Der Vulkan Ontake ist mit einer Höhe von von 3.067 Metern nach dem Fuji der zweitgrößte Vulkan Japans. Er ist mit seinen dort am Berg gelegenen heiligen Schreinen ein beliebtes Ziel für Tourist*innen und Pilger. Besonders bei gutem Wetter befinden sich regelmäßig Menschen in unmittelbarer Nähe des Kraters. Im September 2014 wurde dies mehr als 60 Besucher*innen zum Verhängnis. Eine plötzliche Explosion produzierte eine mehrere Kilometer hohe Aschesäule sowie einen pyroklastischen Strom. Die meisten Besucher*innen starben durch herausgeschleuderte Gesteinsbrocken.

Japanische Vulkane gehören zu den am besten überwachten Vulkanen der Welt. Warum also konnten die Menschen nicht rechtzeitig gewarnt und der Berg evakuiert werden? Vulkaneruptionen kündigen sich im Allgemeinen durch verschiedene Signale an, die mit dem Aufstieg des neuen Magmas durch die Erdkruste zusammenhängen: Erdbeben und Erdvibrationen, sogenannter vulkanischer Tremor, Änderungen in der Zusammensetzung vulkanischer Gase und das Aufwölben von Vulkangebäuden gehören zu den zuverlässigsten Anzeigern für eine bevorstehende Eruption.

Wieviel Zeit zwischen den ersten Signalen und der Eruption vergeht, ist abhängig vom jeweiligen Vulkan und seiner individuellen Dynamik, die zum Beispiel mit der Magmabeschaffenheit und lokalen Krustenstrukturen zusammenhängt. Im Fall der Ontake-Explosion vergingen nur 11 Minuten zwischen dem ersten Auftreten eines Tremors und dem Beginn der Eruption. Dies ist für eine Evakuierung viel zu wenig Zeit. Zudem ist ein Tremor allein noch kein eindeutig identifizierbares Warnsignal. Weitere Signale, wie zum Beispiel eine Aufwölbung, konnten erst im Nachhinein in den Überwachungsdaten identifiziert und mit der Eruption assoziiert werden.

Aufsteigendes Magma macht sich in den Überwachungssystemen als "Lärm" bemerkbar. Bei der Ontake-Eruption jedoch war kein Magma beteiligt, es gab also in dieser Hinsicht keine Vorwarnzeichen. Doch wie kann ein Vulkan ohne Lava ausbrechen? In vielen vulkanischen Gebieten finden sich Grundwasserleiter im Untergrund. Wer schon einmal einen Geysir, zum Beispiel den den berühmten Geysir "Strokkur" auf Island, besucht hat, weiß, dass auch Wasser das Potential zu Explosionen hat. Wenn Wasser verdampft, nimmt sein Volumen um ein Vielfaches zu. Verdampfen große Mengen Wasser zeitgleich, kann die schlagartige Volumenausdehnung zu einer "Dampfexplosion" führen. Zur Funktionsweise von Geysiren liefert der ESKP-Beitrag "Geysire: Wie entstehen die berühmten Wasserfontänen?" wichtige Hintergrundinformationen.

Wie funktionieren Dampf-getriebene Eruptionen?

Ein typischer Mechanismus für solche Dampf-getriebenen Explosionen an Vulkanen, sogenannte phreatische oder hydrothermale Eruptionen, liegt in der plötzlichen Druckentlastung von heißem Wasser. Die Siedetemperatur von Wasser liegt bekanntermaßen bei 100 °C. Dies gilt jedoch nur unter normalem Atmosphärendruck. Unter erhöhten Drücken, wie sie in größeren Erdtiefen vorherrschen, bleibt Wasser auch bei höheren Temperaturen flüssig.

Wenn unter Druck stehendes Wasser, das genügend heiß ist, nun plötzlich entlastet wird, liegt seine Temperatur auf einmal über dem Siedepunkt und es verdampft daher schlagartig. Abhängig u.a. von der verdampfenden Wassermenge, sowie den Druck- und Temperaturbedingungen, kann die entstehende Explosion stark genug sein, um umgebendes Gestein zu fragmentieren und so Aschesäulen und pyroklastische Ströme erzeugen. Solch eine Druckentlastung entsteht zum Beispiel, wenn durch eine Hangrutschung die Auflast auf einem darunterliegenden Grundwasserleiter verringert wird. In vulkanischen Gebieten sind Grundwasserleiter häufig durch das in der Tiefe liegende Magma aufgeheizt. Es entstehen sogenannte hydrothermale Systeme, die oft sowohl Wasserdampf als auch flüssiges Wasser führen. Viele dieser Systeme haben durch die erhöhten Temperaturen das Potential, zum Ursprung derartiger Explosionen zu werden.

Im Falle der Ontake-Eruption bahnte sich eine große Menge Wasserdampf, die aus einem hydrothermalen System in der Tiefe stammte, ihren Weg an die Oberfläche. Dies führte zu einer Druckentlastung im Hydrothermalsystem, was wiederum die explosionsartige Verdampfung des dort vorhandenen Wassers und damit die Eruption verursachte.

Das bedeutet: Auch scheinbar ruhige, inaktive Vulkane können ohne Vorwarnung plötzlich eruptieren. Die Intensitäten phreatischer Eruptionen sind im Vergleich zu ihren magmatischen Geschwistern oft eher klein. Wie der Fall Ontake zeigt, stellen aber auch sie eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Dies gilt insbesondere für Vulkantouristen, die sich in der Nähe des Kraters aufhalten.

Text: Karen Strehlow, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

Referenzen

  Kaneko, T., Maeno, F. & Nakada, S. (2016). 2014 Mount Ontake eruption: characteristics of the phreatic eruption as inferred from aerial observations. Earth, Planets and Space, 68:72. doi:10.1186/s40623-016-0452-y

  Mastin, L. G. (1995). Thermodynamics of gas and steam-blast eruptions. Bulletin of Volcanology, 57(2), 85-98. doi:0.1007/BF00301399

  Tsunematsu, K., Ishimine, Y., Kaneko, T., Yoshimoto, M., Fujii, T. & Yamaoka, K.(2016). Estimation of ballistic block landing energy during 2014 Mount Ontake eruption. Earth, Planets and Space, 68:88. doi:10.1186/s40623-016-0463-8

DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.051

Veröffentlicht: 22.11.2016, 3. Jahrgang

Zitierhinweis: Strehlow, K. (2016, 22. November). Gefährlicher Wasserdampf: phreatische Eruptionen. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de/grundlagen], 3. doi:10.2312/eskp.051

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