 70: art. 3935. DOI:10.1007/s12665-013-2883-0
Kabuth A, Dahmke A, Beyer C, Bilke L, Dethlefsen F, Dietrich P, … Bauer S (2017): Energy storage in the geological subsurface: dimensioning, risk analysis and spatial planning: the ANGUS+ project. Environ. Earth Sci. 76(1), 23. doi:10.1007/s12665-016-6319-5
Kolditz O, Bauer S, Bilke L et al. (2012): OpenGeoSys: an open-source initiative for numerical simulation of thermo-hydro-mechanical/chemical (THM/C) processes in porous media.Environ. Earth Sci. 67(2): 589-599. DOI:10.1007/s12665-012-1546-x