Überall nehmen Extremwetterereignisse zu. Um die zugrunde liegenden Prozesse in der Atmosphäre zu verstehen, diese zu bewerten und deren Vorhersage zu verbessern, entwickeln Meteorologen seit vielen Jahren Computermodelle, die diese Prozesse abbilden. Um ihre Genauigkeit zu erhöhen, verwenden diese Modelle eine immer feinere räumliche Auflösung. So können Prozesse, die auf kleinem Raum stattfinden, wie die Bildung von lokalen Unwettern, einbezogen werden. Des Weiteren sind besonders regionale Klimasimulationen interessant, da sie die zu erwartenden Veränderungen des Wetters und die damit zusammenhängenden Veränderungen für den Menschen und seine Umwelt auf einer regionalen Skala abbilden. Dies führt zu immer komplexer und feiner aufgelösten Modellen. Dadurch werden auch die Simulationsdaten, die die Modelle erzeugen, stetig größer und die zu betrachtenden Variablen, wie Temperatur, Luftdruck und Niederschlag, immer umfangreicher. Folglich stoßen herkömmliche Analyseverfahren an ihre Grenzen und es müssen neue Wege gefunden werden, diese Datensätze auszuwerten.
Mit Hilfe der wissenschaftlichen Visualisierung werden deshalb am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Methoden entwickelt, auch große Datenmengen effektiv zu analysieren und damit die Auswertung zu erleichtern. Dabei wird sich die Fähigkeit des Menschen zunutze gemacht, Information visuell schneller zu erfassen als es beispielsweise bei Information in Textform möglich ist. Dafür wurden in den letzten Jahren Visualisierungsapplikationen für verschiedene Forschungsbereiche entwickelt, die es Wissenschaftlern ermöglichen, Daten unterschiedlicher Formate zu visualisieren. Dabei bedienen sie sich unter anderem moderner Technik, wie der Nutzung von Virtual Reality Umgebungen. Die Applikationen können je nach Ausrichtung Daten unterschiedlicher Komplexität (1D, 2D oder 3D Daten) darstellen und bieten den Nutzern Interaktionsmöglichkeiten, die helfen, die Daten zu analysieren und die gewünschte Information herauszufiltern.
Exakte Vorhersagen möglich
Eine Forschergruppe am UFZ hat in Zusammenarbeit mit Meteorologen der Universität Hohenheim und Spezialisten des Deutschen Klimarechenzentrums in Hamburg anhand eines Fallbeispiels die Visualisierungsapplikation MEVA (Multifaceted Environmental Data Visualization Application) entwickelt. Im Fallbeispiel werden Simulationen betrachtet, die auf dem Weather Research and Forecast Model (WRF) basieren, welches die Grundlage für viele Wettervorhersagen bildet. Es bezieht regionale Beobachtungsdaten von Wetterstationen, Radargeräten und Satellitendaten sowie Ergebnisse aus Simulationen globaler Modelle und ältere Vorhersagen ein. Durch diese umfangreichen Eingangsdaten wird eine möglichst akkurate Vorhersage gewährleistet. Das im Fallbeispiel betrachtete Wetterereignis beschreibt einen warmen Sommertag mit Temperaturen um die 30°C. Der Boden ist durch die Temperatur aufgeheizt und es herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Die Atmosphäre ist instabil und es entwickeln sich Konvektionszellen. Im betrachteten Gebiet bildet sich im Verlauf eine Superzelle, welche Unwetter mit sich bringt.
Wie gut sich die Entwicklung der Superzelle bei Verwendung verschiedener horizontaler Auflösungen darstellen lässt, war das Ziel der Wissenschaftler. Die Simulationsdaten wurden außerdem zusammen mit weiteren Daten, wie der Topographie, welche das Gelände der Region beschreibt, dem Gewässernetzwerk und Beobachtungsdaten (z.B. Temperatur, Niederschlag, Windgeschwindigkeit) dargestellt. Dadurch konnten Zusammenhänge und Abweichungen sichtbar gemacht werden. Die Visualisierungsapplikation mit dem Fallbeispiel steht auf MEVA-Webseite zum Herunterladen und Verwenden bereit. Eine Online-Version der Applikation ist bereits in Planung.
Durch die Verwendung von MEVA war es den Wissenschaftlern möglich, einen schnellen Einblick in ihre komplexen Datensätze zu erhalten. Dadurch konnten Hypothesen überprüft sowie neue entwickelt werden. So konnten zum Beispiel Prozesse, wie der Stofftransport in Wolken hinein und aus diesen heraus, genauer untersucht werden und Simulationen mit Beobachtungsdaten abgeglichen werden.
Um einen möglichst echten 3D-Eindruck zu erhalten, wurden die Daten am UFZ in einer modernen Virtual Reality Umgebung, dem TESSIN VisLab, auf ein Display von 3 x 6 Metern projiziert. Durch das Tragen einer 3D Brille, die für jedes Auge ein Bild aus einer unterschiedlichen Perspektive erzeugt, entsteht für den Nutzer ein räumlicher Eindruck. Im TESSIN VisLab ist es möglich, mit mehreren Teilnehmern gleichzeitig einen Blick auf die Daten zu werfen und diese gemeinsam zu diskutieren. Neben dieser Umgebung werden auch mobile 3D-Geräte, wie ein Head Mounted Display (eine Brille mit integriertem 3D-Display) genutzt, um die Daten auf Konferenzen und Messen zu präsentieren.
Computerspiel-Engine als Grundgerüst
Um die Wissenschaftler bei der Analyse und dem Vergleich ihrer Daten zu unterstützen, wurden Interaktionsmethoden für die Virtual Reality Umgebung entwickelt, die es unter anderem ermöglichen, die Daten aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Als Basis der entwickelten Applikation dient eine Computerspiel-Engine, ein Programmiergerüst wie es zur Entwicklung von Computerspielen verwendet wird. Sie stellt grundlegende Funktionen für die Interaktion zur Verfügung, wie sie auch aus Computerspielen bekannt sind. Da es sich bei den betrachteten Daten um sehr umfangreiche Datensätze mit unterschiedlicher Struktur und einer Vielzahl an Variablen, die in Wechselbeziehungen zueinander stehen, handelt, war es außerdem notwendig, neue Visualisierungsmethoden zu entwickeln und zu kombinieren. So konnte auch für diese Datensätze eine übersichtliche Visualisierung erzeugt werden.
Die wissenschaftliche Visualisierung bildet ein wichtiges Instrument bei der Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft. Bei der Entwicklung der Visualisierungsapplikation wurde darauf geachtet, dass diese auch für andere Fallbeispiele mit Daten aus anderen Forschungsbereichen (z.B. Stadtforschung, Meeresforschung) nutzbar ist. Es sind weitere Projekte in Zusammenarbeit mit anderen Helmholtz-Zentren und Hochschulpartnern geplant, die unter anderem Ergebnisse verschiedener Forschungsbereiche visualisieren und somit verbinden sollen (z.B. "Stadt der Zukunft" mit Klimadaten und Sozioökonomischen Daten).
Um auf die Herausforderungen des Klimawandels und den damit verbunden Änderungen in unserer Umwelt reagieren zu können, ist ein tiefes Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse und Phänomene notwendig. An diesem Punkt wird mit der wissenschaftlichen Visualisierung von Umweltdaten ein Beitrag geleistet, Daten und Modelle einfacher zu analysieren und zu validieren, um auf diese Weise die Aussagefähigkeit von modellbasierten Vorhersagen zu verbessern.